1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Der Storchen-Vater von Loburg

EIL

Tierpflege Der Storchen-Vater von Loburg

Der „Storchenvater“, der sich seit 1979 in Loburg um die Pflege und Auswilderung von Störchen kümmert, feiert seinen 80. Geburtstag.

Von Janette Beck 21.12.2018, 00:01

Loburg l Dick eingemummelt zieht es Christoph Kaatz auch in dieser kalten Jahreszeit täglich hinaus in das weitläufige, rund drei Hektar umfassende Gelände des Storchenhofes in Loburg (Jerichower Land). Die meisten seiner staksigen „Pflegekinder“ – es waren in diesem Jahr 60, berichtet er – haben längst den Abflug in wärmere Gefilde gemacht. Auf dem Hof tummeln sich dennoch neben zig Hühnern, Putern und Tauben auch ein Dutzend Störche. Sie sind gehandicapt und können ihren Artgenossen nicht hinterherziehen. Also werden sie vom „Storchenvater“ oder „Junior“ Dr. Michael Kaatz, der Ende 2005 die Geschäfte auf dem Hof übernommen hat, gep über den Winter gebracht.

„Vegan ist nicht – Störche sind reine Fleischfresser. Das macht die Pflege nicht gerade leicht“, plaudert der Ornithologe, der in der DDR Landwirtschaft studierte, zum absoluten Rand-Thema Mast-Tauben promovierte und 23 Jahren lang beim Institut für Geflügelzucht Rottenau mit Leib und Seele seinen Job machte, aus dem Nähkästchen. Täglich ein halbes Kilo Fleisch werde jedem Storch aufgetischt. „Meist landen verendete Hühner-Küken von der Wiesenhof-Mast Möckern im Schnabel.“

Jede Menge solcher Fakten, aber auch viele spannende Geschichten rund um den Adebar hat der vor 80 Jahren im polnischen Meseritz (heute Międzyrzecz) geborene Vogelkundler zu erzählen. Aber kein Wunder, dass sich so viel Wissen angehäuft hat, das bei Führungen auf dem Hof oder im liebevoll eingerichteten Storchen-Kabinett zum Besten gegeben wird: Seit über 40 Jahren frönt Christoph Kaatz bereits seiner Leidenschaft. „Es ist viel mehr als ein Hobby: Es ist Berufung für etwas Unentbehrliches, Wunderbares – die Natur. Es geht um Verantwortung und Nachhaltigkeit. Und darum, dass wir die Zeichen des Klimawandels erkennen und etwas gegen die Entfremdung der Menschen von der Natur tun.“

Der für sein Engagement 2010 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Vogelkundler kommt ins Schwärmen, wenn er beschreiben soll, was ihn an den Störchen fasziniert:„Einmal sind sie die ästhetischen Flieger. Andermal drehen sie vor lauter Lebenslust Kapriolen in der Luft.“ Aber genauso bewundere er, wie fürsorglich sich beide Elternteile um den Nachwuchs kümmern. „Das bewegt mein Herz immer wieder von Neuem.“

Angefangen hat alles 1975 mit dem Kauf des ehemaligen Arzthauses in Loburg. Schon damals hatten Christoph Kaatz und seine Ehefrau Mechthild, die als Tierärztin die Liebe zur Natur und den Störchen teilt („Das ist ein Segen für mich“), die Idee, eine Auffangstation für verletzte oder verwaiste Adebare einzurichten. 1979 wurde das Projekt Storchenhof in die Tat umgesetzt. 39 Jahre später gibt es einen Rekord zu vermelden: 14.000 Besucher wurden 2018 gezählt, so viele wie noch nie.

Bereits im Gründungsjahr kam der erste Weißstorch bei Familie Kaatz in Pflege. Mit den Jahren wurden es immer mehr. So erklärt sich die stattliche Zahl von 1809 Weiß- und 29 Schwarzstörchen. „70 Prozent davon konnten gesundgepflegt und ausgewildert werden“, berichtet Kaatz senior stolz. Jeder Storch wird nummeriert und beringt. Zudem wird ein Datenblatt anfertigt. Wenige Auserwählte bekommen Telemetriesender.

Ungezählt blieben die „wilden“ Störche, die in all den Jahren eines der fünf Nester in Loburg – drei davon auf dem Storchenhof selbst – bezogen haben. Allein in diesem Jahr wurden neun Junge gezählt. Doch an keinem Adebar hängt das Herz von Christoph Kaatz so sehr wie an Prinzesschen: „Ich träume heute noch von ihr.“

1993 tauchte sie erstmals auf dem Storchenhof auf, ein Jahr später verpasste ihr Kaatz einen Sender. Per Satellit wurde die Weißstörchin danach jahrelang beim Vogelzug beobachtet. Als „Ostzieherin“ überwinterte sie im 10.000 Flugkilometer entfernten Südafrika. Ein ZDF-Team begleitete die „Loburgerin“ auf ihrer Weltreise. 2004 wurde ihr Antlitz auf einer Briefmarke verewigt. „Als Weihnachten 2006 ihr Sender nicht mehr geortet werden konnte und wenig später aus Hoopstad die Nachricht von ihrem Tod kam, brach es mir fast das Herz“, gesteht der „Ziehvater“.

Die Erinnerungen an Prinzesschen, der 2010 auf dem Storchenhof ein Bronze-Denkmal gesetzt wurde, werden wohl auch bei der morgigen Geburtstagsparty in der Gaststätte „The Pub“ aufleben. Eigentlich sei er wunschlos glücklich, sagt der Jubilar – auch mit Blick auf sein Lebenswerk: „Deshalb ist jede Spende zur Unterstützung unseres Fördervereins für mich ein Segen und das schönste Geschenk, das man mir machen kann.“