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Deutsche Bahn In vier Stunden von Magdeburg nach München

Am 10. Dezember beginnt fürs Bahnfahren eine neue Ära. Die ICE-Hochtempo-Strecke ist fertig. Was hat Sachsen-Anhalt davon?

Von Jens Schmidt 08.11.2017, 00:01

Magdeburg l Am meisten profitiert Halle. Hier halten werktags acht ICE-Züge auf dem direkten Weg nach München - ohne Umsteigen. Darunter sind drei Sprinter: Sie sind schon nach zwei Stunden und 45 Minuten in der Bayernmetropole. Bislang brauchten die Züge dafür fünf Stunden. Die Sprinter rauschen mit Tempo 250 durch und halten unterwegs nur zwei Mal, nämlich in Erfurt und in Nürnberg. Die anderen „normalen“ ICEs brauchen künftig zwischen drei und vier Stunden, je nachdem, wie oft sie halten und welche Strecke sie fahren.

An der neuen Schnellbahnstrecke nach München liegen auch Bitterfeld (7 Direktzüge) und Wittenberg (8 Direktzüge). Die Zerbster haben Zubringer nach Bitterfeld. Die Staßfurter können mit dem Regionalexpress nach Erfurt und dort in die schnellen ICEs einsteigen. Die meisten anderen Regionen im Norden Sachsen-Anhalts sind auf Zubringer nach Halle angewiesen. Auch Magdeburg, da die Landeshauptstadt nicht am Schnellgleis liegt.

Von Magdeburg zum ICE nach Halle kommt man am zügigsten mit dem Intercity. Von morgens kurz vor sechs Uhr bis abends um 18 Uhr gibt es alle zwei Stunden die schnellsten Verbindungen. In Halle steigen Reisende in den ICE ein und rauschen dann direkt nach Erfurt, Nürnberg oder München. In gut vier Stunden ist die 520 Kilometer entfernte bayrische Landeshauptstadt erreicht. Mit dem Auto sind dafür - laut Navi - derzeit fünf Stunden einzuplanen.

Die Bahn bietet den Magdeburgern werktags fünf dieser schnellen und bequemen Verbindungen an: Vier Stunden Fahrt und einmal Umsteigen. Bei weiteren zwei Angeboten dauert es eine dreiviertel Stunde länger, weil die ICEs den langsameren Weg über Augsburg nehmen. Bei allen anderen Varianten muss man entweder öfter umsteigen oder mehr Zeit einplanen. Tipp für Okoberfest-Fans: Die Frühverbindung 5:55 Uhr. Da erreicht man in Halle den Sprinter und ist schon um kurz nach 10 in München. Zurück geht es abends am besten um 17:56 Uhr. Nach einem Umstieg in Halle und vier Stunden ist man um 22 Uhr zurück in Magdeburg.

Wer die ICE-Sprinter in Halle anpeilt, hat dort stets etwa eine halbe Stunde Aufenthalt. Das minimiert die Hektik, ist für eine schnelle Linie fast zu viel. Bei den Anschlüssen zum „normalen“ ICE hingegen fährt die Verspätungsangst leider mit: In Halle bleiben oft nur fünf Minuten fürs Umsteigen. Da muss alles klappen, ansonsten ist der ICE weg. Sollte sich der Intercity-Zubringer verspäten, müsste man mit der S-Bahn nach Leipzig und dort in den nächsten ICE nach München einsteigen. Auch die Leipziger sind an die neue Hochtempo-Linie angeschlossen. Die Gesamt-Fahrzeit von Magdeburg bis München klettert dann aber auf fünf Stunden.

Einen einzigen durchgehenden ICE von Magdeburg nach München gibt es auch: Der ist was für Frühaufsteher (Start 4:06 Uhr) und nicht sonderlich attraktiv. Dieser ICE fährt über die längere Westroute (Braunschweig, Kassel), und ist daher anderthalb Stunden länger unterwegs als über die neue Sprinterstrecke via Halle. Außerdem ist er verdammt teuer: Die Bahn ruft für eine Fahrt 115 bis 140 Euro auf. Die Verbindungen über Halle gibt es für Frühbucher hingegen schon für 20 Euro (normaler ICE) bis 70 Euro (Sprinter).

Wenig bis nichts bringt die neue Schnellstrecke für Urlauber, die zum Frankfurter Flughafen wollen: Da reist man meistens komfortabler über die Westroute – in vier Stunden mit einem Umstieg in Braunschweig oder Hannover.

Wer aus der Altmark oder der Börde startet, muss meistens zwei mal umsteigen: in Magdeburg und in Halle. Sachsen-Anhalts Nahverkehrsgesellschaft Nasa hat die Fahrpläne der Regionalzüge umgestellt, damit die Intercity-Züge Magdeburg-Halle möglichst bequem erreicht werden. Umsteigezeiten von etwa zehn Minuten gelten als angenehm. Der Regionalexpress aus Genthin und Burg schafft das meistens auch. Anders sieht es schon bei den Zügen aus Haldensleben aus: Die Reisenden müssen oft 20 bis 30 Minuten in Magdeburg auf den Intercity warten. Änderung ist nicht in Sicht. „Magdeburg ist ein großer Knoten, es können nicht alle Züge zugleich einfahren“, sagt Fahrplan-Koordinator Tobias Jensch von der Nasa.

Für Altmärker Reisende gilt die paradoxe Regel: Wer öfter umsteigt, kommt schneller voran. Beispiel Stendal. Dreimal umsteigen (Magdeburg, Halle, Nürnberg): Fünf Stunden Fahrzeit bis München. Einmal umsteigen (in Halle): Sechs Stunden Reisezeit. Ähnlich sieht es in Salzwedel aus. Das ließe sich ändern, wenn etwa der Früh-Regionalexpress (Salzwedel- Stendal-Halle) seinem Namen „Express“ Ehre machen würde und nicht an 25 Stationen halten würde. Doch da haben die Nahverkehrsplaner vor allem Pendler im Blick und nicht die Fernreisenden. „Morgens und abends lassen wir den Regionalexpress wie eine Regionalbahn fahren und öfter halten“, sagt Jensch. Und zusätzliche schnelle Regional-Express-Züge will das Land nicht bestellen: Zu teuer.

Die neue ICE-Trasse bringt nicht allen Altmärkern Vorteile. Von Gardelegen aus ist die Fahrt über Halle mit mehr als fünfeinhalb Stunden nicht schneller als die West-Route über Wolfsburg. Das gilt auch für die Stendaler, die mit dem ICE über Hannover in ähnlicher Zeit nach München kommen.

Harzreisende kommen mit den HEX-Zügen über Halberstadt zum ICE-Bahnhof Halle. Zehn Minuten Aufenthalt für einen Umstieg sind das Ideal. Etliche Linien aus dem Harz sind davon aber meilenweit entfernt. Bis zu 83 Minuten Wartezeit müssen Reisende hinnehmen.

Beispiel Halberstadt. Wer frühs um halbs sechs, um sieben oder um neun Uhr startet, muss in Halle 31 bis 41 Minuten auf den ICE warten. Noch schlimmer ist es für Wernigeröder: Wer den Frühzug (4:22 Uhr) nimmt, sitzt in Halberstadt 50 Minuten lang im Bahnhof, ehe es weiter nach Halle geht. Dort dauert es bis zum ICE weitere 33 Minuten. Nun gibt es zwar auch durchgehende Züge von Wernigerode nach Halle. Aber auch da muss man aufpassen. Je nach Verbindung stehen sich Reisende zwischen 41 und 67 Minuten lang die Beine in den Bauch.

Jensch räumt ein, dass man bei den Frühzügen eher die regionalen Anschlüsse nach Magdeburg und Halle im Blick hatte und weniger die ICEs. Sollte die Nachfrage an Fernanbindungen in Richtung München steigen, würde die Nasa den Fahrplan ändern.