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Linke-Chef„CDU ist nicht regierungsfähig“

Im Interview rechnet Stefan Gebhardt, Landes-Chef der Linken, mit der Kenia-Koalition ab.

Von Michael Bock 29.12.2020, 00:01

Volksstimme: Herr Gebhardt, Sie haben die Kenia-Koalition beim Parteitag im Oktober als „Gurkentruppe“ bezeichnet, ihr „Trägheit“ und „dumme Ausreden“ vorgeworfen. Sind Sie der Haudrauf der Linken?
Stefan Gebhardt: Nein, wir haben da keine Rollenverteilung. Aber bei dem, was die Koalition in den zurückliegenden Monaten geboten hat, sind diese Zitate heute noch passender als damals. Der große Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 86 Cent im Monat und damit verbunden die Blamage Sachsen-Anhalts bundesweit haben noch einmal die großen Schwachstellen in der Koalition aufgezeigt. Jeder hat gesehen, dass dieses Bündnis nicht funktioniert. Die Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht. Es gibt keine Schnittmengen mehr.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat den Staatsvertrag zurückgezogen und erklärt, die Koalition gehe gefestigt aus der Krise. Was sagen Sie dazu?
Diese Einschätzung hat er exklusiv. Die Koalition bietet ein verheerendes Bild. Und die CDU-Fraktion ist in wesentlichen Fragen tief gespalten. Sie hat dem Ministerpräsidenten bei einem Staatsvertrag, den er verhandelt hat, die Gefolgschaft versagt. Damit ist Herr Haseloff ein König ohne Reich. Und die CDU ist im Moment nicht regierungsfähig.

Gehen Sie dennoch davon aus, dass die Koalition bis zur Landtagswahl am 6. Juni 2021 hält?
Ja. Mittlerweile sind alle großen Gesetze durch, und die Koalition hat nichts anderes mehr vor. Sie verwaltet nur noch den Zustand von Sachsen-Anhalt. Die Koalition wird sich bis Juni irgendwie noch durchwursteln.

Die Linke strebt nach der Landtagswahl ein rot-rot-grünes Bündnis an. Kann das funktionieren?
Natürlich. Die Schnittmengen zwischen dem Mitte-Links-Lager von Linken, SPD und Grünen sind deutlich größer als die von CDU, SPD und Grünen.

Konkret?
Wir hätten schon längst ein Vergabegesetz für gute Löhne durchgesetzt. Wir hätten mit Sicherheit auch einen großen Schritt in Richtung Beitragsfreiheit bei Kindertagesstätten gemacht. Ebenso beim Kampf gegen Kinderarmut. Und wir hätten einen leidenschaftlichen Kampf geführt für die Ost-West-Angleichung von Löhnen und Renten. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wir spüren schon, dass uns von der Landes-SPD die Hand ausgestreckt wird – und die werden wir natürlich nicht ausschlagen. Wir werden für eine progressive Mehrheit nach der nächsten Wahl kämpfen. Das hat auch die SPD angekündigt. Das sind Signale, die wir sehr wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Über die Grünen haben Sie vor nicht allzu langer Zeit gesagt, ihnen gehe es in der Kenia-Koalition sehr gut. Bleiben Sie dabei?
Nein, die letzten Wochen und Monate haben nochmal die Differenzen sehr deutlich gemacht. Und wenn Koalitionspartner öffentlich verbal so respektlos miteinander umgehen wie zuletzt, weiß man, dass da nichts Produktives mehr zustande kommen kann. Da ist nur noch rigorose gegenseitige Ablehnung.

Wie bewerten Sie den Zustand der CDU?
Es geht ein Riss durch die CDU. Der Flügel, der eine Kooperation mit Rechtsextremisten will, ist nicht verschwunden. All jene, die eine Machtbeteiligung der AfD in Sachsen-Anhalt verhindern wollen, können im Moment nicht auf die CDU setzen. Die Spaltung in der CDU hat sich in den letzten Wochen manifestiert.

Ministerpräsident Haseloff, der auch zur Landtagswahl wieder als Spitzenkandidat antritt, schließt eine Koalition und eine Kooperation, direkt oder indirekt, mit der AfD aus. Glauben Sie ihm das nicht?
Es geht nicht darum, ob ich das Herrn Haseloff glaube. Vielmehr stellt sich die Frage, ob er die Mehrheit seiner Truppe hinter sich hat. Immerhin kam aus der CDU-Fraktion der Vorschlag, das Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen. Diejenigen, die das gefordert haben, sind weiterhin stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Und sie werden auch im nächsten Landtag aktiv sein. Insofern droht tatsächlich eine schwarz-braune Zusammenarbeit.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die AfD im Land entwickelt?
Die AfD hat sich in Sachsen-Anhalt mittlerweile zu einer lupenreinen rechtsextremen Truppe entwickelt, in der zudem die Corona-Leugner schlechthin zu finden sind. Diese Mischung ist extrem gefährlich. Große Sorge bereitet mir, dass ein relevanter Teil der CDU bereit ist, mit denen zusammenzuarbeiten.

Rot-Rot-Grün ist derzeit in Umfragen meilenweit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Wie kommen Sie darauf, dass es klappen könnte?
Wir kämpfen zuallererst für uns, für eine starke Linke. Mit Eva von Angern haben wir nicht nur eine Spitzenkandidatin, sondern eine spitzen Kandidatin. Ich bin sicher, dass wir mit ihr einen Wahlerfolg einfahren können. Unser Ziel ist ein Ergebnis von 20 plus x-Prozent. Wir wollen mindestens zweitstärkste Kraft im Land werden. Ob es letztlich für Mitte/Links reicht, hängt auch vom Abschneiden von SPD und Grünen ab.

Sollte es nicht reichen für eine Mehrheit von Linken, SPD und Grünen, was halten Sie dann von einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung?
Wir erleben ja gerade, dass das in Thüringen gar nicht so schlecht funktioniert. Aber Thüringen ist Thüringen. Und Sachsen-Anhalt ist Sachsen-Anhalt.

Noch mal: Ist eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung eine Option für Sachsen-Anhalt?
Darüber wird gegebenenfalls ein Parteitag nach der Wahl befinden.

Also: Ihre Meinung als Landesvorsitzender?
Ich schließe das nicht kategorisch aus. Aber das streben wir nicht an. Wir kämpfen für Mehrheiten.

Die designierte Spitzenkandidatin für die Landtagswahl steht fest, wie sieht es für die Bundestagswahl aus?
Ich werde dem Landesvorstand den Bundestagsabgeordneten Jan Korte als Spitzenkandidat vorschlagen. Er gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten in unserer Partei. Er ist bodenständig und kommt bei den Menschen gut an. Er und Eva von Angern werden sich sehr gut ergänzen.