Euro-Schuldenkrise und steigende Preise für Acker- und Grünland wecken Begehrlichkeiten Anteilskäufe sind die offene Hintertür für Investoren auf dem Agrar-Bodenmarkt
Ackerflächen wecken in Euro-Krisen-Zeiten Begehrlichkeiten bei Kapitalanlegern und anderen nichtlandwirtschaftlichen Investoren. Hier wird nicht nur Wert gesichert, sondern ordentlich gesteigert. Die Marktpreise klettern seit Jahren kräftig.
Magdeburg l Unternehmen wie der Rübenverarbeiter Südzucker und das Entsorgungsunternehmen Rethmann haben in Land investiert, auch Fielmann (Brillen) und der Möbelfabrikant Steinhoff sind Landbesitzer.
Der größte Bodenverkäufer in Ostdeutschland - die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft - wiegelt ab: "Wir wissen, dass Kapitalanleger unterwegs sind, aber die relativ kleinen Losgrößen, die von uns ausgeschrieben werden, sind für solche Investoren uninteressant", sagt der Magdeburger BVVG-Niederlassungsleiter Hans-Egbert von Arnim. Mehr als 90 Prozent der Vergaben nach Ausschreibungen gingen an ortsansässige Landwirte, versicherte er. Kapitalanleger würden entweder Anteile an Agrarbetrieben oder die gesamten Unternehmen kaufen. Die Landbewirtschaftung bleibt, der Eigentümer wechselt. Bodenbesitz wird anonymisiert.
"Die Bodenrendite fließt direkt oder über Pachtverträge ab", schimpft Kurt-Henning Klamroth, Bauer aus Westerhausen bei Quedlinburg und Präsident des Deutschen Bauernbundes (DBB). In seinem Familienbetrieb seien noch keine Investoren aufgetaucht, die würden Anteile von Agrargesellschaften oder -genossenschaften kaufen - unbemerkt von der Öffentlichkeit. "Um festzustellen, welches Fremdkapital in den Betrieben steckt, müsste man in deren Bilanzen gucken", sagt er.
Ein Problem des Ostens
Externe Investoren auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt seien primär ein Problem des Ostens, so Agrarminister Hermann Onko Aeikens (CDU). "Wir brauchen mehr Transparenz und Instrumentarien, um diese Geschäfte dem Grundstücksverkehrsgesetz zu unterwerfen." So müsse es möglich sein, Genehmigungen zum Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen zu versagen. Wichtig sei es, dass die Länder in ihren Bemühungen, das Problem gemeinsam zu regeln, beieinander bleiben, so Aeikens.
"Es gibt ein Vollzugsdefizit beim Umsetzen geltenden Rechts", sagt der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Bernhard Daldrup. "Es ist einem Landwirt schwer vermittelbar, warum bei ihm, nicht aber bei Anteilsverkäufen von Gesellschaften Grunderwerbssteuer anfällt. Wir brauchen auch mehr Transparenz, wem eigentlich die Flächen im Land gehören. Das Grundstücksverkehrsgesetz könnte angepasst werden, beispielsweise über die Verringerung der Freigrenze für die Genehmigungspflicht von Flächenverkäufen", so Daldrup.
Klamroth hat ein paar praktische Beispiele für das Agieren von Kapitalanlegern parat: Fündig wurde er auf Anzeigenseiten verschiedener Zeitungen: Da sucht eine Immobilienfirma Acker- und Grünland für bis zu 3 Millionen Euro und weitere Acker- und Forstflächen für bis 2 Millionen Euro jeweils als Kapitalanlage. Eine Familienstiftung strebt eine stille Beteiligung ab 1 Million Euro an deutschem Waldeigentum an. Und "fernöstliche Familien kaufen Wald ab 75 Hektar" - eine "diskrete Vorselektion" wird zugesichert.
"Bei uns hat sich jemand erkundigt, wo er für 4 Millionen Euro Acker kaufen kann", berichtet Christian Apprecht, Pressesprecher des Landesbauernverbandes (LBV) Sachsen-Anhalt. "Für solche Anliegen sind wir aber die falsche Adresse", sagt er.
Unter dem Titel "Bauernland in Bonzenhand" hat das Nachrichtenmagazin "Spiegel" 2010 einige Beispiele für lukrative Landkäufe zusammengetragen. So habe das westfälische Müllunternehmen Rethmann in Mecklenburg-Vorpommern bereits mehr als 7000 Hektar landwirtschaftliche Flächen erworben, hieß es.
Siegfried Hofreiter, erster Bauer an der Börse", vermarkte seine KTG Agrar AG unter Kleinanlegern als krisensichere Geldanlage, meldete das Blatt. Der Börsengang 2007 habe 32 Millionen Euro eingebracht. Eine Unternehmensanleihe habe 2010 weitere 50 Millionen Euro eingespielt. Hofreiter sei in kurzer Zeit Europas größter börsennotierter Bauer geworden. 28000 Hektar von KTG liegen laut einer Bodenmarktstudie des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts in Ostdeutschland und 7000 Hektar in Litauen.
Komplette Betriebe aufgekauft
KTG Agrar kaufe notleidende Agrargenossenschaften in Ostdeutschland und Litauen auf, schreibt Eckehard Niemann, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), in seinem "kritischen Agrarbericht". Fünf KTG-Betriebe befinden sich in Sachsen-Anhalt (Wegenstedt, Flechtingen, Lübs, Körbelitz und Altjeßnitz).
Mit der Tonkens Agrar AG ist eine weitere börsennotierte Aktiengesellschaft in Sachsen-Anhalt unterwegs. Die Aktivität sei bislang aber auf wenige Standorte im Land beschränkt, auf dem Bodenmarkt falle das Unternehmen nicht weiter auf, stellt das Thünen-Institut fest. Tonkens betreibt den Agrar- und Milchhof Stemmern, den Milch- und Zuchtbetrieb Hendriks, Biogas Stemmern, die Osterfelder Agrar GmbH, das Weickelsdorfer Kartoffellagerhaus und das Bördelagerhaus und bewirtschaftet 2900 Hektar.
Neun Standorte, Tochter- und Beteiligungsunternehmen in Sachsen-Anhalt unterhält die JLW Holding AG (mit den ursprünglichen Geschäftsfeldern Immobilienhandel, Gesundheitszentren und Viehhandel). Insgesamt 24000 Hekter werden bundesweit von JLW bewirtschaftet, vorwiegend in Ostdeutschland. Schwerpunkte des Geschäfts sind Marktfruchtbau und Biogaserzeugung.
Daneben sind laut Thünen-Institut viele kleine Investoren aktiv, "die einzelne Flächen, teils auch in größerem Umfang, kaufen und diese an Landwirte verpachten. Hierbei handelt es sich um Nichtlandwirte aus verschiedensten Berufsgruppen, die vorhandenes Geld sicher anlegen wollen. Teilweise sind es Verpächter aus der Region, teilweise aber auch vermögende Nichtlandwirte aus den alten Bundesländern, die durch Makler oder Steuerberater an den Markt herangeführt werden." Über die Häufigkeit dieser Art Investoren gebe es keine Erkenntnisse, heißt es in der Studie.