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Ein nächtlicher Angriff hat das Leben eines Magdeburger Taxifahrers zerstört Taxi-Überfall: Die Angst fährt immer mit

Ex-Taxifahrer Wolfgang P. ringt noch immer mit den Folgen eines
Überfalls. Im Dezember 2011 wurde er wegen 60 Euro krankenhausreif
geschlagen, leidet seitdem unter Schlafstörungen und Panikattacken.

14.11.2013, 02:06

Magdeburg. Mehr als 20 Jahre hat Wolfgang P. hinter dem Steuer seines Taxis gesessen. Seit Anfang des Monats ist er arbeitslos. Sein Chef habe ihn zur Auflösung seines Arbeitsvertrages gedrängt. "Ich konnte nachts nicht mehr fahren", sagt Wolfgang P.. Anfangs habe man noch mit Verständnis reagiert und ihn weiterbeschäftigt. "Als ich wieder nachts fahren sollte, habe ich mich geweigert", sagt P.. Weil er nun vor das Arbeitsgericht ziehen will, möchte er den Namen seines ehemaligen Arbeitgebers nicht nennen.

Während Wolfgang P. spricht, rutscht er auf dem Stuhl hin und her, fasst sich immer wieder an den Kopf. "Das ist alles der reinste Horror", sagt er. Vor ihm liegen mehrere Schreiben des Jobcenters. 732 Euro Stütze stehen ihm zu. Weil er den von seinem Ex-Chef vorgeschriebenen Auflösungsvertrag (liegt der Volksstimme vor) unterschrieben und damit sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hat, muss er auch mit Sanktionen des Amtes rechnen. "Ich weiß nicht, wie es weitergeht", sagt er. P. ist jetzt 54 Jahre alt und eigentlich viel zu jung, um zu Hause zu bleiben.

Zwischen Taxifahrern und Datenschützern soll es Kompromiss geben

Seit zwei Jahren lassen ihn die Erinnerungen an jene Dezembernacht 2011 nicht mehr los. Damals nimmt er in seinem Großraumtaxi fünf alkoholisierte Jugendliche mit. Als es darum geht, wer die Fahrt bezahlt, tritt ihm einer mehrfach ins Gesicht. Ein anderer hält ihn von hinten fest und würgt ihn. Die beiden lassen erst von Wolfgang P. ab, als der blutend am Boden liegt. Bevor die beiden Schläger verschwinden, nehmen sie noch die Tageseinnahmen (60 Euro) mit. Seit dieser Nacht bekomme er Panikattacken bei großen Menschen-Ansammlungen und leide unter Schlafstörungen. "Die Angst fährt nach so einem Erlebnis immer mit", beschreibt er.

Der Überfall war auch einer der Auslöser einer bis heute andauernden Debatte um Videoüberwachung in Taxis. Mit großer Mehrheit hatten sich die Mitglieder der Taxigenossenschaft Magdeburg 2012 darauf geeinigt, in ihren Fahrzeugen Videokameras zu installieren. Nach Recherchen der Volksstimme war herausgekommen, dass Teile der Technik in einem Drittel der mehr als 140 Fahrzeuge bereits installiert wurde. Das geschah ohne Wissen des Landesbeauftragten für Datenschutz, Harald von Bose.

Von Bose hatte bereits kurz nach dem Beschluss 2012 der Genossenschaft eine permanente Videoüberwachung in Taxis kritisiert. Das Aufzeichnen von einzelnen Standbildern beim Einsteigen bezeichnete er hingegen als möglich. Monatelang waren draufhin die Fronten verhärtet. Nun könnte sich nach Informationen der Volksstimme ein Kompromiss nach Bremer Vorbild abzeichnen. In der Hansestadt gibt es die flächendeckende Überwachung in Taxifahrzeugen. Die Kameras zeichnen dort allerdings nur alle 15 Sekunden Standbilder vom Fahrgast auf. Die Aufnahmen werden nach 72 Stunden wieder gelöscht.

"Wir brauchen keine Bewegtbilder. Standbilder würden uns auch reichen", sagt der Chef der Taxigenossenschaft, Wolfgang Bahls, der Volksstimme auf Nachfrage. Auch eine Löschung der Daten nach spätestens 72 Stunden sei prinzipiell in Ordnung.

Auch von Bose signalisiert Bereitschaft zum Dialog. "Die Taxi-Genossenschaft wird um eine aktuelle Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage gebeten werden" sagt er. Dabei gehe es um Details der Video-Geräte. Nach der Auswertung dieser Stellungnahme und weiteren Beratungsgesprächen bestehe er noch auf einer "Inaugenscheinnahme der Technik in den Fahrzeugen und in der Zentrale."

Kürzlich hatte sich sogar Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zu dem Magdeburger Taxi-Streit geäußert. Der Politiker gilt als Befürworter der Videotechnik. Auf seinem Tisch liegen derzeit mehrere Vorschläge der Polizei zur Überwachung öffentlicher Plätze. Die Taxis - weil nicht öffentlicher Raum - fallen allerdings in den Aufgabenbereich der Datenschützer. Trotzdem betonte Stahlknecht gegenüber der Volksstimme, dass er es begrüßen würde, "wenn eine Lösung gefunden wird, die sowohl dem Sicherheitsbedürfnis der Taxifahrer dient als auch den Belangen des Datenschutzes genügt".

Unterdessen hatte Wolfgang P. erst vor wenigen Wochen seine beiden Peiniger wiedergetroffen. Vor Gericht nahm er ihre Entschuldigungen an. "Es ist nun mal passiert. Die beiden haben das Leben noch vor sich", sagt Wolfgang P. - der heute einen ersten Termin bei seinem Jobvermittler hat.