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Volksverhetzung Tätowierter Judenstern und das Wort „ungeimpft“: Polizei Halle ermittelt gegen Rechtsextremist

Bei Besuchen im Erlebnisbad Maya mare hatte Liebich sich mit tätowiertem Judenstern und dem Wort „ungeimpft“ gezeigt. Die öffentliche Zurschaustellung des antisemitischen Symbols könnte ein juristisches Nachspiel haben.

Von Denny Kleindienst Aktualisiert: 11.01.2022, 12:29
Sven Liebich bei seiner Kundgebung auf dem Marktplatz in Halle am vergangenen Montag
Sven Liebich bei seiner Kundgebung auf dem Marktplatz in Halle am vergangenen Montag Denny Kleindienst

Halle (Saale)/MZ - Auch am ersten Montag des neuen Jahres stand Dauerdemonstrant Sven Liebich auf dem Markt. Er grüßte zunächst die „Bewegung Halle“, die zeitgleich im Stadtgebiet gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierte und sprach seinerseits vom „Corona-Regime“. Weniger als zehn Leute hatte er bei der Kundgebung um sich. Für größeres Aufsehen sorgt der wegen Volksverhetzung verurteilte Liebich nun aber mit seinen Besuchen im halleschen Erlebnisbad Maya mare. Sie könnten für ihn ein juristisches Nachspiel haben.

Ein 54-jähriger Familienvater hatte öffentlich gemacht, dass er Liebich im Dezember dort angetroffen hatte und dabei auch dessen tätowierten Judenstern mit dem Wort „ungeimpft“ gesehen hat. Zu dem Tattoo auf Liebichs Oberarm sagte er: „Ich und auch weitere Gäste sehen das als eine Provokation.“ Einerseits verwies er auf einen Fall in Magdeburg, wo derzeit gegen zwei Personen wegen Volksverhetzung ermittelt wird, die das Symbol auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt zur Schau gestellt haben. Andererseits sagte er: „Ich weiß nicht, wie er ins Maya mare reingekommen ist.“ Schließlich gelte dort die 2G-Regel für Besucher.

Ein klares Verbot gibt es nicht

Ein klares Verbot für das Zeigen des „Ungeimpft“-Sternes gibt es nicht. So wird in Magdeburg nun ermittelt. In Augsburg hat das Landgericht im Dezember einen Mann in einem vergleichbaren Fall wegen Volksverhetzung verurteilt. Derweil sieht die Staatsanwaltschaft Halle im Zeigen des Symbols keine Straftat. Behördenleiterin Heike Geyer betonte aber: „Natürlich handelt es sich um eine geschmacklose Provokation und selbstverständlich kann ein Schwimmbadbetreiber im Rahmen seines Hausrechts Personen aus bestimmten Gründen den Zugang verweigern.“ Dabei sei nicht erforderlich, dass es sich um eine Straftat handelt. Das Maya mare hat das nicht getan.

Laut Polizeiinspektion Halle könnte das Zeigen dieses Symbols den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Weshalb Polizeisprecher Alexander Junghans nun mitteilt: „In der Angelegenheit haben wir Ermittlungen aufgenommen.“

Die Pressestelle der Stadtwerke Halle betonte zudem: „In allen Bädern sowie dem Maya mare gilt die 2G-Regel. Besucherinnen und Besuchern wird nur nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises Eintritt gewährt.“ Trotz seines permanenten Wetterns gegen die Corona-Maßnahmen müsste Liebich also geimpft oder genesen sein. Eine Nachfrage der MZ zu seinem Tattoo und seinem Impfstatus ließ Liebich unbeantwortet. Bisher seien im Maya mare auch keine gefälschten Impfnachweise entdeckt worden, heißt es von Seiten der Stadtwerke.

Vorfall sorgt für Empörung

Auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter äußerten mehrere Nutzer ihr Entsetzen über die öffentliche Zurschaustellung des „Ungeimpft“-Sternes im May mare und warfen zugleich die Frage auf, wie Liebich überhaupt ins Bad kommen konnte. Dennis Helmich, Grünen-Stadtrat und Landesvorsitzender seiner Partei, schrieb: „Ein Neonazi und Wahnwichtel, der sich als ungeimpft einordnet, darf sein antisemitisches Tattoo in einem städtischen Schwimmbad präsentieren? Bitte was?“ Und Wanja Seifert teilte auf Twitter mit: „Wie kommt er da rein? Genesen? Wann soll er in Quarantäne gewesen sein? Doch geimpft? Keiner der Verantwortlichen reagiert auf das antisemitische Tattoo.“

Der 38-jährige Seifert war Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts und hat für den Linke-Landtagsabgeordneten Swen Knöchel gearbeitet, beide Funktionen hat er aktuell nicht mehr. Auf Twitter äußere er sich als Privatperson, wie er der MZ sagte. Dass ein Familienvater, der das Tattoo im Maya mare gesehen hat, den Fall öffentlich gemacht hat, „finde ich gut“, sagte Seifert. Das Erlebnisbad hätte aus seiner Sicht allein schon einen moralischen Grund gehabt, Liebich rauszuwerfen. „Dass der Ungeimpft-Stern antisemitisch ist, sollte bei allen angekommen sein.“ Der Leiterin der halleschen Staatsanwaltschaft, Heike Geyer, die den Vorfall „eine geschmacklose Provokation“ genannt hatte, warf Seifert vor, den Vorfall damit „gnadenlos zu verharmlosen“. Denn vielmehr handele es sich um „schlimmste rechte Hetze“.

Klare Position der Rechtsextremismusexperten

So sieht es auch der Rechtsextremismusexperte Torsten Hahnel vom Verein Miteinander: „Menschen, die dieses und ähnliche Symbole vertreiben oder benutzen, behaupten ja allen Ernstes, dass politische Entscheidungen in der heutigen BRD ähnlich schlimm oder sogar schlimmer seien als Ausgrenzung, Entrechtung und industrieller Massenmord in der NS-Zeit. Das ist völlig absurd.“ Die Position von Historikern, Rechtsextremismusexperten oder jüdischer Organisationen dazu sei eindeutig, so Hahnel. „Solche antisemitisch motivierten Vergleiche sollten nicht öffentlich gezeigt werden dürfen.“