1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Morgen fange ich aber wirklich an...

Prokrastination Morgen fange ich aber wirklich an...

Unangenehme Sachen werden aufgeschoben, gerne bis kurz vor knapp. Anstatt Hausarbeiten vorzubereiten, spielt man lieber Quizduell.

Von Anne Toss 11.11.2015, 00:01

Stendal l Ein jeder kennt das lästige Problem, das sich hinter dem lateinischen Namen Prokrastination (von lateinisch pro – für, cras – morgen) verbirgt. Wenn es mal wieder an der Zeit ist unangenehmen Pflichten nachzukommen, drückt man sich und lenkt sich mit angenehmeren Dingen des Lebens ab – und sei es nur, dass man zum vierten Mal in der Woche sein Profilbild auf Facebook aktualisiert. Frei nach dem Motto: Morgen ist ja auch noch ein Tag. Vor allem unter Schülern und Studenten ist Aufschieben ein bekanntes Problem, denn neben dem Schul- und Unialltag wartet ja auch noch das „normale“ Leben.

Tabea Kreglinger (21) kennt das Aufschiebe-Problem „sehr, sehr gut“. Aus der Nähe von Würzburg kommend, hat es sie durch ihr Studium der Rehapsychologie nach Stendal verschlagen. Doch das Studium an der Hochschule Stendal ist nicht das Einzige, was ihre Zeit beansprucht: „Acht Stunden pro Woche arbeite ich in der Hochschulbibliothek und jedes zweite Wochenende fahre ich nach Hause nach Bayern“, erzählt die 21-Jährige. Dort helfe sie bei Veranstaltungen ihrer Kirchengemeinde mit. Das alles unter einen Hut zu bringen erfordert dementsprechend eine gute Organisation.

Davon kann auch der 18-jährige Justin Probst aus Osterburg ein Lied singen. Der politikbegeisterte Schüler, der kurz vor dem Abitur an der Berufsschule (BBS II) steht, geht neben der Schularbeit ebenfalls weiteren Engagements nach. So ist er Schulsprecher der BBS II, Vorsitzender des Kreisschülerrats Stendal, sachkundiger Bürger im Osterburger Stadtrat und Vorstandsmitglied der Jungen Union Kreis Stendal.

Die zwei haben beide schon ihre Erfahrungen mit Prokrastination gemacht. „Am Semesterende standen sieben Prüfungen bevor und ich habe mir vorgenommen ganz früh anzufangen“, berichtet Tabea Kreglinger. Vier Wochen plante sich die Studentin als Vorbereitungszeit ein – „ich habe aber viel aufgeschoben und auf eine Prüfung dann sogar erst einen Tag vorher angefangen zu lernen“.

Auch Justin Probst hat bereits Ähnliches erlebt. „Alles was mir Spaß macht, also Referate und Vorträge, mache ich sofort“, verrät der Schüler, „aber Hausarbeiten schiebe ich“. So habe er für eine Facharbeit, die zwölf Seiten lang sein sollte, sechs Wochen Zeit gehabt. „Ich habe die dann in der Nacht von Donnerstag auf Freitag geschrieben“, erzählt Probst, also einen Tag vor Abgabe. „Bisher hat‘s immer geklappt“, sagt der 18-Jährige und lacht.

Doch was haben die Zwei eigentlich in der Zeit gemacht, in der sie sich vorbereiten wollten? „Ich wohne mit einer Freundin zusammen, die auch nicht unbedingt früh anfängt zu lernen“, sagt Tabea Kreglinger. Daher komme öfter mal die Idee auf, dass man ja auch etwas anderes machen könnte. Für Kreglinger steht fest: „Durch Freunde lasse ich mich am einfachsten ablenken.“ Dicht gefolgt von sozialen Medien – allen voran Facebook – und dem Haushalt. „So aufgeräumt wie vor den Prüfungen ist es bei uns sonst nie“, verrät die Studentin und lacht (siehe auch Grafiken unten).

Obwohl Justin Probst nicht dem Putzwahn verfällt, lässt auch er sich anderweitig ablenken. So ist das Ablenkungspotenzial bei ihm am Größten, wenn der Fernseher läuft. „Dann bin ich total abgelenkt“, gibt der 18-Jährige zu. Technische Geräte geben in seinem Ranking sowieso den Ton an: Emails checken und schnell schauen, was es auf Facebook Neues gibt, dadurch würden ihn vor allem Laptop und Smartphone von der Arbeit ablenken, so Probst.

Mit diesen Erfahrungen stehen die beiden Jugendlichen keinesfalls alleine da. Laut Studien neigt jeder zweite Student dazu, die Dinge lieber morgen als heute zu erledigen. Jeder fünfte zählt sich bereits zu den chronischen Aufschiebern. Und das kann gefährlich werden, denn krankhaftes Aufschieben kann der Gesundheit schaden und zum Beispiel Depressionen herbeiführen. Milde Formen der Prokrastination, wie sie auch unsere zwei Kandidaten erleben, sind jedoch ausgesprochen menschlich.