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NS-Vergangenheit Hitler: Operation „Mythos“

1970 wurde die Asche von Adolf Hitler in ein Flüsschen geschüttet. In die Ehle bei Biederitz nahe Magdeburg.

Von Bernd Kaufholz 01.05.2020, 10:13

Magdeburg l Nachdem Hitler Europa zerstört hatte, setzte er seinem Leben am 30. April 1945 ein Ende. Im Garten der Berliner Reichskanzlei wurde sein Leichnam und der von Eva Braun mit Benzin übergossen und angezündet. Was lange nicht bekannt war: Der Schlussakkord fand erst 25 Jahre später statt – unweit von Magdeburg, am Ortsrand von Biederitz.

In der Nacht vom 4. zum 5. April 1970 beginnt das letzte Kapitel in Sachen Hitlers sterblicher Überreste. In Magdeburgs Westendstraße 32 (heute Klausener Straße), einem abgeschotteten Bereich im Stadtteil Sudenburg, in dem sich sowjetische Dienststellen befinden, bauen Soldaten auf dem Grundstück Nummer 36 ein Zelt auf. Abgesichert durch getarnte Beobachter in und auf den Häusern ringsum. Fünf Offiziere des sowjetischen Geheimdienstes KGB graben unter dem Schutz des Zeltes die Erde auf. Nach kurzer Zeit stoßen sie auf Holz. Es gehört zu fünf, kreuzweise übereinandergestapelte Kisten.

Vor dem Grundstück wartet ein Lkw. Nachdem die morschen Kisten aufgeladen wurden fährt das Militärfahrzeug mit dem runden rot-weißen Logo und der Aufschrift „CA“ für Sovetskaya Armiya Richtung Biederitzer Busch. Das Ziel des Geheimkommandos ist das Übungsgelände der Pionier- und Panzertruppen im Magdeburger Herrenkrug.

Auf dem Gelände der Garnison werden die verrotteten Kisten und die darin befindlichen Knochen verbrannt (Eine andere Version spricht von einem Kasernengelände in Schönebeck). Es sind die Überresten von Adolf Hitler und Eva Braun, von Magda und Joseph Göbbels sowie ihrer von der Mutter vergifteten sechs Kinder.

Historiker gehen davon aus, dass auch Skelett-Reste von General Hans Krebs, zuletzt Generalstabschef des Heeres, dabei gewesen sein könnten.

Nachdem sich der „Führer und Reichskanzler“ am 30. April 1945 im Bunker der Reichskanzlei das Leben genommen hatten (Blausäurekapsel und Kopfschuss) hatten Kammerdiener Heinz Linge und der persönliche SS-Adjutant Otto Günsche die Leichen durch den Gartenausgang des Führerbunkers in eine Grube, wahrscheinlich ein Bombentrichter, gelegt. Die Körper wurden mit großen Mengen an Benzin, aus der sogenannten Notreserve der Reichskanzlei, übergossen. Mehr als zwei Stunden brannten die Körper.

Am frühen Abend wurden die stark verkohlten Leichen aus dem Erdloch geholt, auf Holzbretter geschoben und unweit der Verbrennungsstelle einen guten Meter tief vergraben. Die Grube war kurz zuvor von zwei Männern des Reichssicherheitsdiensts, aus dem sich die Leibwache des Diktators rekrutierte, ausgehoben worden.

Nachdem Stalin am nächsten Morgen vom Selbstmord Hitlers erfahren hatte, befahl er, den Leichnam zu beschlagnahmen.

Am 4. Mai fanden Angehörige der 3. Sowjetischen Stoßarmee im Garten der Reichskanzlei zwei bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Tote. Doch anstatt den Mann und die Frau nach Moskau zu schaffen, vergruben sie die Körper in Decken eingewickelt an derselben Stelle. Die Soldaten waren dem Gerücht aufgesessen, dass die Leiche Hitlers bereits gefunden worden sei.

Doch bereits am nächsten Morgen, dem 5. Mai 1945, gruben Männer des SMERSch, dem militärischer Nachrichtendienst, die Überreste wieder aus. Sie verpackten die verkohlten Überreste in eine Munitionskiste und brachten sie zum sowjetischen Feldlazarett 496, dass sich auf dem Gelände des Krankenhauses Berlin-Buch befand. Im Haus 132 der Pathologie kamen die Leichenteile in eine Kühlzelle.

Auf Befehl Stalins, der hundertprozentig sicher sein wollte, dass es sich tatsächlich um Hitler handelt, wurde die verkohlte Leiche vom Chefpathologen der Roten Armee, Dr. Nikolai Krayevski, obduziert. Der Kiefer des Toten wurde nach Moskau geschickt, um dort weiter untersucht zu werden. Die anderen Leichenteile wurden auf dem Gelände des Krankenhauses verbuddelt.

Doch dieser Ort entpuppte sich als zu unsicher. Bereits ein paar Tage nach der „Beisetzung“ fanden sich unweit des „Grabes“ Spuren von Grabungen. Bis heute ist allerdings nicht geklärt, ob die Gräber nach dem sagenumwobenen „Nazischatz“ gesucht haben oder nach dem „Führer“. Nachdem Moskau davon Kenntnis erhalten hatte, wurde befohlen, die Überreste an einen sicheren Ort zu schaffen. Soldaten brachten sie zur sowjetischen Garnison nach Finow.

Doch auch dort lagen die Gebeine nicht lange. Kurze Zeit später wollte ein Zeuge den Toten sehen. Deshalb wurden die Leichenteile zum vierten Mal exhumiert.

Damit war der Fall noch lange nicht erledigt. Als der hochdekorierter General Mesik, der extra aus Moskau angereist war und den Leichnam selbst in Augenschein nehmen wollte, wurde er erneut ausgegraben.

Die Wiederbestattung fand anschließend nicht wieder in Finow statt, sondern 150 Kilometer weiter in einem Wald am Ortsrand von Rathenow. Um das „Grab“ unkenntlich zu machen, wurden eigens Nadelbäume darauf gepflanzt.

Doch auch dort blieb die Leiche nur wenige Wochen. Im Juli 1945 wurden die inzwischen in völlige Verwesung übergegangenen Reste nach Stendal gebracht und dort in einem Wald verscharrt.

Derweil hatte das FBI eine Großfahndung aufgenommen, weil sich das Gerücht: „Der Führer lebt!“ immer größere Kreise zog.

Warum die Leiche im Dezember 1945 in der Altmark wieder ausgegraben und nach Magdeburg auf das Gelände der „Sonderabteilung des KGB bei der 3. Stoßarmee, transportiert wurde, darüber gibt es keine völlig gesicherten Erkenntnisse. Historiker vermuten, dass der sowjetische General Selenin eine weitere Untersuchung von Rechtsmedizinern verhindern wollte.

Sein Motiv könnte gewesen sein, dass er eine Legendenbildung, „der Führer habe sich ehrenvoll erschossen“ verhindern wollte. Der hohe Offizier soll die Version bevorzugt haben, dass Hitler sich als Feigling durch eine Zyankalikapsel aus dem Leben geschlichen hat.

In Magdeburg kam der Leichnam wieder unter die Erde. Doch nur wenige Monate. Dann wurde er zu einer weiteren Untersuchung erneut ans Tageslicht geholt. Er blieb vorerst in der Elbestadt. Armeeangehörige vergruben ihn in der abgeschotteten Westendstraße an der Seite von Eva Braun und Familie Göbbels. Über der Stelle wurde eine Bitumendecke aufgebracht.

Diesmal überdauerte das „Grab“ 24 Jahre. Aber als zu Beginn 1970 die „Russenstraße“ geräumt und wieder ein öffentlicher Bereich werden soll, griff KGB-Chef Jurij Andropow ein. Man hatte ihn gewarnt, dass der Begräbnisort zu einer Pilgerstätte für Alt- und Neu-Nazis werden könnte. Unter der Kennung „streng geheim“ informiert er am 13. März 1970 Parteichef Leonid Breschnew, schriftlich (Brief Nr. 655A) darüber, was in der Militärsiedlung vergraben wurde und gab zu bedenken, dass im Falle von Erdarbeiten die Toten entdeckt werden könnten.

Der Geheimdienstchef schlug vor, durch die operative Gruppe der KGB-Sondereinheit die Leichen „entfernen und durch Verbrennen beseitigen zu lassen“.

Am Abend des 5. April kehrt Wladimir Gumenjuk, einer der Ausgräber, die Asche in einen Sack. Dann fahren sie zur „Schweinebrücke“ am Ortsrand von Biederitz. Dort schütten die drei Soldaten die Asche in die Ehle.