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Die Weinstraße im Burgenlandkreis feiert am Wochenende in Freyburg ihr 20-jähriges Bestehen Saale-Unstrut-Idylle als Wirtschaftsmotor

Von Oliver Schlicht 05.09.2013, 03:13

Naumburg l Sachsen-Anhalts Weinhauptstadt Freyburg feiert am Wochenende "20 Jahre Weinstraße". Viele Unternehmen profitieren von der touristischen Vermarktung der Region. Saale-Unstrut ist eine Marke auch abseits des Weinanbaus.

Stephan Herzer ist kein Mann von vielen Worten, er packt selbst an. Schnaufend klettert der Winzer den steilen Weinberg hinauf, rupft ein paar Blätter von den Reben und kontrolliert den Traubenwuchs. Er nickt zufrieden.

Top-Lage hier am Max-Klinger-Berg beim Blütengrund, benannt nach dem berühmten Maler. Hier reift sogar der fruchtige Riesling. "Weinstraße? Davon habe ich anfangs überhaupt nichts gehalten", erzählt er. "Zu lange Strecken ohne Weinwirtschaft, stattdessen graue Industriehallen und verfallene LPG-Gehöfte."

In Kirchheim in der Pfalz wurde Stephan Herzer geboren. Kurz nach der Wende als Absolvent der Winzerschule Geißenheim ist er rübergemacht in den Osten nach Naumburg, hat Rebflächen gepachtet und die Weinkönigin geheiratet. Zwei Söhne und eine Tochter zählt die Familie von Andrea und Stephan Herzer inzwischen.

180.000 Flaschen Wein im Jahr

Und mit 22 Hektar Anbaufläche gehört der Winzer in der Region zu den größten seiner Zunft. Der Hof in Roßbach produziert mit acht Angestellten etwa 180000 Flaschen Wein pro Jahr. "Wir verkaufen viel an Gaststätten und Hotels", erzählt Winzer Herzer.

Heute kann er sich ein Leben anderswo nicht mehr vorstellen - und das liegt auch an der Weinstraße. "Die vielen großen und kleinen Weinerzeuger - das hat sich toll entwickelt." Ein Weinfest nach dem anderen lockt Tausende. "Zur Saale-Weinmeile zu Pfingsten hatten wir 38 Verkaufsstellen auf Höfen und Gütern. Das wäre früher unvorstellbar gewesen", schwärmt der Winzer.

"Die Weinstraße im Saale-Unstrut-Gebiet bedient heute sehr viel mehr als das Thema Wein", sagt auch der Gastronom Michael Schmidt. Da sind die Historiker auf der Suche nach der Kulturgeschichte. Und da sind die Kanu- und Radfahrer auf der Suche nach Aktiverholung. Alles zusammen hat den Tourismusbetrieben kräftige Zuwächse beschert.

Auch Michael Schmidt. 2005 hat der gelernte Koch gemeinsam mit dem Naumburger Bauunternehmer Rüdiger Kürbs die ehemalige "Henne"-Brauerei in Naumburg-Henne nach 20 Jahren Verfall zu neuem Leben erweckt. Der Charme der Vorkriegseleganz wurde sorgsam freigelegt. 29 Zimmer, 320 Restaurantplätze in Sälen, Herren- und Jägerzimmern. Hinzu kommt ein Biergarten mit 200 Plätzen. Eine Größe, die weit vor den Toren Naumburgs so manchen Wirt die Angstperlen auf die Stirn treten lassen würde. Doch die Gäste mögen die "Henne". Hotelauslastung aktuell 70 Prozent. "Über die Hälfte sind Fahrradtouristen", erzählt der Gastronom. Die Kalkulation ging 2005 von 500.000 Euro Jahresumsatz aus. Schmidt: "Wir erreichen heute das Dreifache."

Eine wohl einmalige "Personalgeschichte" spricht für das gute Betriebsklima in der "Henne". Unter den neun Mitarbeitern ist auch Direktorin Romy Lange. 2009 hat Schmidt sie geheiratet, 2010 war die Scheidung. Auf die beruflichen Qualitäten seiner Geschiedenen als seine Stellvertreterin mag der Gastronom bis heute nicht verzichten. Beide haben inzwischen andere Partner - "und wir fahren sogar zu viert in den Urlaub", erzählt Michael Schmidt schmunzelnd.

Nach Angaben des Saale-Unstrut-Tourismus-Verbandes gab es in der Region zwischen 2002 und 2012 einen Zuwachs an Übernachtungen von 35 Prozent. Etwa 1,2 Millionen Übernachtungen waren es 2012. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Saale-Unstrut-Tal beträgt 2,5 Tage. 18 Millionen Tagesbesucher wurden 2012 gezählt.

Viele dieser Besucher werden von "Saale-Unstrut-Tours" zu Wasser und zu Lande umhergeführt. "Kremserfahrten, Radtouren und natürlich Bootsfahrten auf Saale und Unstrut", erzählt "Tours"-Geschäftsführer Christian Schwamberger. Mit vier Kanus hat die Firma 1999 an der Saale-Unstrut-Mündung am Blütengrund begonnen. Heute liegen dort über 100 Kanus, Kajaks und Schlauchboote. "Zu Spitzenzeiten sind über 500 Personen gleichzeitig auf den Flüssen unterwegs." Sogar im Winter. Schwamberger: "Eine Halbtagstour bei Sonnenschein entlang der schneebedeckten Ufer der Saale. Und anschließend in die Sauna. Ist doch toll."