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Sachsen-Anhalt Luftfilter statt Lockdown

Magdeburger Uniklinik-Chef hält jetzt eine Doppelstrategie aus Impfung sowie Tests und Filtern notwendig.

Von Alexander Walter 22.12.2020, 00:01

Das Uniklinikum Magdeburg hat eine Pilotstudie „Pandemiefreie Schule" aufgelegt. Laut Klinikum ist sie aber viel mehr als das. Ihre Maßnahmen seien geeignet, auch Einrichtungen wie Heime, Theater oder Handel lockdownfrei durch die Krise zu bringen, sagt Klinikumschef Hans-Jochen Heinze im Interview mit Alexander Walter.

Die Gurgeltests haben schon begonnen. Wie funktionieren sie?

Die Tests werden von unserem Epidemiologen Christian Apfelbacher eingesetzt, das Projekt wird in einer Kooperation mit Forschern aus Regensburg durchgeführt. Sie liefen vor dem aktuellen Lockdown drei Wochen am Domgymnasium Magdeburg sowie an der Grundschule am Elbdamm. Das Konzept funktioniert so, dass in einer Klasse mit beispielsweise 30 Schülern zweimal pro Woche fünf Schüler zufällig ausgewählt werden, die den Test machen. Die Kinder spülen mit einer Kochsalzlösung und spucken dann in ein Röhrchen. Die Röhrchen kommen zur Auswertung ins Labor. Gibt es ein positives Ergebnis, wird mit aufwändigeren, sogenannten PCR-Tests genauer hingeschaut. Der Vorteil ist, dass man hier mit wenig Aufwand einen Test anbieten kann, der Schüler nicht überfordert und der ein dauerhaftes Bild über das Infektionsgeschehen in Schulen erlaubt.

Gab es Positiv-Fälle?

Bislang nicht. Der Beobachtungszeitraum war mit drei Wochen aber auch nur kurz.

Das Konzept lässt sich übertragen, sagen Sie. Auf welche Bereiche?

Korrekt. Solche Tests ließen sich etwa auch in Heimen leicht realisieren. Unabhängig von der Methode gilt aber vor allem: Wir brauchen ein dauerhaftes Monitoring. Bis alle, die das wollen geimpft sind, müssen wir testen, testen, testen. Die aktuellen, kostenlosen, weil gesponserten, Antigen-Schnelltests unseres Hauses in Magdeburg können da nur ein Anfang sein.

Die zweite Säule sind Luftfilter. Die sind nicht unumstritten. Das Bildungsministerium hat wiederholt auf entsprechende Bewertungen des Umweltbundesamtes hingewiesen.

Das Argument ist immer wieder mal zu hören. Mir ist allerdings nicht klar, warum. Mit modernen Luftfilter-Geräten, die wir verwenden wollen, lässt sich ein Klassenraum in etwa 15 Minuten nahezu aerosol- und damit virusfrei bekommen. Die neue Generation von Geräten, wird dabei als Deckenkonstruktion eingebaut. Sie zieht die Luft direkt nach oben ab. Ein potenziell bedenkliches Abziehen von Aerosolen seitlich durch den Raum - wie es bei auf dem Boden aufgestellten Geräten möglich wäre – entfällt. Ähnliche Filteranlagen setzen wir übrigens auch in unserem Klinikum zum Schutz immungeschwächter Patienten ein.

Wir haben mal in die Unterlagen geschaut, ganz billig wäre die Installation ja nicht. Allein für das Domgymnasium würden laut Ihrer Projektskizze 188 Filtergeräte benötigt. Kosten: rund 329  000 Euro. Rechnet man das auf alle 940 Schulen hoch, käme einiges an Aufwand auf das Land zu ...

Das stimmt. Aber es handelt sich hier um ein Experiment. So viel Technik braucht man sicher nicht in jeder Schule. Vor allem aber muss man sich fragen: Sind die Kosten durch sich immer wieder wiederholende Lockdown-Entscheidungen nicht viel höher? Ich meine Ja. Und: Die Schließung breiter gesellschaftlicher Bereiche über Monate geht ja nicht nur auf Kosten der Bildung. Durch wegfallende Ausgaben von Konsumenten fallen Einnahmen weg, die der Staat mit Milliarden an Steuergeld ausgleichen muss. Die Antwort auf neue Wellen der Pandemie kann daher nicht wieder und wieder nur Lockdown lauten. Ich bin froh, wenn wir unterstützt vom Land, mit der Studie jetzt nachweisen können, wie wirksam Filteranlagen tatsächlich sind.

Sie sagen, Luftfilter-Geräte ließe sich gut auch in anderen Bereichen gut einsetzen. Wo?

Ja, wir glauben Luftfilter könnten etwa auch in Heimen, Theatern, Handel, Fitnesscentern oder Restaurants installiert werden. Bewähren sie sich – wovon wir ausgehen – könnten sie in Kombination mit Schnelltests ein weitgehend normales Leben auch unter Pandemiebedingungen ermöglichen. Und: Selbst, wenn hypothetisch ein Großteil der Bevölkerung im Spätsommer einen Impfschutz gegen das Coronavirus besitzt, bleiben die Filter sinnvoll. Denn Viren werden auch künftig eine Rolle spielen, etwa bei künftigen Grippewellen. Zudem ist unklar, welche Rolle die gerade entdeckte Mutation des Corona-Virus aus England noch spielen wird. Was wir jetzt brauchen ist daher eine Doppelstrategie: mit Impfungen  - ja – parallel aber eben auch mit Schnelltests und physikalischer Vorbeugung durch Filtergeräte.

 

Kommen wir auf nochmal die Schulen zurück: Das Land verweist bei der Anschaffung von Luftfiltern auf die Zuständigkeit der Schulträger. Wie sollen die einen solchen Aufwand koordinieren und bezahlen?

Hier braucht es den Mut des Landes, Entscheidungen auch mal generalstabsmäßig für alle zu übernehmen. Wer Verantwortung in die Regionen abschiebt, macht es sich zu leicht. Schulleiter und Landkreis-Mitarbeiter sind keine Wissenschaftler.