Eine der 100 größten Bands aller Zeiten Lynyrd Skynyrd kommen nach Halle: „Wir haben Anhänger von acht bis 80 Jahren“
Die US-amerikanische Band Lynyrd Skynyrd wird inzwischen von vier, fünf Generationen gehört. Im Sommer tritt sie auch in Halle auf. Gitarrist Rickey Medlocke berichtet im Interview von den Songs auf der Tournee, von seinem Engagement für Indigene in Amerika und wie er einst als kleiner Junge diesen einen großen Traum hatte: Musik zu machen.

Halle (Saale). - Das Musikmagazin „Rolling Stone“ zählt Lynyrd Skynyrd zu den 100 größten Bands aller Zeiten. Ihre mit drei Lead-Gitarren gespielte Musik ist eine Mischung aus Rock, Blues und Country und behandelt typische Südstaatenthemen. Im Sommer kommt die legendäre US-Formation nach Deutschland und Österreich – und macht dabei Anfang Juli auch in Halle Station.
Im Gepäck das neue Album „Celebrating 50 Years – Live At The Ryman“. Es enthält den letzten Auftritt von Lynyrd Skynyrd-Gründungsmitglied Gary Rossington. Olaf Neumann sprach vor der Tour mit Rickey Medlocke. Der Gitarrist und Aktivist ist Angehöriger der Stämme der Cherokee und Lakota Sioux und erklärt, warum er kein Problem damit hätte, als „Indianer“ bezeichnet zu werden.
Gary Rossington, der legendäre Mitbegründer Ihrer Band, ist 2023 verstorben. Die neue Veröffentlichung „Celebrating 50 Years – Live At The Ryman“ enthält seinen letzten Auftritt. Haben Sie anfangs gedacht, dass Sie ohne Gary nicht weitermachen können?
Rickey Medlocke: Gary wollte nicht, dass die Band einfach aufhört. Wir denken, dass es für die Fans sehr wichtig ist, uns live spielen zu sehen, diese großartige Musik zu hören. Wir haben mittlerweile Anhänger im Alter von acht bis 80 Jahren. Damals, als Gary, Johnny und ich einen Song mit dem Titel „Skynyrd Nation“ schrieben, sprachen wir noch von drei Generationen. Jetzt sind es schon vier, in manchen Fällen sogar fünf. Das spricht sehr für die Songs. Sie sind ikonisch. Besser kann man es nicht machen. Neulich habe ich die Talent-Show „The Voice“ geguckt, wo unser „Simple Man“ gesungen wurde. Ich bin mir sicher, dass diese Songs länger leben werden als ich selbst.
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Fehlt nun Gary Rossingtons Les Paul im Sound der Band oder spielt der neue Gitarrist Damon Johnson genau das, was Gary immer gespielt hat?
Damon spielt über Garys Anlage und benutzt die gleichen Gitarren. Johnny und ich verlangen das auch von ihm. Als 2021 deutlich wurde, dass Gary gesundheitlich angeschlagen war, bat er uns, einen Gitarristen zu finden, der der Band und der Musik gerecht wird. Johnny fragte mich dann, ob ich jemanden kennen würde, der die Songs Note für Note so spielen kann, wie Gary es getan hat. Den Ton, den Klang, alles. Der Einzige, der das vermochte, war Damon Johnson. Ich kenne ihn schon seit 35 Jahren. Er ist für mich wie ein kleiner Bruder.
Lynyrd Skynyrd haben viele Hits und Klassiker in ihrem Repertoire. Werden Sie auf der Tournee auch gänzlich neues Material spielen?
Wir spielen eine Menge Songs, die die Leute wiedererkennen werden, aber auch einige neue Sachen, die wir noch nie live performt haben. Ich garantiere, dass jeder zufrieden sein wird.
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Sie waren schon von 1971 bis 1972 bei Lynyrd Skynyrd. Was war Ihre Rolle, als Sie 1996 zurückkamen?
Johnny van Zandt ist im Grunde der Boss und ich bin der zweite Mann im Bunde. Wir sind jetzt die Gesichter der Band. Gary zählte mich immer zu den ursprünglichen Mitgliedern. Nach meinem Ausstieg gründete ich Blackfoot. Als ich später zu Lynyrd Skynyrd zurückkehrte, versprach ich Gary, so lange zu bleiben, bis die letzte Note von „Free Bird“ verklungen sein wird. Wenn die verdammten Rolling Stones das können, können wir das auch.
Sie sind das einzige Mitglied der aktuellen Besetzung, das noch mit dem ursprünglichen Sänger Ronnie van Zandt zusammenarbeitete, der 1977 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Was machte ihn so einzigartig?
Ronnie hatte eine einzigartige und unglaubliche Art, Dinge in Songtexte zu packen. Ich habe ihn immer als einen originellen Südstaaten-Poeten betrachtet. Es schien, als ob ein 80 Jahre alter Mann in einem 20 Jahre alten Körper diese Art von Poesie schreiben könnte. Er besaß ein Gespür für Texte, mit denen sich jeder identifizieren konnte. Ich habe Ronnie immer für ein Genie gehalten. Das Schicksal hat es gewollt, dass all diese großartigen Musiker schon früh in unser Leben traten und uns unglaublich beeindruckten – und auf einmal wurden sie uns wieder genommen. Ich habe zum Glück viele schöne Erinnerungen an die Arbeit mit ihm.
Als junger Mann haben Sie das Woodstock Festival erlebt. War das der Auslöser dafür, dass Sie selbst Berufsmusiker werden wollten?
Schon vorher hatte ich all die großen Bands und Künstler gesehen, die in meiner Heimatstadt Jacksonville auftraten: Jimi Hendrix zweimal, die Beatles, als ich 14 war, Elvis Presley, als ich sechs Jahre alt war. Alles, was ich je tun wollte, war Musik zu machen. Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend viele gesundheitliche Probleme, und deshalb fühle ich mich gesegnet, dass ich heute hier sitzen und mit Ihnen sprechen darf.
Wie war Elvis Presley auf der Bühne?
Meine Eltern nahmen mich einmal zu einem seiner Auftritte mit, weil ich vor dem Einschlafen immer seine Songs heimlich im Transistorradio hörte. Elvis war damals das große Ding. Als Großvater Shorty schließlich eine Dame namens Mae Boren Axton kennenlernte, besorgte sie ihm Karten für ein Elvis-Konzert in Jacksonville. Sie und zwei weitere Songwriter durften ihn dann in einem Hotel in Jacksonville treffen, um ihm einen Song vorzuspielen, den sie für ihn geschrieben hatten, „Heartbreak Hotel“. Elvis gab ihnen am Ende Karten für seine Show, und so nahmen sie mich mit. Ich war als Sechsjähriger einfach nur begeistert, wirklich überwältigt. Auf dem Heimweg zwischen meinen Eltern im Auto sitzend fragte mich mein Vater: „Und, was hältst du von Elvis, mein Junge?“ Ich antwortete: „Das ist es, was ich machen will!“
Ihr Großvater Shorty Medlocke war ein amerikanischer Blues-, Country- und Bluegrass-Musiker und Banjospieler. Und Inspiration für den Song „The Ballad of Curtis Lowe“ von Lynyrd Skynyrd.
Shorty hat mir als Dreijährigem Banjounterricht gegeben. Ich nahm mit ihm auch an einer Fernsehshow teil. Mit fünf Jahren fing ich an, auf seiner J-45 Gibson zu spielen. Und mit acht landete ich auch beim Schlagzeug. Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie viele der Späße, die ich später im Rock’n’Roll-Business gemacht habe, wirklich mochten, aber sie verziehen sie mir. Ich verdanke alles meinem wunderbaren Vater und meiner wunderbaren Mutter. In Wirklichkeit waren sie meine Großeltern, die mich wie ihr eigenes Kind aufzogen.
Lassen Sie Ihre indigenen Wurzeln in die Musik einfließen, die Sie mit Lynyrd Skynyrd oder auch als Solokünstler machen?
Oh ja, die Wurzeln sind immer präsent. Tatsächlich gehen die Verkäufe meiner aktuellen Single „Never Run Out Of Road“ an eine indianische Wohltätigkeitsorganisation. Ich bin stolz darauf, mit so etwas in Verbindung gebracht zu werden und es bekannt zu machen, damit die Menschen Bescheid wissen.
Sie unterstützen das Missing and murdered Indegenious Women Movement (MMIW) sowie das National Indigenous Women’s Resource Centre (NIWRC). Wie ist die Situation für indigene Frauen in Amerika?
Nun, Sie müssen wissen, dass es in den USA und in Kanada eine Epidemie großen Ausmaßes gibt, die wahrscheinlich schon seit hundert Jahren andauert. Indigene Kinder, junge Mädchen und Jungen, indigene Teenager und ältere Frauen verschwinden nämlich einfach. Am Ende findet man viele irgendwo tot auf. Die Bewegung für vermisste und ermordete indigene Frauen startete vor vielen Jahren. Ich habe versucht, eine Reihe von Fernsehsendungen zu dem Thema zu machen, aber kein Sender wollte sich damit befassen. Das Nationale Ressourcenzentrum für indigene Frauen leistet Wohltätigkeitsarbeit und sammelt aus diesem Grund Spenden. Ich habe beschlossen, dass der Erlös meiner neuen Single dorthin fließen soll.
Wie viele Indigene sind in den letzten Jahren verschwunden?
Zehntausende. Zehntausende! Die Öffentlichkeit hat keine Ahnung von der Tragödie und den Grausamkeiten, die an einheimischen Frauen begangen werden. Denn sie sind vergessene Menschen. Sie werden nie in irgendetwas einbezogen. Wenn man über Reservate spricht, wie oben im Nordwesten, in Kanada und in den Ebenen – wenn die Leute nur die Bedingungen dort sehen könnten. All diese Dinge, die ich gesehen habe. Man würde nicht glauben, dass eine Regierung die Ureinwohner Amerikas so behandeln würde. Aber sie tut es.
Was tun die US-Behörden gegen die Verbrechen an den Frauen?
Nichts! Das fällt in die Zuständigkeit des Bundes. Aber die werden nicht ermitteln. Es passt nicht in die Agenda. Amerikanische Ureinwohner fühlen sich oft nicht einmal mehr als Bürger ihres Landes. Nach dem Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert wurde die westliche Expansion für amerikanische Pioniere geöffnet. Leute, die aus dem Krieg übrig geblieben waren, zogen dorthin und hatten das Gefühl, dass die Menschen auf diesem Teil des Landes nicht so gut waren wie sie selbst, dass sie Wilde waren oder was auch immer. Und die Natives haben sich natürlich gewehrt. Dann mischte sich die Regierung der Vereinigten Staaten in die Sache ein, und es kam zu den Indigenenkriegen. Im Zuge dessen kamen immer mehr Pioniere und Armeen ins Land. Die Natives wurden schließlich besiegt und in Reservate gesteckt. An ihnen wurden unglaubliche Gräueltaten verübt.
Donald Trump will das Recht auf Staatsbürgerschaft abschaffen. Werden den amerikanischen Ureinwohnern unter dem neuen Präsidenten schwere Zeiten bevorstehen?
Das bleibt abzuwarten. Ich werde mich da ganz offen äußern. Das könnte eines der Dinge sein, bei denen wir aneinandergeraten. Ich werde nicht nur daneben stehen.
Der Film „Killers of the Flower Moon“ von Martin Scorsese spielt in Oklahoma in den 1920er Jahren und konzentriert sich auf eine Reihe von Morden an Mitgliedern und Verwandten der Osage Nation, nachdem Öl auf Stammesland entdeckt wurde.
Ich kenne den Film. Ich habe Verwandte und Freunde, die dort leben, wo die Ereignisse von damals stattfanden. Es war für mich sehr emotional, es machte mich zornig. Und es ist genau so passiert. Die Verwandten eines engen Freundes waren alle davon betroffen. Und das Ganze ist noch gar nicht so lange her.
Der Begriff „Indianer“ ist in Deutschland umstritten, da er auf Kolonialismus und Rassismus verweist. Finden Sie ihn diskriminierend?
Wenn Sie mich so beschreiben würden, würde ich nicht sagen, dass das respektlos ist. Ich würde zu Ihnen sagen: Sie nennen mich genau so, wie ich bin. Mein Blut ist stark und tief. Ich bin natürlich gemischt, ich bin amerikanischer Ureinwohner und Europäer. Die Familie meines Großvaters, die mich großgezogen hat, war englischer und schottischer Herkunft. In Manchester gibt es den Medlock-Fluss und die Medlock-Brücke. Später fand ich heraus, dass meine Ur-Ur-Großmutter von Schottland nach Amerika kam und hier eingebürgert wurde.