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Lotto-Affäre Parteien wollen Staatsanwalt einschalten

Verdacht auf Sportwettenbetrug und Geldwäsche keimt auf. Im Visier steht eine Lotto-Verkäuferin in Zerbst und eine Gruppe von Großspielern.

Von Jens Schmidt 25.01.2020, 00:01

Magdeburg l Läuft in Sachsen-Anhalt ein dicker Sportwettenbetrug? Ist die Lotto-Gesellschaft darin verwickelt? Dieser Frage ging gestern der Parlamentarische Untersuchungsausschuss nach. Künftig dürften sich auch die Strafverfolger damit befassen. „Ich glaube, dass sich jetzt die Staatsanwaltschaft dafür interessieren muss“, sagt Ausschussvorsitzender Andreas Steppuhn (SPD) der Volksstimme. Auch die Linke ist dafür. „Ein Anfangsverdacht ist gegeben“, sagt Guido Henke. Die AfD erwägt eine Strafanzeige.

Fakt ist: Bei der von Lotto angebotenen Sportwette Oddset gibt es in Sachsen-Anhalt auffallend erfolgreiche Glückspilze. 2018 hatte ein Spieler gigantische 1,35 Millionen Euro gesetzt – und 1,53 Millionen Euro gewonnen. Am Donnerstag berichtete die Mitteldeutsche Zeitung von einem weiteren Fall, der wohl damit im Zusammenhang steht. Laut MZ hat eine Frau 2017 in kürzester Zeit 23 hohe Gewinne über insgesamt 258.000 Euro kassiert. Das Bemerkenswerte: Die Gewinnerin hat in Zerbst selbst eine Lotto-Verkaufsstelle. Und: Ihr Ehepartner hat bei einem Unternehmen gearbeitet, das Software für Glücksspielanbieter entwickelt. Nun steht der Verdacht im Raum, dass Insiderwissen genutzt wurde. Da das Paar zudem große Bargeldsummen abhob, erstreckt sich der Verdacht auch auf Geldwäsche. Doch die Lottoverkäuferin ist nicht die einzige, die zockt. Nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses handelt es sich um eine Gruppe von neun Großspielern, die Millionen verwettet und Gewinne kassiert hat. Die Lotto-Verkäuferin bestritt Unregelmäßigkeiten. „Ich spiele ganz allein, nur zum Vergnügen. Das ist legal“, sagte die der MZ. „Da müssen schubkarrenweise Scheine ausgefüllt worden sein“, sagt ein Parlamentarier aus dem Ausschuss. Interessant: Mitunter wurde auf Sieg, Unentschieden und Niederlage zugleich gesetzt. Das deutet auf ein ausgeklügeltes Systemspiel hin.

Das Zentrum der Aktion lag jedenfalls in Zerbst. Lange Zeit hatte die Filiale in der Woche Sportwettenumsätze von gerade mal gut 250 Euro. Kaum hatte die Frau den Laden übernommen, schossen die Umsätze auf 10.000 Euro hoch. Das ist das wöchentliche Limit, das einer Filiale erlaubt ist. Doch die Lottochefs in Magdeburg waren offenbar so begeistert, dass sie diesem Laden als einzigem im Land eine Obergrenze von 15.000 Euro genehmigten. Es winken schließlich gute Provisionen: Über 20 Prozent sind für Lotto insgesamt drin.

Wegen der großen Bargeldabhebungen waren auch Zoll und Polizei hellhörig geworden. In einem Fall hatte ein Mann aus Bayern gut 30.000 Euro von der neunköpfigen Sportwett-Gruppe aus Sachsen-Anhalt bekommen. Anfang 2018 hakte das LKA München bei der Lottozentrale in Magdeburg nach. Daraufhin befragte Vertriebschef Ronald Thom seine Verkäuferin. Doch Verdächtiges vermochte er nicht zu sehen. Immerhin wurde das wöchentliche Wettlimit wieder gesenkt. Dem Ausschuss fiel auf: Gestern räumte Thom Dinge ein - wie etwa die Aktivität von Großspielern - die er noch bei der ersten Befragung letztes Jahr von sich gewiesen habe.

Die CDU will in der nächsten Sitzung im Februar wissen, warum die Lottochefs die Filiale in Zerbst bevorzugten. Die SPD interessiert, wie die Lottoaufsicht im Innenministerium agierte. Die AfD sieht vor allem Lotto-Chefin Maren Sieb verantwortlich. Jan Wenzel Schmidt: „Ich werfe ihr vor, aus Provisionsgier dubiosen Vorgängen Tür und Tor geöffnet zu haben.“