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Polizei Opfer im täglichen Streifendienst

Mit 756 Fällen ist im Jahr 2019 ein Höchststand der letzten zehn Jahre bei Gewalt gegen Polizisten erreicht. Es gibt aber weniger Verletzte.

Von Matthias Fricke 09.03.2020, 06:03

Magdeburg l Es ist nur eine von täglich zwei Gewalttätigkeiten gegen Polizisten in Sachsen-Anhalt: Ein 63-jähriger Magdeburger wird Ende Februar dieses Jahres im Stadtteil Leipziger Straße kontrolliert, weil er angetrunken fremde Kinder anspricht. Als die jungen Beamten der Landesbereitschaftspolizei dem Mann gegenüberstehen, werden sie von ihm sofort wüst beleidigt. Er stößt dem 27-jährigen Polizisten vor die Brust und wird immer aggressiver. Die Beamten legen den um sich schlagenden Betrunkenen Handschellen an. Selbst am Boden liegend tritt er um sich. Er trifft dabei auch die Polizisten, die aber nicht verletzt werden. Der Mann wird zur Blutentnahme und später wegen seines Alkoholproblems ins Krankenhaus gebracht. Die Polizisten erstatten am Ende Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 756 solcher Fälle. Das ergab eine Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Innenpolitikers Sebastian Striegel. Seit 2010 fragt er jährlich die Zahlen ab und stellt fest: „Die Widerstandshandlungen haben zugenommen. Erfreulich ist aber, dass es noch nie so wenig Körperverletzungen gegen Polizisten gab. Jede ist natürlich auch weiter eine zu viel.“ Für ihn sei diese Entwicklung auch ein Zeichen zunehmender Professionalität der Beamten. Bei den Übergriffen sind 2019 insgesamt 122 Polizisten (15 Frauen und 107 Männer) verletzt worden, sechs davon schwer. Im Vorjahr waren es insgesamt noch 143 Verletzte.

Dabei gab es laut Innenministerium die meisten Verletzten bei Kontrollen im Straßenverkehr und täglichen Polizeieinsätzen. Seltener werden Beamte bei Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen angegriffen. So wurden nur zwei Polizisten bei der Absicherung von Sportveranstaltungen verletzt.

Für Olaf Sendel, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), spreche die Zunahme der Gewalt „für die „fehlende Anerkennung der Regeln“. Es gebe auch mehr „Egoismus in der Gesellschaft“. Sendel: „Dass es weniger Verletzte gibt, spricht auch für den professionelleren Umgang mit verhaltensauffälligen Menschen.“

Sein Kollege von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Uwe Bachmann, meint zum Rückgang der Verletzten: „Es hat sicher auch etwas mit der besseren Ausrüstung zu tun, die unsere Kollegen inzwischen ständig tragen.“

Zur Zunahme der Angriffe sagt er: „Das ist für uns auch ein deutliches Zeichen der Respektlosigkeit und Verrohung in der Gesellschaft.“

Eine weitere Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten ergab, dass im vergangenen Jahr auch 44 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen im Amt gegen 90 Polizisten geführt wurden. So viele wie 2018. Nur sehr selten stellen sich die Beschuldigungen allerdings auch als gerechtfertigt heraus.

Aktuell gibt es zwei offene Strafverfahren gegen Polizisten, bei denen Anklage erhoben worden ist. In einem Fall habe laut Antwort des Innenministeriums ein Polizist einem 13-Jährigen eine Ohrfeige gegeben, nachdem dieser kurz nach einem Diebstahl geflüchtet war und wieder ergriffen wurde. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fünf Tage nicht hören können. Das andere Verfahren betrifft einen per Haftbefehl gesuchten Mann. Weil dieser erheblich Widerstand leistete, musste er im Anzeigenzimmer an Händen und Füßen gefesselt werden. Nach einem Stoß durch eine Polizistin gegen seine Schulter soll er vom Stuhl gefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen sein. Der Mann erlitt eine Platzwunde.