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Personalmangel Koalitionszoff um Lehrereinstellung

Der Lehrermangel hat bei Sachsen-Anhalts CDU und SPD einen Streit ausgelöst. Die SPD-Bildungsexpertin kritisiert das Bildungsministerium.

Von Alexander Walter 26.06.2019, 01:01

Magdeburg l In ihrer Stellungnahme übt die SPD-Politikerin offene Kritik am Vorgehen von Bildungsminister Marco Tullner (CDU) bei der Einstellung von Lehrern. „Angesichts der immer größer werdenden Zahl unbesetzter Lehrerstellen steuert die Unterrichtsversorgung zum Schuljahr 2019/20 auf einen neuerlichen Tiefpunkt zu“, schreibt Kolb-Janssen. Eine Trendwende sei „entgegen den Aussagen von Marco Tullner“ nicht in Sicht – im Gegenteil.

Allein im vergangenen Jahr seien 876 Lehrer mehr aus dem Dienst ausgeschieden, als eingestellt wurden. Vom Ziel, zum Jahresende 14.500 Lehrer-Stellen besetzt zu haben „und erst recht von 103 Prozent Unterrichtsversorgung ist das Bildungsministerium weit entfernt.“ – 103 Prozent hat sich die Koalition zum Ziel gesetzt, um Unterricht ausfallfrei anbieten zu können. Ursache für die Entwicklung sei das „nach wie vor unflexible und zu langsame Einstellungsverfahren“, sagte Kolb-Janssen.

Der Mitteilung fügte die SPD-Politikerin einen Neun-Punkte-Plan mit aus ihrer Sicht notwendigen Verbesserungen bei. So müsse das Land bundesweit um Lehrer werben, sein Online-Bewerbungsverfahren modernisieren oder frei werdende Stellen frühzeitiger ausschreiben.

Im Bildungsministerium sorgte das Papier gestern Nachmittag für ungläubiges Staunen. Noch am Vormittag hätten die Bildungsexperten der Fraktionen mit Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner (CDU) und weiteren Vertretern des Ministeriums zusammengesessen, hieß es aus der Behörde. Thema: Die Schulentwicklungsplanung und ein Konzept für Förderschulen – zu den Punkten ihrer späteren Kritik habe Kolb-Janssen dabei kein Wort gesagt.

Marco Tullner reagierte verärgert: „Gerade von einer Partei, die zehn Jahre den Finanzminister und den letzten Bildungsminister gestellt hat und ganz wesentlich an der jetzigen Situation beteiligt war, hätte ich mehr erwartet“, sagte er. – Ein Fingerzeig auf den früheren SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn und seinen Parteikollegen Kultusminister Stephan Dorgerloh. Bullerjahn hatte eine strikte Sparpolitik beim Lehrpersonal verfolgt, Dorgerloh hatte diese nach anfänglichen Protesten mitgetragen.

Auch den Verbesserungsvorschlägen Kolb-Janssens widersprach Tullner: So habe er 2016 das Online-Bewerbungsverfahren überhaupt erst eingeführt. Es werde seither mit jeder Ausschreibung verbessert. Referendare würden im Vorbereitungsdienst zu ihren Einsatzwünschen befragt, frei werdende Stellen teils ein halbes Jahr im Voraus ausgeschrieben.

CDU-Bildungspolitikerin Angela Gorr sprach von einem „unredlichen Spiel“ der SPD. Diese benehme sich leider wie eine Oppositionspartei. „Auf dieser Grundlage kann Bildungspolitik schwerlich verlässlich gestaltet werden.“

Kolb-Janssen wies Kritik der Union an ihrem Vorgehen ihrerseits zurück: „Es ist nicht so, dass wir Opposition spielen, wir wollen den Minister unterstützen und unterbreiten immer wieder konkrete Vorschläge“, sagte sie. Wenn diese aber nicht umgesetzt würden, sorge das für Unmut in der SPD. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Stellungnahme sei zudem eher zufällig gewesen. Die Mitteilung habe sich auf ihre Landtagsrede in der vergangenen Woche bezogen. Die Argumente seien prinzipiell nicht neu.

Die SPD steht mit ihren Warnungen indes nicht allein. Die Lehrergewerkschaft GEW rechnet für das nächste Schuljahr mit einem erneuten Negativ-rekord bei der Unterrichtsversorgung.

Nach 99 Prozent im vergangenen Herbst erwarte sie nach den Ferien einen neuen Negativ-Rekord von nur noch 95 Prozent, sagte Landeschefin Eva Gerth. Als Gegenmaßnahme forderte sie „eine konzertierte Aktion“. Dazu gehörten eine Ausweitung der Lehrerausbildung an den Unis, Perspektiven für Seiteneinsteiger auf einen dem Lehramt gleichwertigen Abschluss und eine bessere Bezahlung von Grundschullehrern.

Das Bildungsministerium nannte die Prognosen der GEW spekulativ. Seriöse Zahlen zur Unterrichtsversorgung nach den Ferien seien aktuell nicht möglich, sagte Sprecher Stefan Thurmann. Er verwies auf Anstrengungen zur Lehrereinstellung. So starte Mittwoch eine Ausschreibungsrunde für 550 neue Lehrerstellen.