Elvira K. darf weiterhin in Magdeburg Kinder betreuen, obwohl sie bereits 65 ist "Nicht ausgemustert": Fitte Tagesmutter erstreitet vor Gericht Vertragsverlängerung
Zum alten Eisen zählt sie sich noch nicht - und trotzdem wollte die Stadt Magdeburg eine 65-jährige Tagesmutter in den Ruhestand schicken, obwohl Kita-Plätze in der Stadt absolute Mangelware sind.
Magdeburg l Ursprünglich sollte es nur eine Vertretung sein: Elvira K., staatlich anerkannte Erzieherin, Heilerziehungspflegerin und langjährige Kita-Leiterin, war bereits Rentnerin, als sie im vergangenen Jahr die Zeitungsannonce einer Magdeburger Tagesmutter sah, die dringend eine Vertretung suchte. Vom (Un-)Ruhestand ging es drei Monate lang zurück ins Berufsleben, und als ihre Vorgängerin nicht zurückkam, übernahm Elvira K. kurzerhand das "Kinder-Mause-Haus" in Magdeburg-Stadtfeld.
"Das macht mir viel Spaß, so habe ich mir die Erzieherarbeit immer vorgestellt", schwärmt die 65-Jährige, die glatt für 55 durchgehen könnte. Von Stress keine Spur - die Atmosphäre sei viel ruhiger als in der Kita, sie könne individuell auf die Kinder eingehen und staune jeden Tag über die rasante Entwicklung der Kleinen, sagt "Vira", wie sie von den Kindern genannt wird.
Doch vor zwei Monaten wäre aus Tagesmutter "Vira" beinahe wieder die Rentnerin Elvira K. geworden, denn die Stadt hatte die Pflegeerlaubnis nur bis zum 31. August erteilt. Grund: Die städtische Richtlinie zur Kindertagespflege sah bislang vor, dass die Pflegeerlaubnis mit dem Erreichen des Rentenalters erlischt. Dagegen legte Elvira K. Widerspruch ein, beantragte eine einjährige Verlängerung und schrieb sogar direkt an den Oberbürgermeister - doch ihr Ersuchen wurde abgelehnt.
"Ich konnte nicht verstehen, dass man mit 65 einfach ausgemustert wird - zumal künftig alle bis 67 arbeiten sollen", sagt Elvira K. Für sie kam das einem Berufsverbot gleich, und weil ihr die Arbeit Spaß machte, nahm sie sich einen Anwalt und zog vors Verwaltungsgericht Magdeburg: "Ich wollte es einfach wissen." Und die Richter gaben der Tagesmutter in einem Eilverfahren Mitte Oktober tatsächlich Recht: Die Altersbeschränkung durch die Stadt finde in den Gesetzen keine Stütze und widerspreche der Berufsfreiheit. Die Verwaltung konnte laut Urteil nicht mit Daten und Studien untermauert darlegen, warum Betreuungspersonen nach Überschreiten des 65. Lebensjahres nicht mehr belastbar sein sollen. Vielmehr seien persönliche Merkmale wie Persönlichkeit, Sachkompetenz, Kooperationsbereitschaft und Fachkenntnisse entscheidend - wovon Elvira K. aus Justitias Sicht reichlich besitzt.
Die Stadt will keine Berufung gegen das Urteil einlegen und ihre Richtlinie entsprechend abändern. Können nun sämtliche Tagesmütter und -väter der Stadt über den 65. Geburtstag hinaus arbeiten? Das bleibe immer eine Einzelfallentscheidung.Elvira K. darf also bis 30.08.2013 Tagesmutti "Vira" bleiben - und schließt nicht aus, dass sie noch länger macht. Seite 5