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Stiller Sommer Clubs in der Corona-Krise

Die Folgen der Pandemie treffen Sachsen-Anhalts Clubs und Diskos besonders hart. Noch immer haben sie keine Aussicht auf Wiederöffnung.

Von Alexander Walter 22.06.2020, 01:01

Magdeburg l Fast wirkt es, als sei alles wie immer in der „Datsche“. An diesem Vormittag im Juni sind sie am Vorbereiten. Helfer polieren Holzdielen auf der Tanzfläche, aus gläsernen Kühlschränken scheint über den Tresen Neonlicht herüber. Es ist, als stünde noch am selben Abend wieder ein Event an. 

Der Eindruck aber täuscht: Wegen der Corona-Pandemie steht das Leben im Club nun schon seit einem Vierteljahr nahezu still. Und: Ein Ende der Flaute ist nicht in Sicht. Gerade erst hat die Politik angekündigt, dass Großveranstaltungen mit hoher Besucherdichte, wie Discos, bis mindestens Ende Oktober verboten bleiben.

Für die „Datsche“ im Magdeburger Stadtteil Buckau sind das schlechte Nachrichten. Sie gilt als einer der angesagtesten Freiluft-Clubs der Landeshauptstadt. Pavillons, Swimming-Pool, Rasenflächen, Tischennisplatte machen die Disco im Sommer zu einer Art riesigem Spielplatz für Besucher. Vor Corona strömten hier zwischen Juni und September wöchentlich Hunderte zu den Electro-Beats des „Sonntagsbums“ oder besuchten Open-Air-Konzerte. Die Musiker Clueso und Trettmann waren schon da. Jetzt ist selbst die zum Club gehörende Indoor-Disko „Kunstkantine“ geschlossen.

Die Inhaber Frithjof Virkus und Christian Goral sind froh, dass seit Ende Mai zumindest ihr Biergarten öffnen darf. „Damit haben wir wenigstens die Möglichkeit, die laufenden Kosten zu decken“, sagt Virkus.

Dass der tägliche Biergartenbetrieb nicht annähernd erreicht, was ein üblicher „Sonntagsbums“ einspielt, lässt sich aber schon an der begrenzten Zahl der Tische erahnen. „All das reißt rein. Es fehlen Einnahmen und mit den Pflichtbögen zur Datenerfassung unserer Besucher haben wir zusätzlichen Aufwand“, sagt Christian Goral. 

Die Corona-Soforthilfe für Unternehmen hat die Magdeburger über die ersten Monate gerettet. „Bis Anfang Juni hat uns das geholfen, aber jetzt ist das Geld aufgebraucht“, sagt Virkus. Zum ersten Mal während des achtjährigen Bestehens der „Datsche“ sind die Gründer auf Hilfe des Jobcenters angewiesen.

So wie der „Datsche“ geht es vielen Discos und Clubs im Land, sagt Michael Schmidt, Präsident des Gaststättenverbandes Dehoga. Viele Besucher auf wenig Raum – das macht das Konzept von Discos aus. „Genau das aber ist in Corona-Zeiten eben nicht möglich“, sagt Schmidt. Gemeint sind die Abstands- und Hygieneauflagen. Der Dehoga-Präsident rechnet damit, dass mittelfristig, ähnlich wie in der der Gaststättenbranche, rund ein Drittel der Discos und Clubs der Corona-Krise zum Opfer fallen könnte.

Äußerlich betrachtet trifft es Clubs dabei sogar noch härter als andere Gastbetriebe. Während Restaurants bereits seit 18. Mai und Bars seit 28. Mai wieder öffnen dürfen, schauen Discobetreiber, die nur auf Events setzen, weiter in die Röhre. 

Auch im „Ars Vivendi“ in Wernigerode setzt die Tanzfläche Staub an. Mit der Schließung der Discotheken ist die Haupteinnahmequelle für die Clubbetreiber Daniel Coo und Clint Montag weggefallen. „Auch wir haben Soforthilfe bekommen, aber die ist in diesem Monat aufgebraucht“, sagt Daniel Coo. Aussicht auf Besserung sieht er nicht. Zwar stehe ein zweites Soforthilfe-Paket im Raum. Doch wie, wann und wie viel Geld es geben soll, sei in der Schwebe.

Nicht nur Discos trifft die Krise. Auch DJs, die mit ihrer Musik Herz und Seele vieler Clubs bilden, kämpfen ums Überleben. Einer von ihnen ist DJ Olly P. (Oliver Van Pelt) aus Schönhausen bei Tangermünde. Seit 34 Jahren legt er auf, zuletzt im „Eve“ – einem Club für Musik der 70er und 80er Jahre in Hannover.

Nun ist er arbeitslos. Er lebe von Ersparnissen und der Unterstützung der Familie, erzählt er. Wenn es so bleibt, werde er sich wohl beim Arbeitsamt melden müssen. Seinen Job an den Nagel gehängt hat Van Pelt deshalb nicht. Für seine Stadt hat er nach dem Vorbild eines Bekannten den „Stream Club Tangermünde“ gegründet. Besucher können seine Konzerte dabei im Internet virtuell besuchen. „Wenn die Leute nicht zu uns kommen können, dann kommen wir eben zu ihnen nach Hause“, sagt Van Pelt. Einnahmen erzielt er daraus zwar nicht. Trotzdem mache er das gern, betont der DJ. Denn: Musik sei sein Leben – ohne die gehe gar nichts.

Frithjof Virkus von der „Datsche“ sieht das weniger gelassen: „Als DJ brauche ich den Austausch mit dem Publikum“, sagt der 39-Jährige. Von Beginn an hat er in der „Datsche“ auch als DJ aufgelegt. „Ein virtuelles Konzert ist doch ziemlich entzaubernd. Man bleibt zwar im Gespräch, erwirtschaftet aber nichts“, sagt er. Auch von einer virtuellen Hutkasse, wie von anderen Clubs praktiziert, halten die „Datsche“-Betreiber wenig: „Wir wollen keine Almosen“, sagt Virkus. Das sieht auch Daniel Coo vom „Ars Vivendi“ so.

Was aber dann? Im Notfall, könnte Daniel Coo sich vorstellen, zu einem Crowd-Funding zu Gunsten seines Clubs aufzurufen. Der „Bauernclub“ in Halle etwa hat das getan. Fans haben dem seit 1972 bestehenden Studentenclub an der landwirtschaftlichen Fakultät der Uni dabei bereits mehr als 9500 Euro zugesagt. Mit dem Geld sollen laufende Kosten wie Miete, Strom und Lohn der Mitarbeiter bezahlt werden. 

Frithjof Virkus und Christian Goral wollen es vorerst weiter aus eigener Kraft versuchen. Dafür richten sie an diesem Vormittag auch den Biergarten her. Wenn es optimal läuft, könnte das Jahr mit „plus, minus null“ ausgehen, sagt Virkus. Sicher aber sei das nicht. Sorgen macht beiden, wie es nach Corona weitergeht. Die Befürchtung: Die Gewohnheiten der Besucher könnten sich über Corona hinaus ändern. Mit dem täglich öffnenden Biergarten will sich der Club zumindest in Erinnerung und die Gäste durch den konzertlosen Sommer bringen.