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Öffentliche Aufträge Höherer Mindestlohn auf der Kippe

Wirtschaftsminister Willingmann will bei öffentlichen Aufträgen in Sachsen-Anhalt einen höheren Mindestlohn durchsetzen.

Von Jens Schmidt 19.10.2020, 01:01

Magdeburg l  Anfang November soll der Entwurf für ein Vergabe- und Tariftreuegesetz ins Kabinett. Doch das Finanzministerium zieht nicht mit. Und die CDU-Fraktion ist ohnehin strikt dagegen. Lösen Land oder Kommunen in Sachsen-Anhalt öffentliche Aufträge aus, sollen die Vorgaben verschärft werden.

Strittigster Punkt: Ein erhöhter Mindestlohn. Bundesweit gelten 9,35 Euro. Wer in Sachsen-Anhalt öffentliche Aufträge will, soll künftig jedoch mindestes 11,43 Euro zahlen. „Wir sorgen dafür, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter fair bezahlen, im Wettbewerb um Aufträge nicht mehr das Nachsehen haben“, sagt Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

Im Fokus stehen vor allem Firmen ohne Tarifbindung wie Caterer, Mensen oder Schulküchen. In der Gastronomie-Branche arbeiten 98 Prozent der Betriebe ohne Tarifbindung, berichtet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). „Die werden erhebliche Probleme bekommen, wenn Lohn- und andere Vorgaben verschärft werden“, sagt ihr Landeschef Michael Schmidt. So sieht das auch CDU-Fraktionsvize und Wirtschaftspolitiker Ulrich Thomas. „Viele Unternehmen von hier haben dann keine Chance mehr. Die Auträge gehen an Westfirmen.“

„Völliger Quatsch“, meint hingegen SPD-Arbeitsmarktpolitiker Andreas Steppuhn: „Vom Westen kommt doch keiner angereist, um hier in der Kantine zu arbeiten.“ Dehoga-Chef Schmidt, selbst Hotelier, widerspricht: „Es gibt viele überregionale Anbieter.“ Zudem sei es etwa von Goslar nach Wernigerode nur ein Katzensprung.

Seit anderthalb Jahren geht der Streit. Anfang 2019 stellte Willingmann die Eckpunkte des Gesetzes vor. Bis heute ist der Entwurf nicht im Landtag. Er hat es nicht einmal ins Kabinett geschafft. Ende Oktober wollte Willingmann das Papier der Ministerrunde vorlegen. Doch nun zeichnete das Finanzministerium nicht mit. Ein Grund: Das Haus von Finanzminister Michael Richter (CDU) erwartet deutliche höhere Mehrkosten für die Kommunen.

So verlangt das Gesetz künftig auch, dass die Kommunen bei tarifgebundenen Firmen die Tariftreue kontrollieren. „Wir sind doch keine Lohnpolizei“, heißt es vom Landkreistag. Außerdem sollen Firmen nachweisen, dass sie Lehrlinge ausbilden, Familien fördern, Frauen und Männer gleich bezahlen sowie nur Produkte verwenden, die umweltfreundlich und ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. „Das ist Bürokratie ohne Ende, da werden sich immer weniger Firmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen“, schimpft Burghard Grupe, Chef der Handwerkskammer Magdeburg. „So ein Vergabegesetz ist doch nicht dazu da, die Welt zu retten.“

SPD-Mann Steppuhn ist sich dennoch sicher, dass das Gesetz so kommt. „Punkte für Nachverhandlungen sehe ich nicht.“ CDU-Mann Thomas nennt das „weltfremd“.