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Schulöffnung Zu hohes Risiko, zu wenige Lehrer

In Sachsen-Anhalt wird Kritik am Beschluss laut, die Schulen nach den Ferien wieder regulär zu öffnen. Eltern fordern einen Plan B.

Von Alexander Walter 23.06.2020, 01:01

Magdeburg l Bei Lehrern, Eltern und Schülern im Land wächst die Skepsis gegen die von den Ländern beschlossene Rückkehr der Schulen zum Regelbetrieb nach den Ferien. „Das Land wird kaum absichern können, dass Lehrer und Schüler gesund bleiben“, sagte Thomas Gaube, Chef des Gymnasiallehrerverbands, der Volksstimme.

Schülerrats-Vorsitzender Felix Schopf warnte vor voreiligen Schlüssen der Länder. „Auch nach den Ferien sollten aktuell praktizierte Wechsel-modelle aus Heim- und Präsenzunterricht beibehalten werden, um Sicherheitsabstände zu ermöglichen“, sagte er.

„Das Beispiel Magdeburg zeigt, dass die Ausbreitung von Corona sehr schnell gehen kann“, warnte Eva Gerth, Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW. Schulen seien ein möglicher Infektionsherd. In Magdeburg war es in den vergangenen Tagen zu einem Ausbruch von Corona-Infektionen vor allem in Roma-Familien gekommen. Die Stadt hatte vorsorglich auch elf Schulen geschlossen.

Die Fälle reihen sich ein in eine Serie lokaler Ausbrüche: Zuletzt hatte es Hunderte Neuinfektionen in Berlin und gut 100 in Göttingen gegeben. In einem Schlachthof im Landkreis Gütersloh infizierten sich 1553 Mitarbeiter. Israel, das zunächst als vorbildlich bei der Corona-Eindämmung galt, meldete am Wochenende nach umfassenden Lockerungen 300 Neuinfektionen pro Tag. Das entspricht gut der Hälfte der Fallzahlen in Deutschland (gestern +537) – bei einem Zehntel der Einwohner. Als Infektionsquelle erwiesen sich Schulen. Rund 40 Prozent der Neuinfizierten waren Kinder.

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: „Das zeigt, wie unwahrscheinlich es ist, dass im Herbst Unterricht mit 30 Kindern je Klasse durchzuhalten ist.“ Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) äußerte sich skeptisch gegenüber frühen Festlegungen.

Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagte, er halte den Beschluss der Kultusminister in Anbetracht der allgemeinen Infektionslage für richtig. Beschlossen hatten die Minister die Rückkehr der Schulen zum Regelbetrieb, inklusive Wegfall des Mindestabstands von 1,5 Metern. Das Lernen soll in festen Gruppen erfolgen. „Klar ist, dass die Abstandsregelungen wegfallen müssen“, sagte Tullner. Hygienemaßnahmen blieben aber notwendig.

Die Situation in Magdeburg zeige, dass der eingeschlagene Weg von allgemeinen Schließungen hin zu lokalen Entscheidungen richtig sei. Letztlich seien alle Pläne abhängig vom Infektionsgeschehen. Tullner verwies auch auf Gespräche über eine Ausweitung von Corona-Tests an Schulen.

Der Neustart des Regelbetriebs könnte indes von einem weiteren Faktor erschwert werden: Wegen des hohen Altersdurchschnitts der Lehrer (68 Prozent sind älter als 50) besitzen rund 1300 Pädagogen (fast 10 Prozent) ein ärztliches Attest. Heißt: Sie unterrichten meist von zu Hause aus. Landeselternrats-Chef Matthias Rose forderte angesichts der Unsicherheiten einen Plan B: Es müssten Voraussetzungen geschaffen werden, damit zumindest Oberstufenschüler im Notfall garantiert an Video-Unterricht teilnehmen können.

Gymnasiallehrer-Verbandschef Gaube geht noch weiter: Er forderte die IT-Ausstattung rasch und massiv zu verbessern. Alle Schüler und Lehrer müssten ein Endgerät erhalten. Notwendig sei auch eine landesweit einheitliche E-Lernplattform. Sollte es im Herbst viele Corona-Fälle geben, werde man auf Digitalunterricht angewiesen sein.