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Wernigeröder stört schmutzige Luft durch Anheizen der Dampflokomotiven Massive Kritik an Harzer Rußqualmbahn

Von Tom Koch 09.11.2013, 01:10

Wernigerode l Millionen Touristen erfreuen sich an der Harzer Schmalspurbahn (HSB). Doch es gibt zunehmend Wernigeröder, die sich über Ruß und dreckigen Qualm beschweren, den die Dampfrösser tagtäglich auch mitten in der Innenstadt ausstoßen. Die HSB reagiert verwundert: Anwohnerkritiken seien nicht bekannt.

Bärbel Luft hat die Nase voll. Sobald die dicke Qualmwolken auspustende Harzquerbahn an ihrem Grundstück bergan vorbeirattert, weiß die Wernigeröderin: Gleich spürt sie wieder diesen stechenden Geruch. "Früher, zu DDR-Zeiten, waren in unserem Garten die Blätter mit einer dicken schwarzen Schicht überzogen."

"Wir trocknen schon seit Jahren keine Wäsche mehr im Garten." - Bärbel Luft, HSB-Kritikerin

Das ist vorbei, berichtet die 70-Jährige. Stattdessen leidet sie "unter diesem chemischen Geruch". Ihre Ärztin vermutet, die Beschwerden der Allergikerin können auch vom Ruß und Qualm der Eisenbahn herrühren, die nur wenige Schritte am Grundstücks der Lufts am Wiesenhang vorbeifährt.

Unterstützt in ihrer Kritik wird sie von Ehemann Horst Luft: "Haben die HSB-Dieselloks überhaupt Rußfilter", will der Wernigeröder wissen. Seit vielen Jahren hängt die Familie ihre Wäsche nicht mehr zum Trocknen in den Garten, so wie andere Nachbarn auch.

Im Volksstimme-Gespräch betonen Bärbel und Horst Luft, gewiss sei die Schmalspurbahn für die Touristen sehr wichtig, jedoch: "Ist die HSB eine Heilige Kuh, die tun und lassen darf, was sie will?" Auch ein technisches Denkmal könne und müsse mit der Zeit gehen, fordern die Lufts. Wegen der Luftreinhaltung werde den Menschen verboten, Gartenfeuer zu entfachen, doch die Dampfloks können im Harz Ruß und Qualm ausspeien wie vor 100Jahren.

Diese Kritik ist kein Einzelfall. Im Wohnviertel Im Stadtfelde, also nur zwei Straßen vom HSB-Lokschuppen am Hauptbahnhof entfernt, wohnt Roland Stefanowicz. "Es gibt viele Nächte, in denen wir unser Schlafzimmerfenster schnell schließen müssen, manchmal lassen wir es gleich zu, so extrem ist die Luftbelastung", klagt der Wernigeröder. Vor allem in den frühen Nachtstunden, wenn viele der Dampfloks angeheizt würden, "ist der Dreck oft unerträglich".

Stefanowicz, der als Glasbläser auch im Heizen von Brennöfen Unterricht hatte, vermutet, die HSB-Mitarbeiter heizen ihre historischen Loks falsch an. "Da wird zu schnell zu viel Kohle auf den Rost gegeben, dadurch entstehen zu viele Rauchgase, und darum wird unser Viertel regelmäßig richtig eingenebelt." Dass die Dampfrösser nicht nur Wasserdampf verlässt, das können die Stefanowiczs regelmäßig auf ihren Gartenmöbeln sehen, "die sind ständig pechschwarz".

Doch, auch Roland Stefanowicz beteuert, zwar ein Kritiker, aber kein Gegner der HSB zu sein: "Wir wollen unsere Bahn gern behalten, doch seit Jahren werden wir massiv belästigt." Für den Wernigeröder wäre eine Alternative, dass die Schmalspurbahn einen Platz außerhalb der Innenstadt zum Anheizen ihrer Dampflokomotiven nutzt.

Friseurmeisterin Ingrid Korte betreibt in Wernigerodes Bahnhofstraße einen Salon. Bereits in den 1990er-Jahren habe es unter Nachbarn eine Unterschriftenaktion gegen den Ruß und Dreck der Dampfloks gegeben, "das hat aber niemanden interessiert", erinnert sie sich. Heute, fast 20Jahre später, hat Ingrid Korte inzwischen resigniert?

Nein, betont die Wernigeröderin, die starken Belästigungen durch die qualmenden Dampfloks störten sie wie eh und je, doch die Reaktionen darauf seien auch unverändert. "Ich habe im Rathaus gefragt, als ich meine Schönheitssteuer zum Straßenausbau bezahlt habe, ob es für Leute wie mich, die massiv unter der HSB leiden, vielleicht mal einen kostenlosen Anstrich für unser Haus gibt. Die Antwort lautete: ¿Nein, die HSB hat nun mal Tradition.\'" Die Konsequenz daraus für Ingrid Korte steht fest: "Ich streiche mein Haus nicht mehr an, spätestens nach 18Monaten ist es genauso dreckig wie vorher."

In der Chefetage der kommunalen Privatbahn zeigt man sich über solch massive Kritik überrascht. Weder aktuell noch in den Monaten zuvor habe es bei ihnen auch nur eine Beschwerde über Ruß und Qualm gegeben, erklärte am Freitag HSB-Sprecherin Heide Baumgärtner.

Im Durchschnitt werde täglich eine Lok am Wernigeröder Hauptbahnhof angeheizt, ständig unter Dampf stünden dort in den Sommermonaten etwa fünf Lokomotiven, während des Winterfahrplans drei, informierte sie auf Nachfrage.

Dem ab und an geäußerten Vorwurf, die HSB verfeuere aus Kostengründen minderwertige Kohle, widerspricht Jörg Bauer. Der oberste Bahnchef der HSB verweist auf einen Liefervertrag mit der Ruhrkohle AG. Darin sei aufgelistet, aus welcher polnischen Zeche genau die 6000Tonnen Lokkohle für das Jahr 2012 stammen, samt Qualitätskriterien wie dem Anteil an Schwefel (maximal 0,6Prozent), Asche (6Prozent) und Wasser (6Prozent) sowie dem Heizwert von mindestens 7100Kilokalorien pro Kilogramm, informiert Bauer.

"Gibt keine Möglichkeit, am System Dampflok etwas zu verändern." - Jörg Bauer, HSB-Eisenbahnchef

Der HSB-Chefbahner betont, technisch und technologisch bestünden keine Möglichkeiten, am System einer Dampflok etwas so zu verändern, dass es künftig keine Klagen über Ruß und Qualm mehr geben werde. Allerdings sei die HSB ein Technisches Denkmal, genieße daher einen besonderen Schutzstatus, sei deswegen bei den historischen Dampfloks von den heute üblichen strengen Umweltauflagen befreit.

Das bedeute allerdings nicht, so Jörg Bauer, ihm und den übrigen Verantwortlichen der Harzer Schmalspurbahnen sei egal, ob und wie intensiv die Loks qualmen würden. Die tägliche Kontrolle der Fahrzeuge am Wernigeröder Lokschuppen sei eine Pflicht. Bauer: "Seit November 2012 hat es dabei bislang lediglich zwei Auffälligkeiten gegeben."