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Kandidatin für den Titel "Magdeburger des Jahres": Sandra Kollwitz / Sie betreut in Selbsthilfegruppen verwaiste Eltern Mit Trost und Humor steht sie trauernden Eltern bei

Von Birgit Ahlert 30.11.2012, 01:13

Zum Jahresende sucht die Volksstimme traditionell den Magdeburger des Jahres. Zwölf Kandidaten stehen zur Wahl, die wir in Porträts näher vorstellen. Heute: Sandra Kollwitz, die nach eigener Erfahrung Selbsthilfegruppen für verwaiste Eltern gründete und betreut.

Magdeburg l Wer Sandra Kollwitz begegnet, trifft eine Frau, die Stärke ausstrahlt und voller Humor ist. Mitfühlend auch, natürlich, denn die Mutter von vier Kindern hat Schicksalsschläge hinter sich, die man ihr nicht ansieht.

Es ist sieben Jahre her: Als Sandra Kollwitz kurz hintereinander zwei Kinder verlor, kannte der Schmerz keine Grenzen. Sie war schwanger mit Zwillingen. Bereits vor der Geburt starb eines der Mädchen. Ein halbes Jahr später nahm die Familie Abschied von Sohn Maximilian. Eine Krankheit ließ ihn nicht älter als 11 Jahre werden.

Die trauernde Mutter fühlte sich und ihre Familie alleingelassen. Sie fand niemanden, der ihr in ihrem Schmerz helfen konnte. Fühlte sich unverstanden, mit Sprüchen abgespeist. Bis sie einer Sozialarbeiterin begegnete, die ihr zuhörte und das Gefühl gab, verstanden zu werden. "Sonst würde es mich heute nicht mehr geben", sagt sie später.

So einen Menschen zu haben, ist überlebenswichtig.

Auch das bewog Sandra Kollwitz, Gleichbetroffene zu suchen für eine Selbsthilfegruppe. Sie startete einen Aufruf in der Zeitung. Die erste Gruppe fand sich schneller zusammen als gedacht. Das war vor fünf Jahren.

Ihre Erfahrungen bringt sie ein, wenn andere Menschen zu ihr kommen, die ihr Kind verloren haben. Sie kennt, was diese Eltern durchmachen. Weiß um ihre Gefühle, Gedanken, ihre Trauer. Dabei ist es völlig egal, wie alt das Kind war, betont Sandra Kollwitz. "Die Trauer ist dieselbe, unterschiedlich sind nur die Erinnerungen." So gehörte zu einer ihrer ersten Selbsthilfegruppen auch eine 80-jährige Frau, die schwer daran trug, ihr Kind überlebt zu haben.

In der Gruppe können die Trauernden alles loswerden, was sie sich sonst nicht trauen. Und zwar so lange und so oft wie sie es brauchen. Ohne dass jemand sagt "Lass das endlich ruhen". "Wir weinen zusammen und wir lachen zusammen", sagt Sandra Kollwitz. Das ist befreiend und hilft.

Verwandte und Freunde sind auf Dauer dafür meist nicht geeignet. "Sie können nicht verstehen, warum man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Sie können den Schmerz nicht verstehen." Denn Trauer, so sagt Sandra Kollwitz "tut körperlich weh. Das lässt sich nicht einfach wegschieben."

Wichtig ist ihr aber, den Blick nach vorn zu richten: "Nur weinen hilft nicht, man muss auch etwas dagegen tun wollen." Sie vergleicht: "Es ist wie in einem Labyrinth: Wenn man an einer Wand endet, kann man aufgeben oder sich umdrehen und neue Wege suchen."

Sandra Kollwitz hat nicht nur neue Kraft geschöpft, sondern auch einen neuen Lebenssinn gefunden. "Vielleicht ist es meine Bestimmung, anderen zu helfen", sagt Sandra Kollwitz. Der Umgang mit der Trauer hat sie in ein neues Leben gebracht.

Sandra Kollwitz hat eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht über den Bundesverband Verwaiste Eltern, und zur geprüften psychologischen Beraterin. Sie ist zudem in der Erwachsenenbildung für Kranken- und Altenpfleger/-innen als freie Dozentin tätig. Ihr Thema: "Tod, Sterben und Trauer". Und der normale Umgang damit, der vielen Menschen schwer fällt.

Trauerbegleitung bietet Sandra Kollwitz auch auf anderen Gebieten an. Denn Trauer entsteht durch verschiedensten Verlust - durch Scheidung, Arbeitsverlust, Umzug (Verlust des sozialen Umfeldes).

Auch beruflich hat die gelernte Krippenerzieherin eine neue Zukunft gefunden. Seit gut zwei Jahren arbeitet sie in einem Bestattungsinstitut im Norden der Stadt, in der Nähe ihrer Wohnung.

Alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. Ihre Arbeitszeit richtet sie möglichst so ein, dass sie für ihre Kinder Alina (7) und Jan Niklas (12) da ist, wenn diese am Nachmittag vom Schulhort kommen.

Bei allem steht ihr Ehemann Mario zur Seite, gibt ihr Halt, Trost, Zuversicht. Ohne ihn, so erzählt sie, hätte sie nicht zu dieser Stärke gefunden. Mario, die Liebe ihres Lebens.

Sandra Kollwitz gibt anderen Menschen Hoffnung und Stärke. Doch auch sie hat Momente, in denen sie die Tränen nicht zurückhalten kann. Dann zieht sie sich zurück, weint sich aus. "Das gehört doch zum Leben", sagt sie mit einem Lächeln.

Weil die Zeit eben nicht alle Wunden heilt. Weder stimmen solche Sprüche noch helfen sie, sagt die Expertin. "Die Zeit heilt nichts, sie deckt höchstens ab." Aber man lernt damit umzugehen, sagt Sandra Kollwitz.

Wie das geht, lebt sie vor und steht jenen zur Seite, die diesen Weg noch vor sich haben.

www.volksstimme.de/ magdeburgerdesjahres