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Schifffahrt Über den Mittellandkanal verbunden

Das Schiffshebewerk Magdeburg und die Schleuse Niegripp wurden vor 80 Jahren eröffnet. Anlass genug, einmal näher hinzuschauen.

Von Jens Schmidt 28.10.2018, 01:01

Magdeburg l Es ist ein bisschen wie im Flughafen-Tower. Turm, große Glasscheiben, Tische voller Bildschirme, Computer. Vom Leitstand an der Schleuse Rothensee hat man einen herrlichen Blick auf Kanal, Technik und Schiffe. Hier werden die Schleusen Rothensee und Niegripp sowie die Niedrigwasserschleuse im Magdeburger Hafen gesteuert und überwacht. Nachts kommt noch die Schleuse Hohenwarthe hinzu - tags machen das Kollegen vor Ort.

Noch etwas mehr sieht Lars Schüler, der Schichtleiter. Über neun Kameras beobachtet er die Schleuse Rothensee. Ein Schubverband schleicht vorsichtig in die Kammer. Er kommt aus Genthin, will nun runter in den Verbindungskanal und weiter in den Hafen. Gleich geht es gut 17 Meter abwärts. Doch der Verband hat Probleme, in der Schleuse in die richtige Position zu kommen. Er muss an die Poller. An denen muss er festmachen, um an ihnen hinabzugleiten. „Der Westwind drückt“, sagt Lars Schüler. Mit Motorkraft und Erfahrung bugsiert der Schiffsführer den Verband schließlich in die korrekte Position. Erst jetzt kann der Schichtleiter die Ampel auf Grün stellen. Geht alles per Mausklick. Etwa 20 Minuten später ist das 111 Meter lange Gefährt unten. Platz wäre für 185 Meter. Früher im alten Schiffshebewerk hätte das eine Ewigkeit gedauert. Da war weniger Platz. Da mussten Verbände auseinandergekoppelt werden.

Kaum ist der Schubverband unten, wartet dort ein Güterschiff. Das will hoch in den Kanal. Weizen soll nach Bramsche bei Osnabrück. Ist er oben, muss der Schiffsführer noch in den Leitstand „Maut“ zahlen. Da sind ein paar Scheine fällig. Für ein Güterschiff voll beladen mit Getreide und eine Fahrt bis zum Ende des Mittellandkanals in Nordrhein-Westfalen wären etwa 2000 Euro fällig. Gab es schon Zechpreller? Der Schichtleiter schüttelt den Kopf. Hätte auch nicht viel Zweck. Dann würde er die Kollegen an der nächsten Schleuse in Sülfeld bei Wolfsburg informieren. Spätestens da wäre die Fahrt zu Ende.

Beide Kanäle sollten schon in den 1940er Jahren über eine Trogbrücke verbunden werden. Pfeiler standen schon; doch 1942 würgte der Krieg den Bau ab. Erst 50 Jahre später kam wieder Schwung in die Sache.

1991 wurde der Kanal-Ausbau als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit beschlossen. 2003 öffnete die Trogbrücke bei Magdeburg. Fortan können die Schiffe direkt vom Mittelland- in den Elbe-Havel-Kanal fahren.

2013 erhielt der Magdeburger Hafen seine Niedrigwasserschleuse - damit bietet er ganzjährig genügend Wasser und ist unabhängig von der launischen Elbe. Das macht sich dieses Jahr bemerkbar: Wegen der Trockenheit können schon seit Monaten keine Frachtschiffe mehr auf der Elbe in Richtung Magdeburg und Dresden fahren.

Seit 2016 ist der Mittellandkanal durchgehend für Großschiffe ausgebaut und bietet 2,80 Meter „Abladetiefe“. Dennoch hinken die Frachtzahlen den einstigen Erwartungen weit hinterher. Anfang der 90er Jahre rechneten die Planer für die Schleuse Hohenwarthe noch mit 19 Millionen Tonnen Gütern pro Jahr. Mittlerweile wurde die Prognose auf 5 Millionen Tonnen abgesenkt.

In den vergangenen Jahren wurden an der Schleuse Rothensee um die 3,5 Millionen Tonnen registriert. An der Schleuse Hohenwarthe sind es 3,5 bis 4 Millionen Tonnen. Eine Ursache: In Berlin werden deutlich weniger Schiffsgüter umgeschlagen als früher. Waren es 1993 noch 9 Millionen Tonnen, so ging das im Laufe der Jahre auf gut 3,5 Millionen Tonnen zurück.

Um den Schiffsverkehr anzukurbeln, sollen die Wasserstraßen in Richtung Polen mit seinen Häfen in Stettin und Swinemünde ertüchtigt werden. Der Elbe-Havel-Kanal bietet ab 2022 auch 2,80 Meter Tiefe. Danach folgt der Ausbau der Havel-Oder-Wasserstraße bis Schwedt.