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Schulöffnung Neustart mit Auflagen

Ab 23. April öffnen die Schulen in Sachsen-Anhalt - trotz Corona - schrittweise. Minister Marco Tullner über Hygieneregeln und Prüfungen.

Von Alexander Walter 18.04.2020, 01:01

Volksstimme: Herr Tullner, ab Donnerstag startet die Schule wieder, zunächst für Abschlussklassen. Eine verantwortbare Entscheidung?
Marco Tullner:
Ja, denn die Vorgaben des Infektionsschutzes werden natürlich gewährleistet. Wir beginnen mit den Prüfungsvorbereitungen für die Abschlussklassen, damit reguläre Abschlüsse im Interesse der Schüler möglich sind. Ich werbe hier für einen gesunden Pragmatismus und die richtige Balance.

Was heißt das?
Bei mancher Wortmeldung dieser Tage könnte man den Eindruck gewinnen, da sitzt jemand zu Hause in einer absolut keimfreien Umgebung, die Schulen aber wären mittelalterliche Keimschleudern. Das sind sie natürlich nicht. Wir hatten auch bisher Mindestmaßstäbe für Hygiene. Es gibt Waschbecken, Räume werden gelüftet und gereinigt, zudem sichern wir das Abstandsgebot ab.

Der Sekundarschulverband berichtet von Schulen, die nicht einmal über Warmwasser verfügen, geschweige denn über Desinfektionsmittel ...
Wir können jede Schule dank der Hilfe von Sozialministerin Grimm-Benne mit einer Grundausstattung an Desinfektionsmitteln und Masken ausrüsten. Die Bundeswehr wird das Material verteilen. Für diese Zusammenarbeit bin ich sehr dankbar. Im Übrigen beginnen zunächst nur die Abschlussklassen, räumliche Trennungen sind da kein Problem. Die Schulträger bekommen zudem bis Donnerstag Zeit, sich auf den Unterricht vorzubereiten.

Gibt es zentrale Vorgaben, wie die Schulen die Hygieneauflagen umzusetzen haben?
Wir haben alle Schulleiter schriftlich informiert, darunter auch die freien Träger. Die Einrichtungen sind angehalten, für die Einhaltung der Auflagen zu sorgen, etwa durch Abstandhalten, getrenntes Einlassen, Händewaschen und Lüften. Die genaue Ausgestaltung ist aber Sache der Schulen und Schulträger. Die kennen ihre Bedingungen am besten.

Wird es eine Maskenpflicht geben?
Nein, die gibt es auch für andere Bereiche derzeit nicht, sie ließe sich schon wegen des Mangels an Schutzmaterial kaum realisieren. Zudem geht es aus meiner Sicht an der Lebensrealität in den Klassenzimmern vorbei.

Wie wollen Sie Risikogruppen schützen? Zwei Drittel der Lehrer sind älter als 50 ...
Wenn ich die Zugehörigkeit zur Risikogruppe allein über das Alter definiere, bräuchte ich die Schulen gar nicht öffnen. Wir werden es so handhaben: Kollegen, die zum Kreis gefährdeter Personen gehören, legen ein ärztliches Attest vor. Dann entscheiden Schulleiter und der betreffende Kollege, wie weiter zu verfahren ist.

In Nordrhein-Westfalen haben Schüler Ihrer Amtskollegin Yvonne Gebauer erklärt: Schulöffnung hin oder her, sie blieben zu Hause, um vorerkrankte Angehörige nicht zu gefährden.
Mit diesem Thema müssen wir sensibel umgehen. Deshalb haben wir Schülern etwa im Abitur zwei Prüfungstermine angeboten. Ein Nachschreibetermin wäre nach den Ferien vorhanden. Grundsätzlich haben wir eine Schulpflicht. In der aktuellen Lage wird es aber sicher keine Sanktionen geben. Die Prüfungsvorbereitung ist ganz im Interesse der Schüler.

Initiativen fordern, statt auf Prüfungen zu pochen, das Abitur und andere Abschlüsse mit dem Durchschnitt vergebener Noten zu werten.
Davon halte ich nichts. Ja, wir haben verkürzte Vorbereitungszeiten. Aber ich will, dass unsere Schüler mit ihrem Abschluss alle Chancen haben. Österreich hat bereits erklärt, sollte unser Abitur auf Basis erteilter Durchschnittsnoten gewertet werden, werde man die Anerkennung fürs Medizinstudium infrage stellen. Das will ich verhindern. Ein „Corona-Abitur“ wird es mit mir nicht geben.

Steht die Wertung des Schuljahres insgesamt infrage?
Von 40 Schulwochen hatten wir jetzt vier Wochen, in denen es keinen Präsenzunterricht gab. Die Basis für eine Benotung ist damit vorhanden. Das gilt sowohl für die Lehrplanziele als auch für die vergebenen Zensuren. Wir wollen den Schulen allerdings ermöglichen, in den Pfingstferien freiwillige Angebote zu unterbreiten, falls sie Stoff nachholen wollen. Eine Pflicht wird es auch dafür aber nicht geben.

Wie wollen Sie mit dem Schülerverkehr umgehen?
Da ist mein Kollege, Verkehrsminister Thomas Webel, im Gespräch mit den Schulträgern. Meiner Ansicht nach sollten wir da am Anfang keine Probleme kriegen. Wie gesagt, es beginnen zunächst wenige Schüler. Die Schulbusse sind groß genug.

Trotzdem begegnen sich Schüler, viele werden sich freuen, Freunde wiederzusehen ...
Hier kann man nur an die Verantwortung älterer Schüler appellieren, sich an die Hygieneregeln zu halten. Das gilt auch außerhalb von Schule, generell.

Ab 4. Mai sollen auch die Abschlussklassen 2021 starten, wie geht es danach weiter?
Ich bin der Ansicht, wir müssen in absehbarer Zeit wieder in einen normalen Modus kommen, gerade, weil auch Eltern jetzt wieder verstärkt anfangen zu arbeiten. Wir können nicht ein Jahr warten, bis ein Impfstoff vorliegt. Deshalb würden wir gern ab 4. Mai auch die vierten Klassen wieder beschulen, danach weitere. Hier müssen wir uns allerdings mit dem Pandemiestab des Sozialministeriums abstimmen. Bei all dem werden wir sensibel vorgehen. Steigen die Infektionszahlen, müssen auch wir wieder umsteuern. Wir begreifen uns da selbst auch als lernendes System. 

Wie würden Sie die Hygieneregeln in quirligen Grundschulklassen gewährleisten wollen?
Auch hier gelten natürlich Auflagen, wie Händewaschen und Lüften. Mir fehlt allerdings die Phantasie, wie man Grundschulkinder dauerhaft von einem normalen Kontaktverhalten abhalten will. Deshalb fahren wir jetzt zuerst die Abschlussklassen hoch und schauen. Erlauben es die Zahlen, folgen die jüngeren Schüler. Je mehr wir zur regulären Öffnung zurückkehren, desto stärker wird sich aber auch der Schulalltag normalisieren. Daran führt kein Weg vorbei.