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Sachsen-Anhalt will mit Modell-Öffnungen Infektionen senken

Sachsen-Anhalts Landesregierung hält trotz der hohen Infektionswerte an den versuchsweisen Öffnungen fest - und erklärt, was sie sich davon verspricht. Lehrer und Schüler müssen sich derweil auf vermehrte Tests einstellen.

29.03.2021, 22:01
Jens Büttner
Jens Büttner dpa-Zentralbild

Magdeburg (dpa/sa) - Die schwarz-rot-grüne Landesregierung will trotz der hohen Corona-Zahlen im Land Öffnungen im Rahmen von Modellprojekten zulassen. Das stehe dem Kampf gegen die Pandemie nicht im Wege. "Modellprojekte sind keine Öffnungsprojekte", sagte Haseloff am Dienstag nach einer Sitzung des Landeskabinetts. "Es sind risikominimierende Projekte." Die Landesregierung wolle damit Bereiche, die "in die Illegalität oder Unkontrollierbarkeit" geraten seien, "reinholen in die Transparenz". Von den versuchsweisen Öffnungen verspricht sich die Landesregierung Erkenntnisse über die Effizienz verschiedener Hygienekonzepte und der Nachverfolgbarkeit von Kontakten.

Es nütze nichts, noch weitere Verschärfungen zu fordern. "Wir haben den Lockdown", sagte Haseloff. Aber die Maßnahmen müssten auch punktgenau greifen. Es nütze nichts, Andeutungen zu machen oder Maßnahmen "anzutäuschen", sagte der Ministerpräsident. "Wir brauchen Wirkungstreffer."

Mit der seit Montag gültigen elften Corona-Landesverordnung können Landkreise unter bestimmten Bedingungen in den Bereichen Handel, Gastwirtschaft und Beherbergung Öffnungen im Rahmen von Modellprojekten zulassen. Unter anderem der Harz will davon Gebrauch machen. Am Dienstag stellte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch die Bedingungen für einen Antrag vor. Er vertrat Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD), der wegen einer Warnung der Corona-App nach der vergangenen Bundesratssitzung in Quarantäne ist.

Die Modellöffnungen sind demnach nur möglich, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 200 liegt. Übersteigt sie den Wert an fünf Tagen nacheinander, will das Land die Genehmigung für die Projekte zurückziehen. Die Gesundheitsämter müssen die Lage und den Hygieneplan der Antragsteller außerdem absegnen, bevor er eingereicht wird. Bedingung ist weiterhin die elektronische Nachverfolgbarkeit der Kontakte. Dazu stellt die Landesregierung in den kommenden Wochen kostenlos die Luca-App zur Verfügung, wie Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) am Dienstag ankündigte.

Mit der App können Gäste anonym in Restaurants oder anderen Zielen einchecken. Tritt dort eine Infektion auf, soll das Gesundheitsamt die Kontakte schneller und sicherer nachverfolgen können, als etwa mit ausliegenden Listen.

Willingmann begrüßte in einer Mitteilung die Öffnungen, mahnte aber zur Vorsicht. "Angesichts der steigenden Infektionszahlen auch in Sachsen-Anhalt bin ich hinsichtlich des Starts erster Modellprojekte unmittelbar nach Ostern jedoch skeptisch", teilte Willingmann mit. "Nach wie vor besteht unser oberstes Ziel in der Pandemie darin, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten." Die Beurteilung der Gesundheitsämter sei daher von erheblicher Bedeutung.

Unterdessen ist die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle im Land nach Angaben des Sozialministeriums binnen eines Tages um 398 - im Vergleich zum Montag - gestiegen. Damit liege die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen in Sachsen-Anhalt bei 72 595 (Stand: 30. März, 13:44 Uhr). Derzeit sind den Angaben nach 95 Intensiv- und Beatmungsbetten mit Covid-19-Patienten belegt, davon müssen 47 Menschen beatmet werden. Acht weitere Menschen sind an oder mit dem Coronavirus gestorben, insgesamt seit Ausbruch der Pandemie 2735. Die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Dienstag nach Angaben des Landes bei 172,73 nach 173,6 am Montag.

Neben den Modellversuchen beriet das Kabinett am Dienstag auch das weitere Vorgehen in Sachen Schule, Impfen und Testen. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) kündigte eine Testpflicht an Schulen ab dem 12. April an. Schüler und Lehrer sollen sich dann zwei mal wöchentlich testen lassen, oder das Schulgelände nicht mehr betreten dürfen. Die Tests stellt das Land bereit. Schließungen seien zunächst kein Thema in Sachsen-Anhalt: "Das klare Signal heißt erstmal: Die Schulen bleiben geöffnet."

Haseloff sprach sich darüber hinaus für eine Testpflicht auch in Unternehmen aus. Er sei froh, dass der Burgenlandkreis eine solche für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern schon durchgesetzt hat, ohne erst auf den Bund zu warten. Der könne etwa im Arbeitsschutz viel mehr regeln, als er es bisher tue. "Wenn der Bund alle Optionen, die er hat, ziehen würde, hätten wir keine Diskussion", sagte der Chef der Magdeburger Kenia-Koalition. "Ich hab der Kanzlerin Mut gemacht, das, was sie schon kann, offensiv zu machen."

Am Abend beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, dass der Impfstoff von Astrazeneca ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden solle. Unter 60-Jährige sollen sich "nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung" weiterhin damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen. Unter anderem Berlin und Brandenburg hatten die Nutzung am Dienstag schon davor wegen neuerlicher Bedenken zur Sicherheit auf über 60-Jährige beschränkt.

Grimm-Benne hatte zuvor erklärt, Sachsen-Anhalt werde zunächst abwarten, ob die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlungen bei einer Runde der Gesundheitsminister der Länder am Abend ändere. Bis dahin sollte es kein landesweites Moratorium geben.

Die Stiko empfiehlt eine Corona-Impfung mit Astrazeneca nur noch für Menschen über 60 Jahren, wie die Expertengruppe am Dienstagabend mitteilte. Zur Zweitimpfung von Menschen, die bereits die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, will die Stiko bis Ende April eine Empfehlung abgeben.

© dpa-infocom, dpa:210330-99-26787/5