Nach dem Skandal um verseuchtes Obst aus China wechseln nun erste Kitas den Essenanbieter Sodexo hadert mit dem Erbe der Erdbeere
Der Skandal um virenverseuchte Tiefkühlerdbeeren aus China im Kita- und Schulessen im Herbst 2012 bewegt im Land noch immer die Gemüter. In Magdeburg haben deshalb die ersten Kitas den Essenanbieter gewechselt.
Magdeburg l Es war laut Robert-Koch-Institut der größte durch Lebensmittel verursachte Ausbruch einer Magen-Darm-Krankheit, den es je in Deutschland gegeben hat: Im Herbst 2012 wurden 11000 Kinder und Jugendliche in Ostdeutschland krank, nachdem sie mit Noroviren verseuchten Nachtisch des Caterers Sodexo gegessen hatten. Auslöser waren tiefgekühlte Erdbeeren aus China, die ein Zwischenhändler dem Rüsselsheimer Unternehmen geliefert hatte.
Sachsen-Anhalt ist laut Gesundheitsministerium mit 173 Fällen glimpflicher davongekommen als andere Ost-Bundesländer (Zahlen siehe Infokasten). Dennoch gab es vereinzelte Erkrankungshäufungen in der Landeshauptstadt, dem Landkreis Börde und im Harz. In Magdeburg haben nun die ersten Kitas Konsequenzen aus dem Skandal gezogen, zum Beispiel die Doppelkita "Wunderland/Klettermax". Sie wechselt zum 1. April den Essenanbieter und kehrt Sodexo den Rücken, wie eine Sprecherin des Trägers Stiftung ev. Jugendhilfe St. Johannis Bernburg bestätigte. Anstoß für den Wechsel gab das dortige Elternkuratorium. "Der Vorfall mit den Erdbeeren war ein Auslöser", so ein Kuratoriumsmitglied. Außerdem seien Eltern von Kindern mit Lebensmittelallergien unzufrieden mit dem Sodexo-Angebot gewesen.
Volksstimme-Informationen zufolge planen ca. zehn weitere Kitas im Raum Magdeburg den Wechsel oder haben ihn bereits vollzogen - die Masse der Kitas und Schulen im Land bleibt Sodexo jedoch treu. Sodexo-Sprecher Stephan Dürholt wusste auf Volksstimme-Nachfrage von keiner Einrichtung, die aufgrund der Erkrankungen den Vertrag vorzeitig aufgelöst habe.
"Wir wussten nicht, dass die Erdbeeren aus China kommen."
Ein juristisches Nachspiel hatte der Vorfall für Sodexo nicht. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt stellte das Verfahren ein, Begründung: Es sei kein Verschulden der Firmenzentrale ersichtlich. Sodexo hätte die Erdbeeren nicht in China geordert, sondern bei einem deutschen Unternehmen für Tiefkühlkost gekauft, sagt Dürholt. "Wir wussten nicht, dass die aus China kommen."
Die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten sei beendet worden, so Dürholt zur Volksstimme. Das Unternehmen will künftig nicht nur Lieferanten, sondern auch Hersteller prüfen. Experten sind sich mittlerweile einig, dass der Norovirenbefall jedem Anbieter hätte passieren können - auch denen aus der Region. Geblieben ist ein halbes Jahr nach dem Skandal neben dem enormen Imageschaden für Sodexo eine anhaltende Diskussion über Preis und Qualität des Kita- und Schulessens unserer Kinder. "Wir haben aus DDR-Zeiten noch eine gute Versorgungsstruktur in Sachsen-Anhalt", weiß Melanie Nitschke von der Landesvereinigung für Gesundheit. Doch die Qualität des Essens sei durchwachsen.
2009 habe der Durchschnittspreis für ein Essen in Sachsen-Anhalt bei 1,87 Euro gelegen, weiß Nitschke. Billiger kocht man nur in Thüringen. Gleichzeitig ist der Preisdruck auf dem Markt der Essenanbieter hoch - bei 2 Euro Essenpreis blieben dem Anbieter nur 60 Cent für den Warenkauf. Für ein hochwertiges Essen reiche das nicht, sagen Nitschke und auch Sodexo-Sprecher Dürholt. Der Berliner Senat schraubte den Preis für ein Schulessen deshalb per Beschluss ab Februar 2014 von 1,98 auf 3,25 Euro - bezahlen müssen das jedoch die Eltern.
Denen rät Melanie Nitschke, das Gespräch mit dem jeweiligen Caterer zu suchen. Für veränderte Menüs mit weniger Fleisch und mehr Rohkost gebe es in jedem Fall Spielraum. "Und die Familien müssen auch mitziehen", so Nitschke. Denn es sei kein Wunder, dass der Nachwuchs Vollkornnudeln und vegetarische Würste verschmähe, wenn sie zu Hause nie auf den Tisch kämen. Seite 5