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Sachsen-Anhalt Bundeswehr-Einsatz fordert besonders

Oberst Halvor Adrian beendet seine Amtszeit als Kommandeur des Landeskommandos. Im Interview zieht er eine Bilanz seiner Arbeit.

Von Matthias Fricke 26.01.2021, 05:38

Volksstimme: Warum verlassen Sie Magdeburg?
Halvor Adrian: Ich habe mich aus persönlichen Gründen an die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg versetzen lassen. Die Entscheidung, Magdeburg zu verlassen, ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Am 28. Januar werde ich das Landeskommando, meinem Nachfolger Oberst Bernd Albers (57), übergeben. Er ist Angehöriger der Luftwaffe und kommt direkt aus dem Nato-Hauptquartier in Belgien.

Was war Ihre größte Herausforderung in den vergangenen viereinhalb Jahren?
Mit der Hilfeleistung im Kampf gegen Corona sehen wir uns mit dem bisher längsten Einsatz in Sachsen-Anhalt konfrontiert. Er fordert uns besonders und ist deshalb zum Beispiel auch nicht mit der Flut 2013 vergleichbar. Damals war zwar erheblich mehr Personal im Einsatz, dafür aber in einem überschaubaren Zeitraum. Wir stehen jetzt seit Februar 2020 permanent im Einsatz, aktuell sogar mit 240 Soldaten.

Was ist an dem Einsatz das Fordernde?
Das schwierige an diesem Einsatz ist, dass wir in den letzten Monaten ständig wechselnde Anforderungen hatten. Begonnen haben wir im Februar und März 2020 mit der logistischen Unterstützung, der Verteilung und Lagerung der persönlichen Schutz­ausrüstung. Dazu gehörten Masken, Kittel und Desinfektionslösungen, die wir im Auftrag des Sozialministeriums am Flughafen in Leipzig/Halle in Empfang genommen, in Burg gelagert und dann im gesamten Land verteilt haben. Der nächste Schwerpunkt waren die Corona-Tests in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt und am Schlachthof Tönnies in Weißenfels.

Dann waren wir an den Kontaktverfolgungen in vielen Gesundheitsämtern beteiligt. Die nächste Aufgabe war die Unterstützung in den Pflegeheimen, die uns um Hilfe gerufen hatten. Jetzt wechseln wir wieder und unterstützen aktuell gerade die Impfungen mit zwei mobilen Teams in Stendal und im Burgenlandkreis. Weitere Soldaten sind als helfende Hände in den Impfzentren aktiv. Mit der Hilfeleistung im Kampf gegen Corona sehen wir uns mit dem bisher längsten Einsatz in Sachsen-Anhalt konfrontiert. Er fordert uns besonders und ist deshalb zum Beispiel auch nicht mit der Flut 2013 vergleichbar. Damals war zwar erheblich mehr Personal im Einsatz, dafür aber in einem überschaubaren Zeitraum. Wir stehen jetzt seit Februar 2020 permanent im Einsatz, aktuell sogar mit 240 Soldaten.

Ist da personell noch mehr drin?
Ja, ich denke schon. Die Bundesregierung hat erst letzte Woche angeboten, dass die Bundeswehr mit 10.000 zusätzlichen Soldaten in der Pandemie aushelfen kann. Im Bereich der Alten- und Pflegeheime wäre dies bei der Schnell-Testung möglich. Das ist natürlich ein zeitlich befristetes Angebot und kann nicht allzu lange aufrecht erhalten werden. Soweit die Hilfeleistungsanträge von den Landkreisen oder dem Gesundheitsministerium kommen, wird auch da sicherlich Personal zusätzlich noch eingesetzt.

Was bedeutet das für die Bundeswehr?
Man muss ja grundsätzlich sagen, dass wir das alles neben unserer eigentlichen Aufgabenstellung leisten. Zum Beispiel war in Burg die Logistik und Lagerung noch ein normales Geschäft. Aber alles andere, wie die Bedienung von Hotlines in Gesundheitsämtern durch unsere Pioniere aus Havelberg, das ist nicht unser Alltag. Dafür sind wir nicht vorbereitet oder ausgebildet. Genau deshalb ist der Einsatz für uns auch so fordernd. Die Einsatzaufträge für die Verbände zum Beispiel in Afghanistan oder Mali laufen weiter, da gibt es keine Abstriche.

Hatten Sie selbst mit Ihren Soldaten schon Probleme durch Quarantäne?
Zum Glück nur vereinzelt. Wir hatten einen Viruseintrag in der Bundeswehrfachschule in Naumburg im Frühjahr. Das konnte durch Homeschooling aber kompensiert werden. Es gab ansonsten nur Einzelfälle in den Verbänden. Das Landeskommando blieb bislang verschont.

Von dem Corona-Einsatz abgesehen. Wie hat sich die Bundeswehr in den letzten viereinhalb Jahren aus Ihrer Sicht im Land verändert?
Wir sind erfreulicherweise wieder mehr Soldaten und Zivilangestellte in Sachsen-Anhalt geworden. Die Bundeswehr hatte in den Jahren 2011/2012 Beschlüsse gefasst, die zu Reduzierungen des Personals geführt haben. Wir hatten deshalb damals das militärische Personal von etwa 5500 auf 4400 heruntergefahren. Diese Reduzierungen sind aufgrund von neuen Struktur-Entscheidungen im Wesentlichen aber wieder aufgehoben oder sogar noch ein Stück weiter umgekehrt worden. Seit 2016 haben wir also wieder einen Aufwuchs von insgesamt 1150 Dienstposten und sind jetzt auf einem Stand über dem von 2011. Das sind Verstärkungen, die sich insbesondere an den Standorten Havelberg, Burg, Weißenfels und im Gefechtsübungszentrum in der Altmark bemerkbar machen. Dadurch sind wir als Arbeitgeber präsenter geworden. Wir liegen mit einem Soldaten auf 400 Einwohner in der Stationierung über dem Bundesschnitt.

Die entscheidende Frage ist, haben Sie eigentlich genug Bewerber?
Die Bewerberlage ist in Sachsen-Anhalt nicht kritisch. Das liegt auch daran, dass die Bundeswehr in Sachsen-Anhalt eine gute Akzeptanz in der Bevölkerung hat.

Aber bei den Reservisten gibt es Probleme?
Ja, das ist so. Da brauchen wir mehr, auch insgesamt in der Bundeswehr. Die Aufgaben, die man auch mit Reservisten erledigen kann, sind größer geworden. Es gibt zusätzliche Herausforderungen, dafür benötigen wir das Personal. Deshalb haben wir ja auch die Initiative Freiwilliges Jahr für Deutschland im Heimatschutz. Im April 2021 kommen die ersten Soldaten im Rahmen dieses neuen Wehrdienstmodells auch bei uns an und wir werden im Landeskommando dann auch Soldaten haben, die hier ihren freiwilligen Wehrdienst absolvieren.

Auf wie viele Reservisten können Sie zurückgreifen?
Wir haben etwa 500 Reservisten beordert. Davon sind etwa 250 für das Landeskommando bestimmt. Wir werden da aber noch wachsen. Ich habe außerdem beantragt, dass wir noch eine zweite Reservisten-Kompanie aufstellen dürfen. Ich hoffe, dass das von unseren Vorgesetzten genehmigt wird.

Welcher Einsatz war für Sie besonders prägend?
Da ist es schwierig, sich auf einen festzulegen. Der Corona-Einsatz ist wie gesagt für uns besonders fordernd. Es ist auch höchst ungewöhnlich, dass ein Hilfeleistungseinsatz mehr als ein Jahr laufen wird. Das ist sicher auch sehr prägend.