1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Wie die Telekom plötzlich Kümmernitz eint

Netzausbau Wie die Telekom plötzlich Kümmernitz eint

Fast hätte Internet-Ausbau ein Dorf an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg geteilt. Dann kam die Telekom. Warum erst jetzt?

Von Alexander Walter 09.04.2019, 01:01

Kümmernitz l Schwupps, und schon steht man in Brandenburg: Wer in Kümmernitz die Straßenseite wechselt, geht von einem Bundesland ins andere. Nur eine Zeile roter Pflastersteine trennt die acht Häuser im märkischen Breddin/Abbau vom größeren Kümmernitz-Vehlgast, das zu Havelberg gehört.

Die märkische Enklave ist dabei vollständig von sachsen-anhaltischem Gebiet umschlossen. Die Legende: Im 18. Jahrhundert soll ein Adliger seine Spielschulden mit dem Stück Land beglichen haben. So erzählt es Kümmernitz‘ stellvertretender Bürgermeister Hans-Günther Rose bei einem Besuch in seinem Ort. Wie auch immer, die Landverteilung hatte Folgen, in manchen Dingen teilt sie den Ort bis heute:

Es gibt getrennte Müllabfuhren, eigene Postboten, separate Ämter. Bislang haben Kümmernitzer und Breddiner aber häufig einen Weg gefunden, die Trennung im Alltag zu überwinden. „Die Breddiner sind unsere Bürger“, sagt Hans-Günther Rose. So sei es gelungen, Telefonvorwahlen zu vereinheitlichen, auch den Straßenausbau haben beide Ortsteile gemeinsam gestemmt.

Bei einem Zukunftsthema aber drohte die Spaltung jetzt drastisch aufzubrechen: Kümmernitz soll superschnelles Internet mit Download-Geschwindigkeiten von 500 Mbit je Sekunde bekommen. Hinter den Plänen steht der Zweckverband Breitband Altmark (ZBA), ein Zusammenschluss altmärkischer Gemeinden und der beiden Landkreise.

Das Problem: Der Ausbau erfolgt mit Fördergeld vom Land und ist deshalb auf Sachsen-Anhalt – also Kümmernitz – beschränkt. Auch wenn es nur um ein paar Meter Kabel und drei Interessenten geht: „Die Häuser in Breddin/Abbau können wir wegen förderrechtlicher Vorgaben nicht anschließen“, sagt ZBA-Geschäftsführer Andreas Kluge. Hans-Günther Rose witterte einen Schildbürgerstreich und machte den Fall publik. „Ich hätte ja sagen können, was interessieren mich die Leute in Brandenburg“, sagt er. „Aber es sind unsere Bürger.“

Kurz nachdem die Nachricht in der Welt war, folgte im März dann die überraschende Wendung, die Telekom schaltete sich ein – im wahrsten Sinne des Wortes. Dank einer Umschaltaktion können 30 Haushalte in beiden Ortsteilen nun mit 250 Mbit im Download surfen, teilte Telekom-Sprecher Georg von Wagner mit. Das Angebot stehe bereits zur Verfügung. Teilung verhindert – Ende gut, alles gut also?

Nicht ganz. Hans-Günther Rose ist von der Telekom enttäuscht: „Warum hat man uns das nicht früher angeboten?“, fragt er. Auf Nachfrage der Volksstimme teilt Konzern-Sprecher von Wagner mit: Die Umschaltaktion laufe seit November und habe mit dem Bekanntwerden der Ausbaupläne des Zweckverbands Altmark nichts zu tun.

Wirklich nicht? Fest steht: Das Vorhaben steht nun plötzlich neben dem Projekt des ZBA. Dabei erhält der Verband nur dort eine Ausbauförderung, wo andere Anbieter zuvor kein Interesse hatten. In Kümmernitz sind die Pläne weit gediehen, der Verband hat bereits Kunden für Vorverträge gewonnen. Mit dem Angebot der Telekom könnten ZBA-Kunden nun wieder abspringen, sagt Hans-Günther Rose. Auch er selbst habe schon überlegt. „Hätten die Leute das vorher gewusst, hätte sich mancher sicher gegen den Vorvertrag beim ZBA entschieden.“

Das Vorgehen der Telekom in Kümmernitz ist kein Einzelfall. Schon früher hat der Konzern nach dem Abschluss von Vorverträgen in Ausbaugebieten des Zweckverbands Breitband plötzlich eigene Ausbaupläne verkündet – nach Volksstimme-Informationen etwa im Raum Diesdorf bei Salzwedel, in Tangerhütte oder Arendsee. So legitim das ist, für Hans-Günther Rose erhöht das Vorgehen nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Konzerns.

Eine Teilung von Kümmernitz und Breddin hätte indes auch ohne die Telekom kaum gedroht, sagt Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski. „So etwas würden wir nicht zulassen, da würde es Lösungen geben zum Beispiel zwischen den Kommunen“, sagt er.

Hans-Günther Rose kann für seinen Ort derweil mit der Wendung leben. „Wichtig ist, dass wir hier nicht vergessen werden“, sagt er.

Immerhin lägen zehn Kilometer Wald zwischen Kümmernitz und Havelberg. Nach Brandenburg ist es da deutlich näher.