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Landwirtschaft Sachsen-Anhalts Äcker vor dem Ausverkauf

Acker wird immer teurer, weil Investoren nach Land gieren. Vor allem Bauern kleiner Höfe leiden. Sachsen-Anhalt will Ausverkauf bremsen.

Von Jens Schmidt 29.08.2019, 01:01

Magdeburg l Ackerflächen sind heiß begehrt. 2018 wurde damit ein Rekordumsatz von fast 215 Millionen Euro erzielt. Pro Hektar sind im Mittel 18.000 Euro fällig. Damit haben sich die Preise innerhalb von zehn Jahren verdreifacht. Teurer war Acker noch nie. Auch die Pachtpreise klettern. Bauern sehen das mit Sorge. „Wir sind kaum noch in der Lage, da mitzuhalten“, sagt Jochen Dettmer, der einen Hof in Belsdorf (Börde) hat. Als Präsident des Bauernbundes in Sachsen-Anhalt vertritt er vor allem die kleineren Familienbetriebe.

Seitdem Zinsen im Keller sind, gieren Investoren nach Land. Darunter sind Anwälte, Autoverkäufer, Immobilienhändler. Eigentlich sollen die Landkreise den Ausverkauf an Nicht-Landwirte unterbinden. Doch das funktioniert oft nicht. Beispiel 2018: 40mal stoppten die Landkreise zunächst den Deal. 40mal schaltete sich dann Sachsen-Anhalts Landgesellschaft ein, um die Äcker heimischen, kleinen Bauern anzubieten. Gerade acht mal hat das geklappt. Grund: Entweder fehlte den Landwirten nach Dürre und Missernten das Geld. Oder aber die Flächen waren für Bauern ungeeignet. Also gingen die Äcker in 32 Fällen doch an Investoren.

Bereits gut 50 Prozent von Sachsen-Anhalts Ländereien gehören Eignern, die nicht im Land wohnen. Sie kassieren Pacht. Das meiste fließt in den Westen. Die Anlage lohnt sich. Ein Hektar fetter Bördeboden kostet derzeit etwa 24 000 Euro. Dafür lässt sich durchaus eine Jahrespacht von 600 Euro erzielen. Ein Rendite von 2,5 Prozent. Ein guter Schnitt in Zeiten von Minuszinsen.

Bauernbund-Präsident Dettmer will, dass die Landesregierung dem einen gesetzlichen Riegel vorschiebt. „Land und Agrarbetriebe gehören in die Hände einheimischer Bauern.“

Einige Investoren kaufen sich in Agrar-Betriebe ein. So bekommen sie Macht über viel Land – ohne die Flächen direkt zu erwerben und ohne Grunderwerbssteuer zu zahlen. Allerdings bringen diese Agrar-Investoren – im Gegensatz zu den reinen Flächenkäufern – auch Kapital ins Dorf und erhalten Arbeitsplätze. Die Stimmung ist daher gespalten.

Beispiel Harz: Markus Hercher, Autohändler aus Sachsen, hat in etliche Agrarbetriebe investiert. So gehören die Agrargenossenschaft Strassberg/Siptenfelde und die Mutterkuh Siptenfelde GmbH zu seinem Firmennetz. Einige Bauern schäumen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft übergab Herche im Sommer den Schmähpreis „Heuschrecke des Jahres“. Marcus Weise (CDU) hält davon gar nichts. Er ist Bürgermeister der Gemeinde Harzgerode, zu der Siptenfelde gehört. „Früher waren die Betriebe in Schwierigkeiten. Seitdem er sie übernommen hat, zahlen sie Steuern – und sie zahlen pünktlich.“ Auch sonst lässt er nichts auf Hercher kommen. „Er engagiert sich. Er ist keine Heuschrecke.“

Auch durch die Bauernschaft geht ein Riss. Vor allem Landwirte der im Osten typischen Groß-Agrarbetriebe lehnen es ab, Verkäufe staatlich zu reglementieren. „Es ist nicht richtig, Investoren von außerhalb in Bausch und Bogen zu verdammen“, sagt Wilfried Feuerstack, der selbst bis vor kurzem im Vorstand der Agrargenossenschaft Wasserleben (Harz) gearbeitet hat. „In der Landwirtschaft wird Kapital gebraucht.“

Der Streit wird sich verschärfen. Denn: Die Kauflust ist groß. Und die Verkäufer sind willig. Immer mehr Landwirte kommen ins Rentenalter. Wer Anteile verkauft, kann schnell einige Hunderttausend Euro reicher werden. Das wirkt. Für Sachsen-Anhalt untersuchte das Thünen-Institut Braunschweig jetzt zwei Landkreise. In Anhalt-Bitterfeld beherrschen Überregionale schon 30 Prozent aller Agrarbetriebe. Im Landkreis Stendal sind es 17 Prozent. Experten erwarten, dass dies ansteigt. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagt Andreas Tietz vom Institut. Der Staat müsse seine Ziele in der Bodenpolitik neu formulieren. „Ein Investor mag ein fähiger Landwirt sein – aber er kann auch schnell zum heimlichen Herrscher einer ganzen Region aufsteigen.“ Daher: „Breit gestreutes Eigentum ist meiner Überzeugung nach wichtig.“

So sieht das auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt. Agrarministerin Claudia Dalbert (Grüne) forderte die Bundesregierung auf, entsprechende Gesetze zu ändern. Die Regierungsfraktionen CDU, SPD und Grüne wollen zudem mit einem eigenen Landesgesetz die Verkäufe strenger regulieren. Im September soll der Entwurf in den Landtag. Doch es bahnt sich viel Widerstand an: „So ein Gesetz brauchen wir nicht, sagt Olaf Feuerborn, Chef des Landesbauernverbandes.

Ein Großteil der Pacht fließt aus Sachsen-Anhalts Dörfern ab, weil bereits 50 Prozent der Äcker Auswärtigen gehören. Zudem beherrschen überregionale Investoren in einigen Regionen schon ein Drittel aller Agrarbetriebe. Bereits 2015 hatte Sachsen-Anhalt versucht, dem einen Riegel vorzuschieben. Doch die Regierung hatte einen „Bauern-Krieg“ ausgelöst und war damit gescheitert. Die CDU-SPD-Grünen-Koalition wagt einen neuen Anlauf. Ein erster Entwurf für ein Agrarstruktur-Gesetz liegt jetzt beim Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin. Die Juristen sollen den Text abklopfen. Noch 2019 soll das Gesetz im Landtag beraten werden. Wegen des zu erwartenden Zoffs unter den Bauern haben alle Seiten bis dahin Stillschweigen vereinbart. Doch einige Knackpunkte zeichnen sich schon ab.

Ackerverkäufe: Steht ein Deal an, melden Notare das den Landkreisen. Die sollen gewährleisten, dass Agrarland in Bauernhand bleibt. Gibt es Zweifel, übt Sachsen-Anhalts Landgesellschaft ein Vorkaufsrecht aus – und veräußert den Acker dann an landbedürftige Bauern. Doch das klappt meistens nicht. Oft sind die Äcker mit langen Pachtverträgen belegt, was für Bauern unanttraktiv ist. Oder aber kleinen Höfen fehlt das Geld. Zudem wird der Boden künstlich verteuert, weil sowohl die Landgesellschaft als auch der Bauer Grunderwerbssteuer (5 Prozent vom Kaufpreis) zahlen müssen. Die Koalition will, dass diese Doppelbesteuerung wegfällt.

Betriebsanteile: Verkaufen Landwirte ihre Anteile an Unternehmen („share deals“), unterliegt das keiner staatlichen Kontrolle. So können Investoren bis zu 94 Prozent eines Betriebs kaufen, ohne einen Cent Grunderwerbssteuer zu zahlen. Sachsen-Anhalt fordert vom Bund, die Prozentgrenze zu senken. Dann bekäme das Land mehr Steuern. Zudem hätte das Finanzamt auf dem Radar, wer sich wo einkauft.

Einige Bauern wollen, dass auch Betriebsverkäufe reglementiert werden. Die Idee: Findet ein Agrar-Unternehmen keine einheimischen Nachfolger, sollte Sachsen-Anhalt die Anteile übernehmen, so lange, bis ein geeigneter Bauer gefunden ist. „Wir wollen ja nicht die Verkäufer gängeln, aber die Käufer kontrollieren“, sagt Bauernbund-Chef Jochen Dettmer. Die SPD hätte das unterstützt. Die CDU geht da nicht mit. Das Land würde zum Unternehmer. „Das ist ein zu hohes Risiko“, sagt ihr Agrar-Politiker Bernhard Daldrup.

Der Landesbauernverband, in dem vor allem die Großbetriebe organisiert sind, lehnt eine Reglementierung ab. „Etliche Betriebe müssen nach Jahren schlechter Ernten Land verkaufen, um ihre Kredite zu bezahlen“, sagt dessen Chef Olaf Feuerborn. Auch sein Betrieb sei betroffen. 2018 habe er eine halbe Million Euro Miese gemacht. Da im Land Käufer schwer zu finden seien, dürften auswärtige Anleger nicht pauschal ausgegrenzt werden. „Der Staat kann nicht wissen, wer ein guter oder schlechter Investor ist.“