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Sachsen-Anhalt Geeignet, erforderlich, verhältnismäßig

Ministerpräsident Reiner Haseloff hat in einer Regierungserklärung die strengen Corona-Regeln verteidigt. Kritik kam von der AfD.

Von Michael Bock 04.11.2020, 00:01

Magdeburg l Die Debatte ist aufgeheizt, sehr emotional, sie dauert fast vier Stunden. „Dass die Lage dramatisch ist, steht außer Zweifel“, sagt der Regierungschef. „Es hat keinen Sinn, jetzt in Vogel-Strauß-Manier den Kopf in den Sand zu stecken und die Existenz des Virus auszublenden. Das bringt das Virus nicht zum Verschwinden. Und es ist auch nicht die Zeit für parteipolitische Ränkespiele, gegenseitige Schuldzuweisungen und Belehrungen.“

Seit Montag gilt auch in Sachsen-Anhalt ein teilweiser Lockdown. Es gibt Kontaktbeschränkungen. Gaststätten müssen zunächst bis zum Monatsende wieder schließen, Hotels dürfen keine Urlauber mehr aufnehmen, Fitness-Studios sind erneut dicht, der Kulturbetrieb muss ruhen. Der Sportbetrieb in allen öffentlichen und privaten Sportstätten ist verboten.

Im Gegenzug sollen alle betroffenen Selbstständigen und Betriebe vom Bund als Entschädigung bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes aus dem November 2019 bekommen.

„Wenn wir jetzt nicht gehandelt hätten, würden wir auf den Intensivstationen bald chaotische Verhältnisse haben. Es würde noch viel mehr Tote geben, und die Ärzteschaft müsste in einer Triage Menschen abweisen, die damit dem sicheren Tod geweiht wären. Diese Schreckensdystopie, die in anderen Staaten bereits Realität ist, wollen und müssen wir gemeinsam verhindern.“ Und: „Ich bedaure die neuerlichen Einschränkungen des öffentlichen wie privaten Lebens sehr“, sagt Haseloff. „Und ich kann den Unmut vieler Menschen verstehen.“ Die verschärften Regeln seien aber „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“.

„Erneut fahren Sie die Wirtschaft vor die Wand.“

Oliver Kirchner, AfD

Insbesondere die AfD geht hart mit Haseloff ins Gericht. „Erneut fahren Sie die Wirtschaft vor die Wand“, schleudert Fraktionschef Oliver Kirchner dem Ministerpräsidenten entgegen. „Das ist unverantwortlich und existenzgefährdend. Ihre Corona-Politik ist falsch und richtet immensen Schaden an.“ Gastronomen und Hoteliers, die alle Hygiene-Auflagen erfüllt hätten, bekämen den Todesstoß versetzt. „Die kritischen Stimmen werden mehr und lauter“, sagt Kirchner. „Der Lockdown muss beendet werden, sofort. Hören Sie auf, der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt das Genick zu brechen.“

Sebastian Striegel (Grüne) reagiert sofort: „Der Kurs der AfD führt geradezu in die Katastrophe.“ CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt wirft der AfD „Untergangsszenarien und Verschwörungstheorien“ vor. „Covid-19 tötet“, sagt SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. Sie hält den Versuch, die zweite Welle über Kontaktbeschränkungen zu brechen, für richtig und wichtig. Pähle fordert, die Gesundheitsbehörden zügig zu stärken. Kritisch geht sie auf die Situation an den Schulen ein: „Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass weder die räumliche Situation noch die Organisation des Unterrichts den Schutz bietet, den wir – Eltern wie Lehrkräfte – erwarten müssen.“

Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann sagt: „Die aktuellen Corona-Maßnahmen sind richtig und kommen eher zu spät als zu früh.“ Die steigenden Infektionszahlen seien beängstigend, auch in Sachsen-Anhalt. „Deshalb ist es notwendig, Kontakte in der Freizeit, in der Familie so weit zu beschränken, dass alle notwendigen Kontakte, also auf Arbeit, in der Schule oder Hochschule, weiter möglich sind. Es ist dabei essenziell, dass alle, die unter den Einschränkungen wirtschaftlich leiden, schnell und unbürokratisch adäquat entschädigt werden.“

Eva von Angern, Fraktionsvize der Linken, sagt, die jüngsten Corona-Entscheidungen seien „sehr hart, teilweise brutal“. Dennoch trete ihre Fraktion den Beschlüssen des Bundes und der Länder „grundsätzlich“ bei. Zugleich kritisiert sie Haseloff, der in der Corona-Krise seine Meinung nach dem Wind drehe: „Sie strahlen Beliebigkeit aus.“ Erneut fordert von Angern, das Parlament an den Corona-Entscheidungen einzubeziehen.