1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Pferdefleisch: Kunden giften Verkäuferin an

Auch Verbraucher in Sachsen-Anhalt sind wegen des Fleisch-Skandals verunsichert. Von Thomas Drechsel und Martin Rieß Pferdefleisch: Kunden giften Verkäuferin an

19.02.2013, 01:18

Der europaweite Pferdefleisch-Skandal geht an einer Zerbster Rossschlächterei nicht spurlos vorbei. In den Magdeburger Fleischereien herrscht dagegen Normalbetrieb, konstatiert die Innung.

Magdeburg/Zerbst l "Die Leute werden langsam grätig." Detlef Starke seufzt. Seit 1993 schlachtet sein Betrieb zwei Pferde pro Woche. Stellt Wurst her, Konserven, vertreibt das Fleisch. Jetzt erreicht ihn der Pferdefleisch-Skandal. "Die Leute lassen die ersten dummen Sprüche ab. Aber immerhin: Sie kaufen nach wie vor." Starke, der die Rossschlächterei nach der Wende gegründet hat, ist bekannt bei Pferdehaltern in Sachsen-Anhalt, aber auch nur dort.

"Ich habe noch kein Pferd von woanders bezogen."

Fleischermeister Detlef Starke

"Wir sind ein Handwerksbetrieb. Wir produzieren hier. Ich habe noch kein einziges Pferd von woanders bezogen." Fleischermeister Starke ärgert, dass "trotz aller möglichen und unmöglichen Vorschriften und Pflichten solche Betrügereien möglich sind". Aktuell steht die Änderung der Konserven-Etiketten bevor. "Ständig ändert sich da was, ständig muss man reagieren." Aktuell ändern sich die Etiketten, weil sie die Inhaltsstoffe haarklein in Gramm pro 100 Gramm enthalten müssen. "Ich verstehe den Sinn, und natürlich kommen wir der EU-Maßgabe nach. Aber bei uns kleinen Betrieben ist das richtig Aufwand. Die Großen haben damit keine Probleme. Da rollt der Rubel, weil sie über die Mengen verdienen. Und leisten sich dann trotzdem obendrauf solche Betrügereien, die den Ruf der gesamten Branche schädigen."

Es schmerzt den Fleischermeister, wenn seine Verkäuferin mit dem Auto vom Wochenmarkt zurückkehrt und erzählt, wie sie "angegiftet" wird. "Dass wir uns mit unserem Pferdezeugs überhaupt noch raustrauen, haben die gesagt."

In der Regel sind Starkes Schlacht-Kandidaten schlicht ins Alter gekommen, haben vielleicht eine typische Erkrankung wie die Arthrose, weshalb selbst der Besitzer von einem geruhsamen Gnadenbrot Abstand nimmt. "Jedes Pferd hat einen eigenen Pass. Da steht jedes Medikament drin, jede Spritze, alles. Danach richtet sich, ob ich das Pferd überhaupt verarbeiten darf." Starke fordert "stärkere Kontrollen und harte Strafen, auch wenn wir Kleinen dann ebenfalls zusätzlichen Aufwand haben. In der Verpackung muss drin sein, was drauf steht."

Die öffentliche Diskussion ums Pferdefleisch hat sich bislang nicht im Umsatz niedergeschlagen. "Wir haben Kundschaft aus der Altmark genauso wie aus Bayern. Die Qualität ist bekannt, und es gibt ja auch nicht viele Pferdeschlächtereien", erzählt Verkäuferin Heidi Lange. Pferdefleisch sei äußerst gesund, fettarm und besonders auch unter Diabetikern willkommen. Und überhaupt sind Pferde sowieso die saubersten Tiere, die es gibt.

In den meisten Magdeburger Fleischereien herrscht am Montag Normalbetrieb. 500 Gramm Gehacktes, ein paar Scheiben Aufschnitt und - weil sie doch gerade im Angebot sind - drei Bockwürste. "Und, haben wir Pferde?" Der nächste Kunde in der Reihe hat einen Scherz auf den Lippen, den die Verkäuferin heute schon mehrfach gehört hat. Tapfer lacht sie dennoch mit, und weiter geht\'s mit der Bestellung.

Diesen Eindruck kann auch Dirk Cuno bestätigen. Er ist Geschäftsführer der Magdeburger Fleisch- und Wurstwaren GmbH und Obermeister der Fleischerinnung in Magdeburg und Umgebung. Er sagt: "Ich habe mich in unseren größten Filialen erkundigt: Einen Einfluss auf den Umsatz hat die Diskussion um mit Pferdefleisch verunreinigtes Rindfleisch in Industrieprodukten nicht."

"Wir hatten Ereignisse, bei denen es um mehr ging."

Dirk Cuno, Innungsobermeister

Vielmehr hofft Cuno darauf, dass die Diskussion den Verbrauchern den Wert regionaler Lebensmittel ins Bewusstsein rückt. Er sagt allerdings auch: "Ich möchte keineswegs unter den Tisch kehren, dass eine Falschdeklarierung von Lebensmitteln nicht akzeptiert werden kann. Aber in den vergangenen Jahren hatten wir andere in den Medien thematisierte Ereignisse, bei denen es um mehr ging." Dieses Mehr ist die Gesundheit der Verbraucher. Denn anders als bei Skandalen um BSE, Gammelfleisch Co., bei denen eine Gesundheitsgefährdung der Menschen ein zentrales Thema war, steht jetzt die fehlende Kennzeichnung von zugelassenen Lebensmitteln - Rind- und Pferdefleisch - im Mittelpunkt der Kritik.

Dr. Eike Hennig ist Leiter des Magdeburger Gesundheitsamtes und damit auch zuständig für die Lebensmittel-Überwachung. Für die vergangene Woche meldet er Vollzug: Die Lebensmittelkontrolleure hatten zu überprüfen, ob die von verschiedenen Handelsketten zurückgerufenen Erzeugnisse tatsächlich aus den Regalen der Supermärkte verschwunden sind. Eike Hennig sagt: "Wir haben in keinem der Märkte noch Produkte gefunden, die auf der Liste standen."