Zast Halberstadt Sorge um Flüchtlinge in Zelten
Dauerregen, nächtliche Temperaturen in Gefrierpunktnähe - die Situation in der Zeltstadt für Flüchtlinge in der Zast spitzt sich zu.
Halberstadt/Magdeburg l Eigentlich ging es um den Nachtragshaushalt. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) hielt am Donnerstag im Landtag aber auch eine emotionale Rede zu den Herausforderungen der Flüchtlingskrise. Viel Applaus erntete er für den Satz: „Bis Ende nächster Woche dürfen die Flüchtlinge nicht mehr in Zelten wohnen, sondern brauchen ein festes Dach über dem Kopf.“
Die Wirklichkeit in der Halberstädter Erstunterkunft Zast sieht freilich anders aus – in doppelter Hinsicht, wie eine Stippvisite am Donnerstag ergab. 16 Häuser sollen dort gebaut werden. In der Mehrzahl wurden noch nicht einmal die dafür vorgesehenen Betonfundamente gegossen. Alternativen für Zeltunterkünfte wird es in größerem Umfang in der Zast erst im Dezember geben.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Unterbringungswirklichkeit in den Zast-Zelten besser als ihr Ruf ist. Derzeit leben etwa 800 Menschen in Zelten. Alle Zelte waren am Donnerstag belegt, aber nicht überfüllt.
Es gibt zwei verschiedene Zeltarten. Die beheizten doppelwandigen Bundeswehrzelte mit Holzfußboden sind wintertauglich. Ein „Zeltgefühl“ kommt dort innen kaum auf.
Selbst die einfachen Quartier-Zelte sind nicht mit Campingplatz-Zelten vergleichbar. Ihre dicken Planen sind mit Bigpack-Sandsäcken robust abgespannt. Die Unterkünfte werden rund um die Uhr mit Heißluft-Aggregaten auf Temperaturen deutlich über 20 Grad Celsius geheizt. Es ist auch in der Nacht trocken und keineswegs eiskalt in diesen Zelten, in denen zwischen 15 und 20 Personen auf Feldbetten schlafen.
Problematisch war bisher in der Zast, dass es außerhalb der Gebäude, Container und Zelte bei Regen keine Unterstellmöglichkeiten gab. Gleich mehrere Freidächer wurden in den vergangenen drei Wochen gebaut. Vor allem vor dem Gebäude der Erstregistrierung finden die Menschen nun unter einem etwa 100 Quadratmeter großen Freidach Schutz.
Trotzdem wird in Halberstadt auf Hochtouren nach Alternativen für die Zeltunterbringung gesucht – außerhalb des eigentlichen Zast-Geländes. So könnte ein seit zwei Jahren leerstehender Praktiker-Baumarkt in Frage kommen. Das Land denkt, wie Finanzstaatssekretär Jörg Felgner bestätigte, über eine Anmietung nach. „Wir schauen uns im Moment die Rahmenbedingungen an“, so der SPD-Mann.
Das gelte auch für andere Objekte, die Eigentümer dem Land für die Flüchtlingsunterbringung angeboten haben. Auch ungenutzte Supermärkte oder Landesliegenschaften stünden auf einer Prüfliste. Staatssekretär Felgner drängt aufs Tempo: „Ich will am kommenden Dienstag die Kabinettsmitglieder über die Ergebnisse unterrichten.“
Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) setzte in der Zast auf Wohncontainer-Erweiterungen. Das Land hatte im Sommer Container für 588 Personen geordert. Doch der Aufbau kommt nur schleppend voran. Der Grund sind Lieferengpässe, weil im ganzen Bundesgebiet Container für Flüchtlinge nachgefragt sind, wie Felgner bestätigt. „Der Anbieter hat die Fristen nicht eingehalten.“ Deshalb setzt das Land nun auf feste Holz-Wohnhäuser, die am Rand des Zast-Geländes entstehen. Drei Häuser errichtet die Ströbecker Zimmerei Adams. „Wir arbeiten an sechs Tagen pro Woche“, berichtet Firmenchef Gordon Adams. „Das erste Haus ist fast fertig, bis Anfang November stehen alle drei.“
Bisher hatte das Land in der Zast 16 Holzhäuser errichten wollen, in denen es jeweils zehn Wohnungen für fünf Personen gibt. Es könnten aber auch noch mehr werden. Die prognostizierten Flüchtlingszahlen wurden kürzlich aufgestockt. „Wir erweitern, was flächenmäßig möglich ist.“ Problem: Viele Handwerker sind auf Monate mit Aufträgen ausgelastet, mitunter gibt es sogar Materialengpässe. Der ursprüngliche Plan, die 16 Häuser – hinzu kommen Bauten mit Sanitäreinrichtungen – bis Ende Oktober fertig zu haben, ist deshalb bereits Makulatur. „Wir peilen jetzt das Jahresende an“, sagt Felgner.