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Tag des Apfels Ein Stück Börde zum Anbeißen

Wetterextreme, die Industrie als Konkurrent, wählerische Kunden: Der Obsthof Hornemann in Sülzetal muss sich ordentlich durchbeißen.

Von Lan Dinh 13.01.2019, 00:01

Langenweddingen l „Probieren Sie mal diesen“, sagt Sabine Hornemann und reicht mir einen grün-roten Apfel. Ich beiße rein. Er schmeckt säuerlich, würzig und hat einen festen Biss. „Das ist ein Mairac. Den gibt es selten oder gar nicht im Supermarkt.“ Die 38-Jährige mit den langen braunen Haaren steht vor einer großen Holzkiste im Obsthofladen Altenweddingen und sortiert Äpfel aus. Der Laden gehört zum Obsthof Hornemann. Sie leitet den Familienbetrieb in fünfter Generation.

Ihre Vorfahren betrieben selbstständigen Obstbau schon seit etwa 1900. Damals belieferte ihr Urgroßvater auch den Kaiserhof mit der Apfelsorte „Weißer Wintercalville“. 1960 verstaatlichte die DDR den Betrieb. „Mein Vater hat Äpfel zu DDR-Zeiten in unserem Garten angebaut“, erinnert sie sich. Nach der Wende lebte der Familienbetrieb wieder auf. Vater Hans-Otto gründete 1991 den Obsthof. Tochter Sabine erlernt den Beruf der Obstbaumeisterin. „Es war für mich selbstverständlich, den Obsthof weiterzuführen, nachdem mein Vater in Rente gegangen ist“, sagt Sabine Hornemann. „Jeder Tag ist anders: Mal arbeite ich im Büro, mal auf der Plantage oder im Hofladen.“

Gelbe, rote, grüne, große, kleine – im Hofladen stehen Holzkisten und Plastiktüten randvoll mit Äpfeln. 13 Sorten gibt es jetzt im Januar. Bis zu 24 Sorten bietet der Laden an. Denn jeder Kunde will einen Apfel nach seinem Geschmack. „Die Jüngeren wollen meistens süße, knackige Äpfel, während die Älteren weiche und säuerliche Äpfel gern essen“, erzählt Sabine Hornemann.

Probierteller stehen bereit. Sie greift sich ein gelbes Apfelstück, steckt es genüsslich in den Mund: „Die Sorte Gelber Köstlicher schmeckt süß und aromatisch. Dagegen ist der gelb-rote Shampion lieblich und süß, vor allem bei den Jüngeren beliebt.“ Sabine Hornemann geht jede Apfelsorte durch und erklärt: Der Jonagold hat einen süßen und sehr saftigen Geschmack. Braeburn schmeckt süß-säuerlich und ist knackig. Der Boskoop ist der säuerlichste und Rubinette schmeckt wie Cox-Orangen. Im Hofladen können sich die Kunden selber bedienen. Eine ältere Frau hält eine Plastiktüte auf und nimmt sich aus der Holzkiste mit der Sorte Boskoop einen nach dem anderen heraus. Sie begutachtet jeden einzelnen, bevor sie einen Apfel in ihre Tüte gleiten lässt. „Die Äpfel sind von hier und schmecken mir besser als aus dem Supermarkt.“

Sabine Hornemann erklärt das so: „Die Äpfel schmecken durch den guten Boden der Magdeburger Börde aromatischer als aus dem Supermarkt. Und der Transportweg ist kürzer, dadurch behalten sie ihre Qualität.“ Zudem liegt der Betrieb im Regenschatten vom Harz. Äpfel mögen das. In der Börde gab es früher viele kleine Obstbauern, aber Betriebe mit langer Tradition entwickelten sich daraus meistens nicht. „Ich habe jedoch den Obstbau nie aufgegeben“, erklärt Sabine Hornemanns Vater Hans-Otto Hornemann, Senior-Obstanbauer.

In der Börde ist der Obsthof daher ein Exot auf dem Gebiet. Der Obstladen zieht Kunden aus dem Salzlandkreis, Magdeburg und Staßfurt an.

Sabine Hornemann zeigt den Lagerraum. Dort stapeln sich Obst und Gemüse. Einige Mitarbeiter sortieren die einzelnen Äpfel von Hand oder per Maschine. Danach kommt das Obst in die Kühlhalle. So verschieden die Apfelsorten untereinander sind, so sind auch ihre Lagerbedingungen. „Die Lagerung ist das Wichtigste beim Verkauf von Äpfeln. Durch unsere moderne Lagertechnik bleibt das Obst länger frisch und knackig.“

Doch bevor die Äpfel hier landen, ist es ein weiter Weg. Ein Besuch der Plantage in Langenweddingen zeigt, wie viel Arbeit hinter dem Obstanbau steckt. Etwa 27.000 Apfelbäume reihen sich auf 18 Hektar hintereinander weg. Jetzt im Januar sind sie nackt, doch im Spätsommer hängen besonders viele Rubinettes, Galas, Jonagolds und Elstars daran. Die Obstbäuerin fährt mit dem Auto zwischen die Baumreihen und zeigt, wo welche Apfelbäume stehen.

Absolute Ruhe auf der Plantage, von Hektik ist weit und breit keine Spur. 2018 sah das aber ganz anders aus. Im August gab es für den Obsthof Hornemann von Norden Hagel. „Die Äpfel kriegen dann lauter kleine Punkte. Der Hagel war nur kleinkörnig, sodass sich das alles verwachsen hat“, erzählt Hornemann.

Das Jahr 2018 war das wärmste, trockenste und sonnigste Jahr seit langem. Tagsüber pustete ordentlich der Wind. Das Pflanzenschutzmittel der Hornemanns mag aber keinen Wind und viel Wärme. „Deshalb mussten wir die Pflanzenschutzmittel in der Nacht spritzen“, meint die Chefin des Obsthofes.

„Trotz der Hitze konnten wir alle Äpfelbäume bewässern. Gott sei dank haben wir einen Brunnen. Doch alle Sorten bekamen durchweg leichten Sonnenbrand.“ Durch zu viel Sonne wurde viel Zucker in den Äpfeln gebildet, so dass sie süßer sind, als in anderen Jahren. Doch in einigen Wochen geht der Trubel wieder los. Im Frühling beschneiden die Obstbauern ihre insgesamt 27.000 Bäume.

Dabei werden abgetragene, ältere Äste und überschüssige Jungtriebe entfernt. Danach pflücken die Obstbauern im Mai bis Juni per Hand die überzähligen Früchte, damit die späteren Jonagolds oder Galas eine einheitliche Größe bekommen. Das entlastet die Bäume. „Das ist aufwendiger als die Ernte“, erklärt Hornemann.

Größere Bedenken hat die Obsthof-Chefin hinsichtlich weiterer Wetterextreme wie zum Beispiel Stürme und Hagel: „Wir wissen nicht, was wir machen, falls uns das Wasser ausgeht. Doch bisher hatten wir großes Glück und hoffen auch in Zukunft darauf“, sagt Sabine Hornemann und hält inne, während ihr Blick in die Ferne schweift. 20 Meter entfernt steht ein Reh, das an den Knospen der Obstbäume knabbert. Aber das ist kein Problem: „Die springen ab und zu mal über die Zäune. Das macht den Bäumen aber so gut wie nichts aus.“