Unternehmen gibt Mitarbeiterinnen die Chance, sich in Beruf und Familie zu verwirklichen Frauen sind Teil der Wachstumsstrategie des Autozulieferers IFA Rotorion
Gute Leute von außen in die Firmen zu holen, wird zunehmend schwerer. Die IFA-Gruppe hilft sich selbst. In einem Nachwuchs-Führungs- und -Fachkräfteprogramm werden die 20 Besten gefördert. Jeder Dritte ist eine Frau. Der Frauenanteil in den Firmen der Gruppe liegt bei 10 bis 20 Prozent.
Haldensleben l Frau oder Mann - auf Qualifikation und Motivation kommt es an. Diese Stärken werden bei den Längswellenherstellern und -entwicklern in Haldensleben, Irxleben und Gardelegen nicht verschlissen, sondern gezielt gefördert. Wie das funktioniert? Eigentlich ganz einfach, sagt Pressesprecherin Berit Lenze: Es sei die Führungskultur in der Unternehmensgruppe, den Mitarbeitern Freiräume für Kreativität zu geben und deren Fähigkeiten zu vertrauen. "Das spornt an."
Anett Ziems, die in der Entwicklung für das Projekt- und Prozessmanagement zuständig ist, und Manuela Wahl, Teamleiterin in der Logistikplanung, sind drin im Nachwuchs-Führungs- und -Fachkräfteprogramm. "Es ist eine Ausbildung und kein Automatismus, anschließend in eine bestimmte Position zu kommen, erklärt Ziems. In die Auswahl gekommen zu sein, sieht sie als Wertschätzung ihrer Arbeit.
"Die Leistung wurde anerkannt, das ist ein schönes Gefühl."
Anett Ziems, Projekt- und Prozess- managerin
Die 32-jährige Wirtschaftsingenieurin ist es seit dem Studium gewöhnt, in männerdominierten Unternehmen zu arbeiten. Sie habe sich auch bei IFA am Anfang durchkämpfen müssen, "die Leistung wurde anerkannt, das ist ein schönes Gefühl", erzählt sie.
Die Kunden und Lieferanten, denen sie gegenübertritt, sind meistens Männer. Sie haben sich daran gewöhnt, dass ihnen eine Frau erklärt, was schiefgehen kann, und wie potenzielle Fehler, die die Funktion der Gelenkwellen beeinträchtigen könnten, zu vermeiden sind. Ziems befasst sich mit Fehlereinflussanalysen. Die Kunden- und Lieferantenkontakte erfordern neben Fachwissen auch Geschick als Moderatorin - das Vermitteln sei etwas, das Frauen gut können, sagt sie.
Zum Ausbau der Fach- und Führungskompetenz sind in diesem Jahr vier zweitägige Workshops vorgesehen. Der Theorie folgt in der Firma die Praxis, wenn es darum geht, schrittweise mehr Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Mit den angeeigneten Kompetenzen wachsen die Aufgaben und mit ihnen die Frauen.
"Wir sind Teil der Wachstumsstrategie der Unternehmensgruppe", betont Manuela Wahl. So gibt es Überlegungen, die Fertigung in Sachsen-Anhalt auszubauen, aber auch die Produktion in China von hier aus aufzubauen. "Dafür werden gute Kräfte gebraucht. Die guten sind in Arbeit, also müssen wir unsere Leute selbst qualifizieren", ergänzt Personalreferentin Astrid Engelhardt. Frauen in den Teams seien dabei auch ein Plus für das Betriebsklima. "Der Umgangston ändert sich, er ist weniger rau, als wenn Männer unter sich sind, soziale Aspekte rücken stärker in den Vordergrund."
In der Längswellen-Produktion bei IFA Rotorion Powertrain in Haldensleben bedienen 26 Frauen CNC-Maschinen oder sind in der Instandhaltung beschäftigt. "Unsere Elektronikerin hat sich bei uns fachlich sehr gut entwickelt und macht den Männern inzwischen etwas vor", schmunzelt Astrid Engelhardt.
Kinder sind für Beruf und Karriere kein Hindernis. Dank Gleitzeit können Eltern ihre Arbeitszeit meist mit der Kinderbetreuung abgestimmt gestalten. Manuela Wahl weiß das zu schätzen. Die 39-jährige Logistik-Expertin und Mutter zweier Kinder (10 und 3 Jahre) will Beruf und Familie, aber sie will deshalb nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben. "Das hat man trotzdem noch oft genug, auch mit Gleitzeit", sagt sie. Denn die Eltern stehen auch zu Hause vor anspruchsvollen logistischen Herausforderungen.
"Ich bin zufrieden mit der Arbeit und zufrieden als Mutter, einfach energiegeladener."
Manuela Wahl, Logistik-Expertin
Die Bildung der Kinder sei ihr und ihrem Mann wichtig. "Wir wollen ihnen Kunst und Musik ermöglichen." Dazu sind Transporte zwischen dem Zuhause in Magdeburg, dem Kinderkasten mit flexiblen Öffnungszeiten, dem Gymnasium in Barleben und den außerschulischen Bildungsangeboten zu organisieren. Zeit für das Spielen zu Hause und die Gutenachtgeschichte muss auch noch sein. "Dank Gleitzeit kann ich auch mal früher nach Hause gehen, dafür arbeite ich projektbezogen länger, diese Flexibilität ist sehr angenehm", erzählt Manuela Wahl. "Ich bin zufrieden mit der Arbeit und zufrieden als Mutter, einfach energiegeladener."
Ähnliche Erfahrungen hat Berit Lenze gemacht. Sie hat Pressearbeit und Marketing bei IFA wieder aufgebaut. "Ich habe Kommunikation studiert, das ist mein Traumberuf", berichtet sie. Nach zwei Jahren Elternzeit habe sie sich bei IFA beworben. Beim Einstellungsgespräch sei sie mit den Schwierigkeiten, die eine längere Auszeit und drohende Kinderkrankheiten bedeuten, konfrontiert worden und habe zu hören bekommen: "Das wird nicht leicht... Na Sie machen das schon. Ich vertraue Ihnen."
Begeistert erzählt die 33-Jährige: "Ich kann viele Projekte zu Hause erledigen, zum Beispiel für die Mitarbeiterzeitung." Das helfe jetzt, da sich die dreijährige Tochter in der Kita alle Keime einfängt und der Körper die Abwehr trainiert. "Ich habe die Möglichkeit, Herausforderungen anzunehmen, meine Ziele zu erreichen und Dinge voranzutreiben. Ich bin hier aufgeblüht."
Auch Entwicklungsingenieurin Franziska Becker (29) hat eine Doppelbelastung zu stemmen: Bei IFA berechnet sie, wie Gelenkwellen für Transporter speziellen Kundenanforderungen entsprechend ausgelegt werden müssen. Nach der Arbeit ist sie selbst oft im Transporter unterwegs und holt im Baumarkt Material für den Hausausbau. "Sie berechnet die Wellen nicht nur, sie sitzt auch drauf", lacht Berit Lenze.
Allein für den Sprinter umfasse die Palette 120 Gelenkwellenvarianten. Das ergebe sich unter anderem aus den Motoren und den Radabständen, erklärt Franziska Becker. Nach der Übernahme des Gelenkwellenspezialisten Rotorion in Friedrichshafen begleitete sie sechs Monate lang die Verlagerung des Gelenkwellengeschäfts vom Bodensee nach Haldensleben - ein Vertrauensbeweis von IFA. Franziska Becker hat Bauzeichnerin gelernt, im Maschinenbaustudium die Fachrichtung Konstruktion, speziell für Antriebstechnik, als Favoriten für sich entdeckt.
Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, diese Chance sieht Katja Penneckendorf (26) bei IFA. Die Ausbildung zur Werkstoffprüferin (2. Lehrjahr) will sie möglichst gut meistern, dann steht einer Übernahme nichts im Wege. Die Krankenschwestern-Ausbildung hatte sie nicht beendet, als Sicherheitsfachkraft am Flughafen Frankfurt/Main durfte sie als Schwangere wegen der Röntgenstrahlung bei der Gepäckkontrolle nicht mehr arbeiten. Mit Normalschicht und Gleitarbeit fühlt sich die Mutter eines vierjährigen Kindes nun bei IFA gut aufgehoben. Das Unternehmen zahlt auch einen Kita-Zuschuss und übernimmt Fahrtkosten zur Berufsschule.
Die IFA-Gruppe hat 1200 Mitarbeiter, davon 850 bei Powertrain in Haldensleben. Seite 4