"Circusmuseum Magdeburg" lädt am Sonnabend ein Museumsdirektor Mette gibt Manege frei!
Das "Circusmuseum Magdeburg" – nach der Fertigstellung weiterer Räume in wenigen Tagen übrigens die größte Einrichtung ihrer Art in Deutschland – feiert am kommenden Sonnabend sein dreijähriges Bestehen. Dafür gibt Abtshof-Chef Gerhard Mette – nebenamtlich "Museumsdirektor" – ab 10 Uhr die Manege frei!
Magdeburg. Man schrieb das Jahr 1900 und in Magdeburg hatte gerade der amerikanische Superzirkus "Ringling Barnum Bailey" auf dem Anger gastiert. Wie es damals üblich war, marschierte die Artistentruppe unter großem Hallo der Elbestädter mit ihren Tieren zur Stadt hinaus. Vorneweg die 20 Elefanten.
Auf der Elbebrücke soll es dann zu einer denkwürdigen Begegnung mit Langzeiteffekt gekommen sein. Denn dort trafen die Amerikaner auf ihre Kollegen vom Zirkus "Charles" (heute "Circus Krone"), die als nächste in Magdeburg gastieren wollten – mit nur einem Elefanten. Der alte Krone soll beim Anblick der geballten Dickhäuterkraft von "R B B" zu seinem Sohn gesagt haben: "Was du eben gesehen hast, sollst du niemals vergessen. Wir müssen der größte Zirkus Europas werden."
Und um diese zirzensische Krone begann dann auch wirklich ein unglaublicher Konkurrenzkampf zwischen den deutschen Zirkussen "Krone" und "Sarasani". Heute wirbt "Krone" mit diesem Titel.
Ein Lama im Abtshof-Speiseraum
Gerhard Mette, Chef der Magdeburger Spirituosenfirma Abtshof, doch tief in seinem Herzen und ehrenamtlich Zirkusmuseumsdirektor, kennt diese Manegen-Geschichte und viele andere dazu.
Besonders, was sich in Magdeburg während vieler Jahrzehnte unterm und neben dem Chapiteau getan hat, sprudelt regelrecht aus ihm heraus. Und er freut sich wie ein kleiner Junge, dass er mit dem "Circusmuseum" auf seinem Firmengelände in Magdeburg-Buckau etwas geschaffen hat, das jedem Zirkusfreund das Herz höher schlagen lässt.
Kurz vor dem dreijähigen Bestehen der Ausstellung erinnert er sich daran, wie aus einer Idee eine mehr als 1000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche mit rund 50000 Schaustücken wurde. Und er findet die Wurzeln in der DDR-Zeit.
"Ende der 1970er Jahre gab es auch bei Abtshof sogenannte sozialistische Brigaden. Da wurde Kulturarbeit ganz großgeschrieben." Initialzündung sei das Zusammentreffen mit Gerhard Zapf gewesen. Ein Mann, der sich in der Zirkusszene auskannte und damals gerade in der Volksstimme eine Serie über Zirkusse an der Elbe geschrieben hatte.
"Gerhard hatte eine Menge Literatur zum Thema ,Zirkus‘, und über ihn stellten wir dann auch den Kontakt zu den Zirkusartisten her. War ein Zirkus in der Stadt, sei der Betrieb geschlossen dort hingegangen." Die Besuche von Zirkusleuten im Betrieb sei ihm auch noch bestens in Erinnerung, so Mette. "Alles an Tieren, was die Treppe zu unserem Speiseraum hochkam, wurde von den Zirkusleuten mitgebracht. Das größte war ein Lama."
Die Zirkusverrücktheit der Schnapsbrenner mündete in einem Patenschaftsvertrag zwischen dem Staatszirkus der DDR und Abtshof. Berühmt-berüchtigt waren die "Manegendiskos", das gemütliche Zusammensein mit den Künstlern nach der Vorstellung im Sägespänerund.
Selbst ins Ausland folgten einige Abtshofer den Dompteuren, Hochseilartisten, Akrobaten und Clowns. Geschlafen wurde in den Zirkus-Wohnwagen.
"Nach der Wende", erzählt Mette weiter, "musste erst mal der Betrieb auf einen guten Weg gebracht werden. Zirkus hatte einige Jahre keinen Platz mehr."
Doch 2000 wurde der Geschäftsführer des Magdeburger Traditionsunternehmens Mitglied der Gesellschaft Deutscher Zirkusfreunde – zehn Jahre zu spät, wie er heute meint.
Vor gut zehn Jahren hat der Magdeburger auch damit begonnen, Zirkusmaterial zu sammeln. Das erste waren rund 300 Bücher zu diesem Thema.
Erstes "Museum" in der Waschküche
Der Fundus wurde immer größer und in der Plattenbauwohnung waren bald alle Schränke vollgestopft. Sehr zur "Freude" seiner Ehefrau. Sie sprach ein Machtwort. "Ich habe mich mit der Wobau in Verbindung gestetzt, weil der Raum der ehemaligen Hauswaschküche im Keller ungenutzt war. Der Vermieter gab grünes Licht und meine Zirkussammlung zog nach unten.
Dann kamen das Jahr 2005 und die Denkmalbehörde. Mette: "Es ging um die ehemalige Fabrikantenvilla der Familie Rudolf Wolf, erbaut 1862, auf unserem Gelände. Und die sollte erhalten bleiben.
2006 begann die Sanierung. Sie dauerte zwei Jahre.
Weil das Gebäude mit der Auflage saniert worden war, dass es mindestens fünf Jahre der Öffentlichkeit zugänglich sein muss, kam Mette auf die Idee, dort ein "Circusmuseum" unterzubringen. Zumal er bereits 2005 die Magdeburger Sektion der Zirkusfreundegesellschaft gegründet hatte, die heute 44 Mitglieder zählt.
Am 30. August 2008 öffnete dann die Ausstellung ihre Tür.
Als dritte Einrichtung dieser Art. Die anderen beiden befanden sich in Klosterfelde bei Berlin und in Preetz (Schleswig-Holstein). Außerdem gibt es noch ein ähnliches Museum in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern). Dieses beschränkt sich allerdings auf die Artistengeschichte der Hochseiltruppe Malmström.
Mette weiß, dass viele Zirkusschätze in den Lagern mancher Museen schlummern, zum Beispiel im Märkischen Museum Berlin und im Stadtmuseum München. "Schade, dass sie nicht zugänglich sind."
Baker-Kleid mit Hut fiel Museum in den Schoß
Ein Glücksfall fiel den Magdeburgern im vergangenen Jahr regelrecht in den Schoß. Der Vertrag des "1. Deutschen Zirkusmuseums" in Preetz (Schleswig-Holstein) mit der Stadt lief aus. "Die Zirkussektion bestand nur noch aus zwei Mitgliedern, die den Betrieb des Museums zuletzt nur noch sporadisch aufrecht erhielten", sagt Mette.
Die Preetzer hätten befürchtet, dass ihre Sammlung auseinandergerissen und in alle Winde zerstreut würde, wenn das Museum geschlossen wird. Sie wandten sich an das Magdeburger Museum und Mette konnte es erst gar nicht glauben, welche Schätze ihm da angeboten wurden.
Er stellte sofort das ehemalige Pförtnerhaus und die angrenzenden Räume zur Verfügung. Zwei Ausstellungsräume sind inzwischen geöffnet, zwei weitere werden folgen.
Wenn der Abtshofchef und Leiter des Museums gefragt wird, welches seiner Ausstellungsstücke ihm die liebsten sind, zögert er nicht lange: "Es ist das Originalkostüm Josephine Bakers (1906-1975), der Amerikanerin, die nur mit einem Bananenrock bekleidet tanzte und in den 1920er und 1930-er Jahren mit ihren Tänzen die Varietés zum Kochen brachte." Das Baker-Kleid und der dazu passende Hut gehören zu den Stücken, die von Preetz übernommen wurden.
Auch der Siegelring von Hans Stosch-Sarasani liegt Mette sehr am Herzen. Sind doch die Sarasanis eine Zirkusdynastie, die mit ihren Tierdressuren – vor allem Elefanten und Pferde – einen internationalen Ruf haben.
Traurig ist der Zikusverrückte darüber, dass die großen Zirkusse der Welt "einen Bogen um Magdeburg machen". Das liege wohl daran, dass die Unternehmen meinten, dass es in Magdeburg nicht genügend solvente Zirkusbegeisterte gibt und somit das Zelt leer bliebe.Doch einen kleinen Lichtblick gibt es. 2013 habe sich "Circus Krone" angesagt.
"Buffalo Bill" und "Billy Jenkins"
Im Haupthaus des Museums sind die Räume nach Themen geordnet: Clowns, Dressur, Akrobatik – und eine spezielle Magdeburg-Ausstellung.
Wer weiß zum Beispiel, dass William Frederick Cody (1846-1917), besser bekannt als "Buffalo Bill", 1890 mit seiner Wildwestshow in Magdeburg gastiert hat?
Oder, dass Billy Jenkins (1885-1954) eigentlich Erich Rudolf Otto Rosenthal hieß und in Magdeburg geboren wurde. Der Kunstschütze und Lassowerfer war nicht nur ein begnadeter Artist, nach ihm – und das dürfte wohl noch der älteren Generation bekannt sein – wurde eine ganze deutschsprachige Westernserie ("Billy-Jenkins-Hefte") benannt. Die Western wurden bis 1963 veröffentlicht.
Was Rang und Namen hatte, trat bis zum Krieg bei Blumenfeldt unweit der heutigen Walther-Rathenau-Straße auf. Ein fester Zirkusbau, der 1944 bei einem Bombenangriff schwer getroffen und nach dem Krieg abgerissen wurde.
Schwarze Panther und Eisbären
Im Magdeburg-Saal erfährt man unter anderem etwas über den Jongleur "Majongs", "The Great Lamars", eine Äquilibristik-Truppe.
Hunderte von Clowns, als Puppen, Spieluhren und auf Plakaten, blicken die Museumsbesucher im Clownsraum an. Deutsche und internationale Dompteure sind nur wenige Meter weiter zu bestaunen. So die weltbrühmten schwarzen Panther, die 1966 im gleichnamigen DEFA-Film mit Angelika Waller zu sehen waren.
Natürlich wird in Magdeburg-Buckau auch an die wohl bekannteste Dompteurin der DDR erinnert – die Dresdnerin Ursula Böttcher. Ihre Eisbärennummer galt als eine Spitzenleistung der Dressur in der Manege.
Und zu fast jedem Exponat kann Mette eine Geschichte erzählen. Auch zu der mit Goldgarn und großen Strasssteinen auf rotem Stoff gefertigten Elefantendecke. Sie war nach Auflösung des VEB Zentralzirkus der DDR für die letzten beiden Elefanten gedacht.
Und zum Schluss des kleinen Rundgangs überrascht der Museumschef noch mit einer Bemerkung: "Zirkusdirektor wollte ich nie werden. Immer Archäologe."
Programm
@070_Info_Text_kein_Einzug:Drei Jahre Circusmuseum und Abtshof Hoffest in Magdeburg, Brauereistraße 2.
10 Uhr, Hauptbühne: Eröffnung, Band "Let‘s Dance"
10.30 Uhr, Circus Smiley: Circusshow
11 Uhr, Hauptbühne: Snake-Dance-Show
11.30 Uhr, Besuchercenter: Aktionskünstler Petrinos
12 Uhr, Hauptbühne: Schnellzeichner H. Bormann
12.30 Uhr, Circus Smiley: Circusshow
13 Uhr, Hauptbühne: Aktionskünstler Petrinos
14 Uhr, Hauptbühne: Lustige Tierschule der Gebrüder Bussenius
15 Uhr, Hauptbühne: Stimmung und Spaß mit Quickly
16 Uhr, Hauptbühne: Kabarett "... nach Hengstmanns"
16.45 Uhr Besuchercenter: Schnellzeichner
17 Uhr, Circus Smiley: Circusshow