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Natura 2000 Mehr Naturschutz, mehr Ärger

In Sachsen-Anhalt sollen elf Prozent der Landesfläche strengeren Naturschutzregeln unterliegen. Das stößt vielen Bauern sauer auf.

18.04.2018, 23:01

Magdeburg l Rotmilan, Rot- bauchunke, Frauenschuh – mehr als 160 Tier- und Pflanzenarten in Sachsen-Anhalt unterliegen einem besonderen Schutz. Wegen ihrer europäischen Bedeutung sind EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich die natürlichen Lebensräume der Arten nicht verschlechtern.

Mit einer neuen, einheitlichen Landesverordnung sollen Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete deshalb bis Herbst als besondere Schutzräume (Natura 2000) festgesetzt werden. Doch gegen die neuen Umweltvorgaben gibt es Protest. Angler, Waldbesitzer und Landwirte haben in den vergangenen Monaten etwa 3500 Stellungnahmen eingereicht. Sie fürchten massive Einschränkungen.

Die Reform hat Auswirkungen auf mehr als 100 Gemeinden in Sachsen-Anhalt. Das größte Natura-2000-Gebiet ist die Colbitz-Letzlinger Heide mit mehr als 19.000 Hektar Fläche. Von allen Landkreisen ist der Harz mit 18 Prozent seiner Fläche am meisten betroffen.

Besonders viele Landwirte sind sauer. „Unsere Milchproduzenten sind durch Natura 2000 bis hin zur Existenzgefährdung betroffen“, sagt Christian Apprecht vom Bauernverband. Strengere Düngevorgaben würden es Viehhaltern erschweren, das Grünland zu pflegen.

Zwar soll es Härtefallregelungen und Ausgleichzahlungen geben – doch das reicht den Bauern nicht. Natura 2000 sei ein „Instrument der Vernichtung von Wertschöpfung in großem Stil“, kritisieren sie. „Anders kann es nicht bewertet werden, wenn Milchproduzenten nur 50 Prozent ihrer Einbußen ausgeglichen bekommen sollen“, sagt Apprecht. „Unseren Bauern wird ein zu großes wirtschaftliches Opfer abverlangt.“

Ähnlich sehen es die Waldbesitzer. Die geplanten Vorgaben, was künftig gepflanzt werden darf und was nicht, seien zu streng, kritisiert Franz Prinz zu Salm-Salm, Chef des Waldbesitzerverbandes. „Der Wald ist kein Musem. Uns werden jegliche Freiheiten genommen und dafür kriegen wir Bürokratie.“

Auch Uwe Bülau hat Bedenken wegen der Folgen. „Aus bestimmten Gebieten wird die Bevölkerung völlig ausgesperrt“, sagt der Präsident des Landesanglerverbandes und verweist auf geplante Zutrittsverbote für einzelne Bereiche.

Die Verbände fordern von der Politik mehr Freiheiten. „Wir kriegen massenweise Schreiben“, bestätigt CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt. Man müsse die Verordnung „ohne ideologische Überhöhungen“ angehen, sagt er mit Blick auf den grünen Koalitionspartner. „Wir brauchen einen Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Akzeptanz der Bevölkerung.“ Um die Bedenken nochmal vorzutragen, hat seine Fraktion am Freitag eine aktuelle Debatte im Landtag beantragt. Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) soll angehalten werden, es mit dem Naturschutz nicht zu übertreiben.

Vorab geben sich die Grünen jedoch unbeeindruckt. Ideologiegetriebene Vorgaben kann Fraktionschefin Cornelia Lüddemann in der geplanten Verordnung nicht erkennen. „Das sind EU-Aufgaben, die wir umsetzen müssen. Es gibt keine Alternative“, sagt Lüddemann und verweist darauf, dass die meisten Natura-2000-Flächen „schließlich nicht in intensiver Bewirtschaftung“ seien.

Die SPD versucht sich vorerst in der Vermittlerrolle. „Es gibt unterschiedliche Sichtweisen. Aber es gibt auch ein klares Bekenntnis im Koalitionsvertrag“, sagt Fraktionschefin Katja Pähle. Die Opposition läuft sich dagegen schon mal warm für Freitag. Linken-Fraktionschef Thomas Lippmann sagt: „Das wird der nächste Zankapfel der Koalition.“