1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Regionale Kultur
  6. >
  7. Gedenkkonzert für Menahem Pressler: Magdeburg ehrt seinen Star-Pianisten

Gedenkkonzert für Menahem Pressler Magdeburg ehrt seinen Star-Pianisten

Menahem Pressler wäre am 16. Dezember 100 Jahre alt geworden. Er starb im Mai. Seine Geburtsstadt Magdeburg ehrt den Ausnahme-Pianisten mit einem Gedenkkonzert.

Von Grit Warnat 12.12.2023, 10:07
Menahem Pressler bei seinem Konzert 2016 in  Magdeburg.
Menahem Pressler bei seinem Konzert 2016 in Magdeburg. Foto: Andreas Lander

Magdeburg. - Seinen 93. Geburtstag feierte der begnadete Pianist Menahem Pressler nicht zuhause in den USA. Er war extra nach Magdeburg gereist, um am 16. Dezember 2016 am Theater seiner Geburtsstadt ein Konzert zu geben. Es war schon Monate vorher ausverkauft. Der Beifall des Publikums wollte damals kein Ende nehmen. Es war ein hochemotionaler Abend.

Reisen gehörte zu Presslers Leben. Er war die Seele des 1955 gegründeten Beaux Arts Trios, mit dem er fünf Jahrzehnte um die ganze Welt tourte und große Erfolge feierte. Es war eine kleine Sensation, als Menahem Pressler 2001 mit dem Kammermusiktrio in Magdeburg gastierte – erstmals seit der Flucht aus Nazi-Deutschland kehrte er in seine Geburtsstadt zurück. Seine Besuche und Konzerte mit der Magdeburgischen Philharmonie sollten häufiger werden.

Späte Rückkehr in die Heimat

Menahem Pressler wurde 1923 in Magdeburg als Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns geboren, wuchs in der Stadt auf, lebte als Junge schon für die Musik. Auch nach der Pogromnacht setzte er sich ans Klavier. Den 9. November 1938 hatte er mit seiner Familie zu Hause erlebt und Angst gehabt, die er später nie mehr so gefühlt habe, sagte er einmal. In einem Gespräch mit der Volksstimme erzählte er vor Jahren, dass es die Musik war, die ihm so sehr geholfen habe, Verfolgung, Demütigung, Flucht zu ertragen.

Seine Onkel und Tanten kamen im Holocaust um, seine Eltern flüchteten mit ihm und seinen zwei Geschwistern nach Italien und weiter mit dem Schiff nach Israel, dann in die USA. Da war er schon ein guter Klavierspieler. Die Musik, so sagte er, habe ihn immer gerettet. In seinem Gesprächsbuch „Dieses Verlangen nach Schönheit“ erzählt er über diese Zeit, über den Verlust auch von Heimat und das Sich-neu-finden-müssen. Seine Heimatstadt hat er nie vergessen.

2005 wurde ihm in Magdeburg das Bundesverdienstkreuz verliehen. 2009 wurde er Ehrenbürger Magdeburgs. Damals war er mit dabei, als für Angehörige seiner Familie Stolpersteine verlegt wurden. 2012 hatte er die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

Wenn Menahem Pressler sich im hohen Alter im Opernhaus ans Klavier setzte, erlebten die Zuhörer seine Virtuosität, seine nicht enden wollende Suche nach der Perfektion, seine Wärme und Emotionalität. Wer ihn erlebte, der wusste um seine Weltkarriere. Wer im Publikum saß, der kannte auch die Schwere in seinem Leben.

Er war bereits 90, als er mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle spielte. Das Konzert mit den Berlinern, dieses Debüt im hohen Alter, das war unvergesslich für den gebürtigen Magdeburger. „Das war ein Traum, ein einzigartiger Traum. Das war ein ungewöhnliches Erlebnis“, sagt er damals im Gespräch mit der Volksstimme. Und er sagte, dass es fast perfekt gewesen sei. Fast? „Es ist immer nur fast“, antwortete er da. Ein Satz, der für seine nie nachlassende Perfektion stand. Musik ist für ihn nie Routine geworden. „Mit Routine gibt es keine Gefühle. Routine ist der Tod. Mit ihr öffnet sich nicht die Seele“, waren seine Sätze. Die gab er an junge Menschen weiter wie auch sein Wissen. Pressler war schon über 90, aber immer noch ein leidenschaftlicher Lehrer.

Begegnungen und Gespräche mit dem 1,50 Meter großen kleinen Mann sind ganz sicher bei jedem, dem sie vergönnt waren, haften geblieben. Der Güte wegen und weil er kein selbstdarstellerischer Mensch war. Weil er mit seiner sanften, warmen Stimme so wunderbar bedacht über Musik redete. Auch über seine Heimat. „Du sitzt in diesem Theater und hast ein Publikum, das dir zuhört, das mit dir spricht. Das geht sehr tief. Dann habe ich das Gefühl, ich bin wieder nach Hause zurückgekommen“, sagte er vor einem seiner Auftritte in Magdeburg.

Dass er sich an seinem 93. Geburtstag am 16. Dezember 2016 im Magdeburger Opernhaus ans Klavier setzte und spielte, war wohl größter Beweis für seine Versöhnung. Er war mehrfach gefeierter Gast. Im September 2017 war Menahem Pressler zum letzten Mal in einem Konzert in Magdeburg zu erleben.

Am 6. Mai dieses Jahres starb Menahem Pressler in London. Er wäre jetzt 100 Jahre alt geworden.

Die Landeshauptstadt und das Theater Magdeburg widmen dem großen Musiker ein Gedenkkonzert. „Es ist dem Orchester und seiner Generalmusikdirektorin Anna Skryleva eine besondere Ehre, mit einem direkten Schüler und früheren Assistenten Presslers, dem russisch-israelischen Pianisten Ilya Friedberg, erneut eines der Werke aufzuführen, das auch Pressler in Magdeburg spielte“, heißt es vom Theater. Es handelt sich um Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 488.

Gedenkkonzert am 16. Dezember im Opernhaus Magdeburg, Beginn 19 Uhr, Karten über die Theaterkasse (0391) 40 490 490.