Kreistag Saalekreis Theater im Kreistag: Die AfD inszeniert sich in der Opferrolle
Die AfD-Fraktion im Kreistag des Saalekreises will die 3G-Regeln nicht einhalten und muss deshalb hinter Plexiglas sitzen. Sie sieht sich ausgegrenzt und will klagen.

Merseburg/MZ - AfD-Fraktionschef Hans-Thomas Tillschneider hat sich in den vergangenen Wochen wiederholt als Theaterfreund geoutet. Kein Wunder, gehört doch die Inszenierung bei der selbst proklamierten Alternative für Deutschland zum wichtigsten Handwerkszeug. Nationalhymne auf Demos, Fahneneinmärsche auf Parteiveranstaltungen. Im Kreistag am Mittwoch inszenierte sich die AfD-Fraktion nun in ihrer Lieblingsrolle: als Opfer vermeintlicher Ausgrenzung.
Für die Sitzung, das war im Vorfeld klar, galt 3G. Im Kreisausschuss vor zwei Wochen hatte Tillschneider das auch klaglos zur Kenntnis genommen. Kreismitarbeiter kontrollierten nun am Eingang die Nachweise. Da gewählten Mitgliedern ohne solche die Teilnahme jedoch nicht verwehrt werden kann, hatte der Kreis im Ständehaus den hinteren Saalbereich mit Plexiglas abgetrennt – für Mandatsträger ohne 3G-Nachweis. Platz nahm dort geschlossen, aber allein, die AfD. Ein Mikro stand bereitet, wenn Fraktionsmitglieder das Wort ergriffen, übertrug eine Kamera ihr Bild in den vorderen Saalbereich, in dem die übrigen Fraktionen saßen.
„Ich halte die Maßnahme nicht für unverhältnismäßig.“
Andrej Haufe, Kreistagsvorsitzender
Auch dort war das Rednerpult auf der Bühne mit Plexiglas umstellt, damit ohne Maske gesprochen werden konnte. „Darf ich aus dem Papamobil sprechen“, fragte Tillschneider bei seiner ersten Wortmeldung spöttisch. Kreistagschef Andrej Haufe (CDU) lehnte mit Verweis auf die Hygieneregeln ab, dass die AfD von vorn sprechen darf. Deren Fraktionschef protestierte. „Wir sind hier ausgeschlossen, dagegen werden wir uns rechtlich wehren“, kündigte er an und konkretisierte am Donnerstag: „Wir sehen uns in unseren demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten durch eine einseitige Benachteiligung unzulässig eingeschränkt.“ Weil man weit entfernt und gar noch hinter den Journalisten sitzen musste, seien Wortmeldungen übersehen oder zu spät wahrgenommen worden.
Dies sei eine Benachteiligung gegenüber anderen Kreistagsmitgliedern und für den Infektionsschutz unnötig gewesen. Die Plastikscheiben hätten auch eine Unterbringung im vorderen Bereich erlaubt, argumentierte Tillschneider. Mit der Klage will er nun erreichen, dass die Praxis vom Mittwoch für rechtswidrig erklärt und eine andere für die nächste Sitzung angeordnet wird. Kreistagschef Haufe verteidigte die Sitzordnung: „Ich halte die Maßnahme nicht für unverhältnismäßig.“ Man habe das Möglichste getan, um auch Kreistagsmitgliedern ohne Nachweise die Teilnahme zu ermöglichen.
Im Landtag noch mit 3G-Nachweis
Was Tillschneider im Kreistag unerwähnt ließ. Die AfD-Führung hat ihren Platz hinten im Saal selbst gewählt. Fernsehbilder aus dem Landtag vom Mittwoch zeigten den Kreisparteichef, der an diesem Tag den Vorsitz des Rechtsausschusses abgeben musste, neben den Fraktionskollegen Daniel Wald und Florian Schröder im Plenum. Auch da galt 3G. Das Trio hätte also für den Kreistag entsprechende Nachweise gehabt, um auf den angestammten Plätzen vorn zu sitzen, entschied sich aber bewusst für den Weg nach hinten. „Weil wir in der Kreistagsfraktion beschlossen haben, ein Zeichen gegen die unverhältnismäßigen Coronaeinschränkungen zu setzen“, sagte Tillschneider auf Nachfrage.

Kurz vor Sitzungsende entrollten er und seine Fraktionskollegen dann noch ein zwei Meter hohes gut zehn Meter breites Plakat mit der Aufschrift „Spaltung der Gesellschaft stoppen“. Als Frank Sauer die Aktion von außerhalb des Nicht-3G-Bereich fotografieren wollte, wies ihn Umweltamtschefin Sabine Faulstich, deren Amt die Einhaltung von Coronaregeln kontrolliert, energisch in die Grenzen.
Kreistagschef Haufe, der um Fassung bemüht war, forderte die AfD auf, das Plakat umgehend wieder einzurollen, sonst müsse er darüber nachdenken, sie aus dem Saal zu werfen. So weit trieb die AfD die Inszenierung dann doch nicht. Sie konnte auch so sicher sein, dass ihr Auftritt von allen im Saal registriert und von den Kameras gefilmt wurde. Es folgte aus AfD-Reihen lediglich noch die Wortmeldung von Rick Heinze, der sich über den Platz im Glaskasten beschwerte und den „Bitte nicht füttern“-Aufkleber vermisste.