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DDR-Vergangenheit Playmate aus Magdeburg

Es ist 30 Jahre her, da strahlte eine 21 Jahre alte Magdeburgerin hüllenlos von den Hochglanzseiten des „Playboys“.

18.12.2020, 10:23

Magdeburg l Anja Kossak tanzte für ihr Leben gern. Ein Grund dafür, dass sich die Zahnarzthelferin in den 1980er Jahren beim Tanzensemble „Ernst Thälmann“ des Magdeburger Sket-Kombinats anmeldete. Dass dieser Schritt zum sogenannten Bühnentanz einmal ihr Leben verändern würde – zumindest für einige Zeit –, ahnte die junge Frau allerdings nicht.

Anja Kossak (heute Bodis) erinnert sich. „Ich kam bei meinem Hobby mit einigen Künstlern zusammen, so auch mit Arnulf Wenning (*1957, Stendal). Der Sänger arbeitete damals mit dem bekannten Ostberliner Aktfotografen Günter Gueffroy (*1944 † 30. April 2015) zusammen, und er ist auf mich aufmerksam geworden.“

Gueffroy hat ein Auge für das schöne Weibliche, und er ist angetan von der Ausstrahlung der langhaarigen Blondine. „Das Gesamtpaket hat wohl gestimmt“, schmunzelt Anja, die in sechs Tagen 52 Jahre alt wird. Die Magdeburgerin kam an, obwohl sie mit den Maßen 82/58/89 bei einer Körpergröße von 1,63 Metern und einem Gewicht von 48 Kilo nicht unbedingt das „Playboy-Ideal“ verkörpert.

„Ich war ein typisches DDR-Mädchen ohne Plastik, ein unverbrauchter Typ. Und das hat Günter Gueffroy wohl fasziniert und später auch die Macher vom ,Playboy‘ überzeugt.“ Das Männermagazin wollte blanke Natur, nicht zu sexy mit natürlicher Ausstrahlung, eine junge Ost-Frau, die so etwas wie den Aufbruch in der DDR symbolisierte.

Doch bevor sie auf die Hochglanzseiten kam, musste sich das Fotomodell in spe erst gegen fünf Mitbewerberinnen durchsetzen. Gueffroy kam im Sommer 1989 nach Magdeburg in den Fünfgeschosser an der Leipziger Straße und mit ihrer natürlichen Anmut war für sie das Shooting kein Problem – ganz gleich, ob in der elterlichen Plattenbauwohnung oder vor dem Haus unter den Wäschestangen.

„Wie die Aufnahme damals nach München zur Deutschlandredaktion des Magazins gekommen sind, weiß ich nicht. Irgendwie hat Günter Gueffroy einen Weg gefunden“, sagt das Ex-Playmate.

Ihre Mutter habe die Sache toll gefunden: „Kind, du machst das schon.“ Aber ihr Vater sei eher „zurückhaltend“ gewesen: „Wie Väter von Töchtern ebenso sind.“

Im Oktober 1989 war es klar: Anja Kossak wird die erste DDR-Frau sein, die in den „Playboy“ kommt. Es ging nach Berlin, wo im Grand-Hotel eine Suite reserviert waren. Dort posierte sie erneut vor der Kamera des DDR-Starfotografen – mit Leoparden-Handschuhen und Strapsen, unbedarft und schüchtern, aber ohne staatliche Genehmigung.

„Daran, dass sich wenige Tage später die Grenzen öffnen würden, habe ich in keiner Weise gedacht“, sagt die Zahnarzthelferin, die inzwischen in Bayern lebt. „Ich habe lediglich gehofft, dass es mir die Aufnahmen ermöglichen, mal auf Besuch in den Westen zu kommen, bevor ich alt und grau bin.“ Was passiert wäre, wenn die Wende nicht gekommen wäre. wolle sie sich nicht vorstellen. „ein Risiko war schon dabei.“

Als das Männermagazin im Januar 1990 erscheint, die Magdeburgerin auf acht Seiten, inklusive Ausklapp-Poster, ist die DDR schon nicht mehr die alte. Selbst das „Zentralorgan der SED“, das „Neue Deutschland“, kommt an der Magdeburgerin nicht mehr vorbei und druckt im selben Monat ein Aktfoto des Playmates. „Ich wollte damals nur zeigen, dass DDR-Mädchen nicht verklemmt und schon gar keine grauen Mäuse sind“, erinnert sie sich.

Der „Steckbrief“ von „Miss Januar“ zeigt fünf Fotos – vom Kind mit Hula-Hoop-Reifen, barbusig vor Mutti an der Nähmaschine bis hin als „Anhalterin“ auf dem Magdeburger Ring in Magdeburg-Nord unter dem Brückenschriftzug „Willkommen in Magdeburg“.

Ihre Antworten („Was man damals so gesagt hat“):

„Was mich anmacht?“

Fotografiert werden und meine Auftritte mit der Tanzgruppe.

Was nicht?

Unzuverlässigkeit, Rauchen, unfreundliche Menschen.

Lieblingssänger?

Patrick Swayze, Paul Young, Herbert Grönemeyer.

Mein größter Wunsch?

Eine Griechenlandreise.

„Das riesige Medienecho habe ich so nicht vorausgesehen“, denkt die Wahl-Chiemgauerin zurück. 150 Medienvertreter reißen sich um ein Interview mit der Magdeburgerin. Allerdings gab es auch böse Briefe. Menschen warfen dem Modell vor, das in die Fußstapfen von Marilyn Monroe, des ersten Playmates 37 Jahre zuvor getreten war, zum „Werteverfall“ in der DDR beigetragen und den „moralischen Untergang“ des Staates eingeläutet zu habe. Aber auch bundesdeutsche Feministinnen laufen Sturm gegen die „Fleischbeschau“.

Ihre große Liebe hatte das Anja Kossak schon vor den Playboy-Aufnahmen gefunden. Wenige Monate nach Veröffentlichung zog sie nach Bayern. „Wir waren dort im Urlaub. Und die Gegend um den Chiemsee hat uns so gefallen, dass wir uns entschlossen haben, überzusiedeln. Wir waren jung und haben nicht lange nachgedacht.“

25 Jahre nach den „Playboy“-Aufnahmen treffen Anja Bodis und Fotograf Günter Gueffroy noch einmal in Berlin zusammen. Diesmal ist auch Tochter Linda dabei – ein Jahr jünger als ihre Mutter 1989. Und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Linda Bodis macht sich ebenfalls für das Herrenmagazin frei.