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EU-Verordnung soll Luftfrachtlieferkette sicherer machen / Viele Unternehmen scheuen Aufwand Neue Sicherheitsregeln für die Luftfracht gefährden den deutschen Export

Von Arne Bensiek 24.09.2012, 03:24

Neue Sicherheitsauflagen für Luftfracht stellen die deutsche Industrie vor ein großes Problem. Logistikexperten rechnen mit massiven Verspätungen beim Export auf dem Luftweg, wenn hierzulande am 25. April 2013 die europäische Luftsicherheitsverordnung in Kraft tritt.

Berlin l Der Grund: Von den rund 40000 deutschen Unternehmen, die ihre Waren per Flugzeug in alle Welt verschicken, verfügen derzeit nur 429 über die zukünftig notwendige Zulassung. "Die Zeit bis zum nächsten Frühjahr reicht für den Großteil der Unternehmen nicht mehr aus, um die neuen Voraussetzungen zu erfüllen", sagt Joachim Pfeiffer (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Auch Speditionen und Fluggesellschaften seien überfordert. "Der deutsche Export steuert sehenden Auges auf einen Prellbock zu."

Die Luftsicherheitsverordnung ist die politische Reaktion auf Sprengstoffpakete, die 2010 in Luftfrachtsendungen aus dem Jemen gefunden wurden. Die Luftfracht gilt schon lange als Schwachstelle in der Luftsicherheit. Da mehr als die Hälfte der international bewegten Luftfracht indes im Laderaum normaler Passagiermaschinen befördert wird, betrifft dieses Problem auch gewöhnliche Flugreisende. Die Brüsseler Verordnung soll nun die gesamte Luftfrachtlieferkette sicherer machen.

Um den zukünftigen Standards zu entsprechen, benötigen Unternehmen eine Zulassung als "behördlich anerkannter bekannter Versender" durch das Luftfahrtbundesamt (LBA). Und das kostet Zeit und Geld. Die Versender von Luftfracht müssen ein individuelles Sicherheitskonzept vorlegen. Dieses hat zum Beispiel zu gewährleisten, dass keine Unbefugten Zugang zur Luftfracht des Unternehmens erhalten. Manche Firmen müssen dafür extra Sicherheitsschleusen errichten oder gar umbauen. Außerdem muss die Belegschaft, die mit der Luftfracht des Unternehmens zu tun hat, geschult werden.

Die meisten der Unternehmen scheuen offenbar den Aufwand der Zulassung. "Viele denken sich, das macht die Spedition oder Airline schon für mich", sagt Reinhard Lankes, Luftfrachtexperte des Deutschen Speditions- und Logistikverbands.

In der Tat hätten manche Speditionen und Fluggesellschaften bereits teure Röntgengeräte angeschafft, um die zu erwartende Menge unsicherer Fracht zu sichern. Dazu zählt etwa Lufthansa Cargo, die einem Sprecher zufolge eine erhebliche Summe investiert habe.

80 Prozent der Luftfracht-speditionen sind laut Logistik-experte Lankes aber kleine und mittlere Unternehmen, die sich eine solche sechsstellige Investition gar nicht leisten könnten. "Deshalb werden weder die Speditionen noch die Fluggesellschaften die Masse unsicherer Fracht bewältigen können", prophezeit Lankes. Erst recht nicht, da mehr als die Hälfte der Luftfracht am Freitag aufgegeben werde. "Uns droht ein Cargo-Kollaps."

Nur wer ist schuld daran? Immerhin stammt die EU-Verordnung bereits aus dem Jahr 2010 - eigentlich genug Zeit, um sich auf die ab April 2013 geltenden Regeln einzustellen. "Die deutsche Industrie hat lange und tief geschlafen", findet Wolfgang Leffler, Berliner Niederlassungsleiter der Luftfrachtspedition Raben Trans European Germany. Das Transportunternehmen versendet BMW-Motorräder per Flugzeug. Etwa 20000 Euro investiert das 35-Mann-Unternehmen derzeit, um die neuen Sicherheitsauflagen zu erfüllen.

Die deutsche Industrie hat indes das LBA in Braunschweig als Hauptschuldigen ausgemacht.

Laut einer Studie von Dekra und der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden fühlen sich viele Unternehmen, die Luftfracht versenden, von der Behörde unzureichend informiert und zögern deshalb mit ihren Anträgen. Die genauen Anforderungen für eine Zulassung seien demnach unklar.

Beim LBA ist man sich keiner Schuld bewusst. Alle Unternehmen, die zeitnah einen prüffähigen Antrag auf Zulassung einreichen, könnten mit einer fristgerechten Zulassung rechnen, verspricht Sprecherin Cornelia Cramer.