Nebenklageanwalt will in Revision gehen / Landgerichtskammer schließt weitere Pflichtverletzungen des 41-jährigen Lokführers aus Opfer sind nach dem Hordorf-Prozess enttäuscht von Aufarbeitung
Magdeburg l Das Zugunglück von Hordorf war das folgenschwerste der letzten Jahre in Deutschland. Gestern hat das Landgericht Magdeburg unter dem Vorsitz von Richterin Claudia Methling das Urteil gegen den Lokführer des Güterzuges gesprochen: Ein Jahr Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Tötung in zehn Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in 22 Fällen. Die Haft muss der Mann aus Salzgitter aber nicht antreten, sie wird auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt. Ein Antrag auf Schmerzensgeld wurde abgelehnt, der Angeklagte muss aber die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen. Dies sei finanzielle Belastung genug, führte Richterin Methling zur Begründung aus.
Das Gericht folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Nebenklage-Anwalt Jens Kownatzki aus Halberstadt hatte bereits in seinem Plädoyer in der vergangenen Woche auf eine Verurteilung wegen Totschlags plädiert. In diesem Fall wäre die Strafe nicht unter fünf Jahren ausgefallen. Der Nebenklagevertreter kündigte auch nach dem Urteilsspruch Revision an. Über die muss dann der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Lokführer des mit Kalk beladenen und 2600 Tonnen schweren Güterzuges nicht ausreichend auf die Strecke geachtet habe und seine Geschwindigkeit nicht den Sichtverhältnissen angepasst habe. "Er kannte die Gefahren der Strecke und hatte sie bereits 23-mal befahren", sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Neben der Unaufmerksamkeit für die Strecke, so dass der Lokführer die Signale übersah, schloss die Kammer aber weitere Pflichtverletzungen aus. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass Titus S. sich nicht auf der zweiten Lok bei dem Aufprall befand. Das hatten Sachverständige und Zeugen ausräumen können. Auch Vorwürfe, dass der Angeklagte telefoniert hatte oder einen DVD-Player abspielte, konnten nicht bewiesen werden.
Nebenklage-Rechtsanwalt Klaus-Günther Salewski, der Anzeige gegen die DB-Netz AG als Eigentümer der Strecke erstattete, sagte gestern: "Ich habe immerhin schon ein Aktenzeichen von der Staatsanwaltschaft erhalten." Er sieht eine Fahrlässigkeit des Unternehmens, weil jahrelang und auch nach einem Beinaheunfall 2008 kein automatisches Bremssystem auf der Strecke eingebaut wurde.