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Rechtsextremismus Keine Hinweise auf Halle-Attentat

Halles Oberbürgermeister Wiegand und Innenminister Stahlknecht sagen im Landtags-Untersuchungsausschuss zum Halle-Attentat aus.

Von Matthias Fricke 29.10.2020, 00:01

Magdeburg l Im Untersuchungsausschuss des Landtages zum Anschlag von Halle sind gestern auch Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Bernd Wiegand (parteilos) vernommen worden. Letzterer sagte: „Es gab keinerlei Hinweise auf einen Anschlag.“ Auch von der jüdischen Gemeinde habe es keine Aussage an die Stadt hinsichtlich einer Gefährdungslage gegeben. Wiegand hielt sich während des Attentats in einer Kindertagesstätte, nur wenige hundert Meter neben der Synagoge, zu einem ersten Spatenstich auf. Dort erfuhr er von den Schüssen in der Stadt und brach seinen Termin sofort ab. Er berief umgehend den Einsatzstab „Außergewöhnliche Ereignisse“ mit 25 Mitarbeitern ein. Dem Oberbürgermeister waren 64 Berufsfeuerwehrleute, 40 Rettungsdienstmitarbeiter und 114 Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren unterstellt. Er wies darauf hin, dass die Einsatzkräfte aus Sicherheitsgründen erst nach Freigabe durch die Polizei an die Tatorte durften. Wiegand bezeichnete die Zusammenarbeit mit der Polizei als „vertrauensvoll“.

Am 9. Oktober 2019 hatte der schwerbewaffnete Rechtsterrorist Stephan B. versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Dort begingen Gläubige Jom Kippur, den wichtigsten jüdischen Feiertag. Als der Attentäter scheiterte, erschoss er in der Nähe eine 40-Jährige und einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzte der Täter ein Paar schwer, bevor er bei Zeitz von zwei Polizisten festgenommen wurde.

Auch Innenminister Holger Stahlknecht erklärte, dass es „keinerlei Hinweise auf eine konkrete Gefährdungslage“ gegeben hat. Die Polizei sei zwar mit mehreren Erlassen durch das Innenministerium in den letzten Jahren immer wieder auf eine „abstrakte Gefahr“ aufmerksam gemacht worden, Konkretes gab es aber nie.

In den Jahren 2015 bis 2019 wurden in der Stadt Halle 42 antisemitische Straftaten registriert. Davon waren 39 Beleidigungen und Propagandadelikte, die restlichen drei Gewalttaten. Stahlknecht: „In diesen Jahren gab es kein Delikt, das entweder mit der Synagoge oder einem Geschädigten jüdischen Glaubens im Zusammenhang stand. Ich sage dies nur, um die damalige Gefährdungsbeurteilung einzuordnen.“ Jom Kippur sei übrigens auch von der jüdischen Gemeinde nie als besonders gefährdungsrelevant eingestuft worden.

Dennoch bedeute der 9. Oktober eine Zäsur. Aus diesem Grund werden die Einrichtungen im Land inzwischen auch rund um die Uhr bewacht. Vor dem Anschlag wurden sie nur bestreift. Nach dem Anschlag will Stahlknecht die Polizisten in Sachsen-Anhalt auch besser im Opferschutz und in interkulturellen Kompetenz ausbilden lassen. Damit reagiert das Land auf die Kritik von Überlebenden aus der Synagoge. Sie hatten unter anderem im Prozess gegen den Attentäter unsensibles und teilweise respektloses Verhalten der Polizisten beklagt. Bei aller Anspannung, unter der die Beamten gestanden hätten, müssten die Polizisten trotzdem zu einem professionellen Handeln in der Lage sein, sagte Stahlknecht. „Das muss man trainieren.“

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll klären, ob und welche Personen oder Institutionen Fehleinschätzungen hinsichtlich des Terroranschlages getroffen hatten.