Drosselung der EU-Zuckerproduktion und Weltmarktpreise schlagen durch Zuckermarkt aus den Fugen: Rohstoff knapp und teuer
Der Zuckermarkt ist angespannt, in einigen Regionen gibt es Hamsterkäufe, Süß- und Backwarenhersteller müssen bei neuen Kontrakten deutlich draufzahlen. Der Grund: Im Zuge der EU-Zuckermarktordnung waren europäische Rübenanbauer und Zuckerwerker gezwungen, die Produktion zu drosseln, um Importe aus armen Ländern zu ermöglichen. Die Weltmarktpreise sind jedoch kräftig gestiegen, Importe bleiben aus.
Magdeburg. In deutschen Grenzregionen zu Polen wird in einigen Supermärkten der Zucker knapp – Lidl beispielsweise hat dort nach Hamsterkäufen den Verkauf gedrosselt: auf vier Kilogramm pro Person, heißt es in Medienberichten. Als Grund wird genannt, dass im Nachbarland Polen wenig langfristige Kontrakte geschlossen wurden, so dass der hohe Weltmarktpreis voll durchschlägt.
Nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker hat der Weltmarktpreis für Weißzucker im Januar den höchsten Stand seit 30 Jahren erreicht. Die Tonne wurde in London mit 577 Euro gehandelt. Nach einem zwischenzeitlichen Absinken könnten die Preise wieder steigen, heißt es. Unter anderem beeinflussen Ernteerwartungen in Brasilien die Weltmarktpreise. In dem südamerikanischen Land wurden im vergangenen Jahr 40 Millionen Tonnen Rohrzucker produziert (Eigenverbrauch: 13 Millionen Tonnen). Der Großteil geht in den Export.
Auch die EU war noch vor einigen Jahren eine Zuckerexportregion. Um armen Ländern den Marktzugang nach Europa zu ermöglichen, wurde den heimischen Erzeugern die Drosselung der Produktion verordnet. Nun will es die EU-Kommission der Zuckerindustrie erlauben, kurzfristig zusätzlich 800 000 Tonnen Zucker auf den Markt zu bringen, um eine Entlastung zu erreichen.
Denn die europäischen Lebensmittelproduzenten bekommen die Rechnung für die zwangsweise Drosselung des Rübenanbaus und der Zuckerproduktion. Sie müssen für neue Kontrakte kräftig draufzahlen. Chris Kössling, Sprecherin des Backwarenherstellers Kathi Rainer Thiele in Halle, beziffert den Preisaufschlag für das nächste Jahr mit über 40 Prozent. Die aktuelle Produktion sei durch langfristige Zuckerlieferverträge abgesichert, antwortete sie auf Volksstimme-Nachfrage.
Klaus Lellé, Chef der Halloren Schokoladenfabrik, hatte dagegen in der Mitteldeutschen Zeitung geklagt: "Wir bekommen unseren Zuckerbedarf von den Großlieferanten aktuell nicht gedeckt." Es könne bei der Produktion einiger Artikel zu Engpässen kommen.
"Die EU hat eine Senkung der Zuckerproduktion auf 12 Millionen Tonnen verzapft, der Eigenverbrauch liegt bei 16 Millionen Tonnen", sagte Rübenmanager Axel Schönecker vom Nordzucker-Werk Klein Wanzleben (Bördekreis) der Volksstimme. "Deshalb mussten Werke geschlossen werden." Damit trotz EU-Zuckermarktordnung Rüben angebaut und die verbliebenen Werke ausgelastet werden, sei zusätzlich in die Bioethanolproduktion investiert worden. Diese nun für die Zuckerknappheit verantwortlich zu machen, wie es manche Medien tun würden, hieße das Pferd von hinten aufzuzäumen. "Unsere Kunden bekommen ihren Zucker", betonte Schönecker. "Alle Partner aus Handel und Verarbeitung bekommen den vertraglich vereinbarten Zucker zu den festgelegten Preisen." Wer jedoch auf den freien Markt gesetzt habe, der sei nun im Preis-Pech.
Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) hat die EU-Kommission aufgefordert, schnell zu reagieren und außerhalb der Quote Zucker auf den Markt zu bringen. Einige zuckerverbrauchende Unternehmen im Land müssten bereits die Produktion drosseln, weil kein Zucker zu haben sei, teilte Aeikens mit. Die EU habe sich in der Zuckermarkt-Politik gewaltig vergaloppiert. Die EU hatte 2005 im Rahmen der Zuckermarktreform entschieden, die in Europa erzeugte Zuckermenge etwa um ein Drittel (sechs Millionen Tonnen) zu senken.
Aeikens richtet die Forderung an Brüssel, eine schnelle und unkomplizierte Umwidmung von Zucker für die Energiegewinnung in Zucker für die Lebensmittelindustrie zu ermöglichen. "Wir brauchen politische Entscheidungen aus Brüssel, die wieder zu einem funktionierenden Zuckermarkt führen", betonte Aeikens.