Sigrun Pfeifer muss sich mit rund 650 Euro Rente durchschlagen. Von Matthias Fricke Studiert, ein Leben lang gearbeitet, um in Altersarmut zu landen
Sigrun Pfeifer hat studiert, ist Diplom-Wirtschaftlerin, hat fast ihr ganzes Leben lang gearbeitet, um nun in Altersarmut abzurutschen. Sie muss mit 650 Euro netto Erwerbsminderungsrente auskommen, in vier Jahren sieht ihre Regelrente nicht besser aus.
Magdeburg l Obwohl die 61-jährige Sigrun Pfeifer sehr gerne Bücher liest, ins Theater gehen würde oder etwas unternehmen möchte - sie kann das alles nicht. Im Gegenteil, der Monat ist gut gelaufen, wenn mal ein Kleidungsstück neben den ohnehin dringend benötigten Lebensmitteln des täglichen Bedarfs abfällt. Vom Rententräger wurde die Diplom-Wirtschaftlerin wegen einer chronischen Erkrankung als "erwerbsgemindert" eingestuft und ihre Rente liegt damit nur zwei bis drei Euro über der Grundsicherung. Für sie bedeutet das: kaum Ermäßigungen, dafür Altersarmut. Miete, Versicherung und andere Kosten wie GEZ muss sie voll selbst bezahlen.
Sigrun Pfeifer hat Bankkauffrau mit Abitur in der DDR gelernt und ihr Studium in Berlin als Diplom-Wirtschaftlerin erfolgreich abgeschlossen. Danach arbeitete sie im Bankwesen in Magdeburg und einem volkseigenen Betrieb. 2004 wurde sie schließlich Frührentnerin.
Alleinstehend, keine Kinder
Da Sigrun Pfeifer geschieden ist, keine Kinder hat und alleinstehend ist, bezog sie bereits die kleinste Wohneinheit, die möglich ist eine Einraumwohnung in der Altstadt. Für die Wohnung bezahlt Sigrun Pfeifer 280 Euro warm.
Abzüglich der Versicherungen (z. B. Sterbegeldversicherung), Fernsehen, Telefon, GEZ, Internet und der MVB-Monatsfahrkarte - alles in allem rund 150 bis 200 Euro. Von der Mini-Rente bleiben somit nur noch rund 170 Euro im Monat für Kleidung, Lebensmittel und den Rest.
Eintrittsgelder, Bücher und erst recht einen Urlaub kann sich die Magdeburgerin nicht leisten. "Ich bin sogar schon aus zwei Vereinen ausgetreten, weil ich den Mitgliedsbeitrag sparen musste", erzählt sie. Gerne hätte die sehr aktive Ehrenamtliche Kurse an der Volkshochschule belegt oder am Studieren ab 50 teilgenommen. All das könne sie sich nicht leisten. Sigrun Pfeifer: "Der einzige Luxus, den ich mir gönne, ist eine Monatskarte der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) für 27 Euro, damit ich mobil bleibe."
Das ist bei ihrem vollen Terminkalender auch sehr wichtig. Denn statt zu resignieren und sich in die Einsamkeit ihrer Einraumwohnung zurückzuziehen, geht sie in die Offensive und arbeitet ehrenamtlich an vielen Fronten. So steht die Magdeburgerin seit 2005 zum Beispiel dem Caritasverband für das Bistum Magdeburg als Sprachpartnerin für Migranten zur Verfügung. Sie begleitet diese bei allen Fragen im deutschen Alltag. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, absolvierte sie eine Ausbildung als Integrationsbegleiterin an der Volkshochschule. Das bringt zwar kein Geld, aber persönliche und vor allem menschliche Kontakte.
Das Mitglied der Magdeburger Seniorenvertretung arbeitet auch in dessen Vorstand und organisiert ehrenamtlich den Senioren-Besuchsdienst. Ihr Terminkalender ist voll und der Tag streng organisiert. So war die 61-Jährige bereits Lesepatin in der Grundschule Nordwest und gab dem Nachwuchs auch schon Gitarrenunterricht.
Ihr größtes Hobby ist nämlich die Musik. "Ich besitze eine Konzertgitarre, spiele gerne und gebe bei Veranstaltungen einen musikalischen Rahmen", sagt sie.
Ansonsten hat sich Sigrun Pfeifer mit ihrer Lage mehr oder weniger "arrangiert". Obwohl sie ihre Situation dennoch nicht verstehen kann. Sie hat immerhin studiert und auch lange gearbeitet.
Zu DDR-Zeiten war ihr Verdienst aber trotz der Vollzeitarbeit so gering, dass es für die Rentenberechnung offenbar kaum ins Gewicht fällt. Sie habe damals auch eine Zusatzrente abgeschlossen, doch die ist so minimal, dass sie nicht erwähnenswert wäre. In der Summe bleibe ihr nicht mal die Option, als Bedürftige zur Tafel zu gehen.
Grenze zur Bedürftigkeit
"Wie gesagt, ich liege mit zwei bis drei Euro über der Grundsicherung und damit über der Grenze zur Bedürftigkeit", erklärt sie. Der Magdeburg-Pass und andere Vergünstigungen kommen für sie somit nicht in Frage.
Sigrun Pfeifer muss deshalb ihr Leben so organisieren, das sie mit dem wenigen Geld zurechtkommt, welches ihr zur Verfügung steht. "Bestimmte Geschäfte sind für mich tabu. Im Discounter vergleiche ich die Preise und greife auf Sonderangebote zurück. Je weniger man hat, umso mehr muss man rechnen", meint sie.
Schick essen gehen sei da leider nicht drin. Im Gegenteil, gespart wird, wo es nur geht. So nutzt sie jede Einsparungsmöglichkeit, die sich bietet. "Wenn ich zum Beispiel zum Erwerbslosenfrühstück eingeladen werde, gehe ich hin. Da kann ich vor allem auch Gleichgesinnte treffen", meint die Alleinstehende.
Und: Selbst auf ihre Leidenschaft, das Lesen, müsse sie nicht verzichten. In einem Servicezentrum könne sich die Rentnerin kostenlos die Bücher ausleihen. Die Auswahl sei zwar begrenzt, aber besser als gar nichts.
Und wie sieht es mit einem Zuverdienst aus? "Da sind mir leider seitens des Rententrägers die Hände gebunden. Ich könnte nur zwei bis drei Stunden am Tag arbeiten und bis zu 400 Euro dazuverdienen. Aber finden Sie mal einen Job mit solchen Voraussetzungen", sagt sie.
Ein wenig Hoffnung hegt Sigrun Pfeifer auf das Erreichen ihrer regulären Rente in vier Jahren. "Dann bekomme ich zwar genauso wenig Geld wie jetzt, könnte mir aber mehr dazuverdienen. Zumindest ohne die strengen Auflagen, die ich unter den heutigen Bedingungen habe", erklärt sie. Zumindest die Hoffnung wolle sie nicht aufgeben.