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Titel Magdeburg will Kulturhauptstadt werden

Magdeburg und Dresden bewerben sich um den Titel der Kulturhauptstadt. Die Volksstimme hat beiden Bewerbern sieben Fragen gestellt.

Von Juliane Just 25.06.2017, 11:49

Magdeburg l Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt ist langwierig. Deshalb laufen in den Elbestädten umfangreiche Planungen. Magdeburgs Kulturbeigeordneten Matthias Puhle und Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch sind Stadtexperten und wurden in Sachen Kultur im Volksstimme-Doppelinterview über Themenschwerpunkte, Konkurrenzdruck und ihre Chancen befragt.

Warum will sich die Stadt um den Titel Kulturhauptstadt 2025 bewerben?

Matthias Puhle: Magdeburg hat schon vor einigen Jahren entschieden, sich zu bewerben, weil man einerseits der Meinung ist, dass die Kulturlandschaft der Stadt inzwischen eine solche Qualität erreicht hat, dass man das auch guten Gewissens tun kann, und andererseits wir der Meinung sind, ein Konzept und Ideen vorlegen zu können, von denen auch Europa profitieren wird. Und es geht natürlich auch darum, dass wir sehen, dass wir die Stadt auch noch verbessern können, dass wir Defizite beheben, die sich über Jahrzehnte, vielleicht sogar über Jahrhunderte herausgestellt haben.

Annekatrin Klepsch: Der Auftrag für die Bewerbung kam im Jahr 2014 aus dem Dresdner Stadtrat. Wir glauben, dass die Bewerbung eine gute Chance für die Stadt ist, um einige Dinge, die hier in Schieflage geraten sind, wieder zu diskutieren und einen neuen Dialog in der Stadt herzustellen. Eine solche Bewerbung ist ein Stipendium für die Stadt. Man stellt nicht das aus, was man hat, sondern es geht darum, etwas Neues zu entwickeln und dieser Herausforderung wollen wir uns stellen.

Wie sollen die Bürger bei der Bewerbung beteiligt werden?

Matthias Puhle: Zunächst geht es darum, dass wir die Bürger befragen, wie sie die Bewerbung Magdeburgs beurteilen, welche Wünsche sie an die Stadt haben und welche Defizite sie ausmachen. Das haben wir bereits getan und werden es fortsetzen. Wir wollen auch in die Stadtteile gehen und herausfinden: Wie ist die kulturelle und die soziale Situation dort und wie können die Stadtteile zusammenwirken. Auch wurden Kulturbeiräte gegründet. Darin sind rund 70 Bürger aktiv, die aus der Kulturlandschaft kommen und die uns mit ihrem Expertenwissen beraten werden. Das ist eine sehr große Basis, und ich gehe davon aus, dass in diesen Kulturbeiräten auch viel Partizipation durch die Bürger stattfindet und wir so möglichst viel aus der Bürgerschaft aufnehmen, was für unsere Bewerbung nachher wichtig wird.

Annekatrin Klepsch: Unsere Bewerbung als Kulturhauptstadt ist eine Bewerbung von unten. Es gibt keinen teuer bezahlten Manager, der sich ein kuratiertes Programm ausdenkt, sondern wir beginnen einen Dialog mit der Stadtgesellschaft. Wir haben mit Multiplikatorenrunden begonnen, wo wir unterschiedliche Akteure und Institutionen aus der Stadt eingeladen haben, um den Prozess zu erklären und um Beteiligung zu werben. Beispielsweise alle Museen der Stadt, alle anderen Kulturbetriebe, die Tourismusbranche, die internationalen Institute und die Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen. Parallel dazu beteiligen wir die Bürger. Wir werden in ausgewählte Stadtteile gehen und dort das Gespräch suchen. Das heißt, wir sammeln die Ideen und sortieren dann anhand von inhaltlichen Schwerpunkten wie die Bewerbung konkret aussehen wird. 

Welche Chancen rechnet sich die Stadt aus? Welche der anderen Bewerberstädte stellt die größte Konkurrenz dar?

Matthias Puhle: Wir rechnen uns wirklich eine gute Chance aus. Wir glauben, dass alle Bewerberstädte mehr oder weniger von einer gleichen Startposition aus in das Rennen gehen. Der Kulturhauptstadt-Wettbewerb hat sich in den vergangenen 30 Jahren sehr stark verändert. Es geht weniger darum, große, bedeutende, berühmte europäische Städte zur Kulturhauptstadt zu machen.

Annekatrin Klepsch: Ich gehe natürlich davon aus, dass wir erfolgreich sein werden und dass wir auch auf die Short List kommen. Es gibt keine größte Konkurrenz, aber wir betrachten das als sportlichen Wettbewerb. Es ist einfach eine Chance für die Stadt.

Was tut die Stadt, um die anderen Bewerber auszustechen?

Matthias Puhle: Wir werden weniger auf andere Städte schauen, wir sehen uns nicht nur als Konkurrenten, wir sehen uns auf diesem Weg des Wettbewerbs in einem Boot. Wir werden alle von diesem Weg profitieren, am Ende wird es nur einen Gewinner geben. Das ist auch klar, aber es soll keinen Verlierer geben. Das, was Magdeburg auszeichnet, ist eine lange Geschichte. Allerdings ist im Stadtbild an Zeitzeugen davon nur noch sehr wenig zu erkennen. Die Herausforderung ist: Wie können wir diese historische DNA, diese auch europäische Geschichte, die sich in Magdeburg abgespielt hat, für unsere Gegenwart und Zukunft wieder in Erinnerung rufen?

Annekatrin Klepsch: Im Unterschied zu anderen Städten hat Dresden den Vorzug, dass hier eine dichte Kulturlandschaft mit einer wunderbaren Naturlandschaft sowie mit der dichtesten Wissenschaftslandschaft Deutschlands vereint ist. Wir haben die größte Anzahl außeruniversitärer Forschungsinstitute, 14 Hochschulen und eine dichte kulturelle Infrastruktur. Das ist ein gutes Fundament...

Welche Themen stehen für die Stadt bei der Bewerbung im Vordergrund?

Matthias Puhle: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Kulturbeiräte und möchte nicht alle Themen vorwegnehmen. Wir wollen uns auch von neuen Perspektiven überraschen lassen, sonst hätten wir diese Kulturbeiräte nicht ins Leben rufen müssen. Was aber auf der Hand liegt, sind die Themen „Magdeburger Recht“, die großen Brüche und Neudefinitionen der Stadt nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg, aber auch der Wissenschaftler und Europäer Otto von Guericke, die Architektur der Klassischen Moderne der 1920er Jahre und das Bauhaus, die Industriekultur der Stadt.

Annekatrin Klepsch: Wir haben drei Leitlinien. Das eine ist die Stadtgesellschaft. Dresden ist gerade aufgrund der Ereignisse in den vergangenen Jahren in einer schwierigen Situation. Wir sehen die Bewerbung auch als Prozess nach innen. Der zweite Schwerpunkt ist das Thema Europa. Viele Diskussionen, die gerade in Europa stattfinden – um ein interkulturelles Zusammenleben, ein Miteinander und solidarisches Europa – diese Diskussionen finden kleiner auch in Dresden statt. Insofern glauben wir, dass es auch unsere Aufgabe ist, diese Diskussionen hier vor Ort zu führen. Der dritte Schwerpunkt ist die Interdisziplinariät. Wir haben mit dieser Dichte und Vielfalt an Einrichtungen genügend Potenzial, um auch zwischen den Disziplinen neue Projekte zu entwickeln.

Wo sehen Sie die Stadt im europaweiten Vergleich?

Matthias Puhle: Man würde einen Fehler machen, wenn man nicht sehen würde: Magdeburg ist noch zu unbekannt in Europa. Wir müssen noch viel bekannter werden. Das ist ein wesentlicher Punkt. Wir sind zwar Landeshauptstadt, das hat aber eher Wirkung in Deutschland und nicht unbedingt in Europa. Wir sind sicherlich im historischen Kontext relativ berühmt, etwa durch die Ottonen-Ausstellung, das Magdeburger Recht oder Otto von Guericke, aber in der europäischen Öffentlichkeit werden wir viel bekannter werden müssen. Die Frage ist: Was müssen wir tun, um aus diesem Image einer unscheinbaren, normalen Stadt herauszukommen und stärker als eine interessante, aufstrebende Stadt wahrgenommen zu werden?

Annekatrin Klepsch: Die beiden Kulturhauptstädte 2025 kommen aus Slowenien und Deutschland. In dem kleinen Land Slowenien ist es relativ klar, dass Ljubljana die Kulturhauptstadt sein wird. In der Bundesrepublik, einem großen europäischen Land, müssen wir uns gegen die anderen Bewerber durchsetzen. Aber das spornt ja auch an. Was Dresden innerhalb der Bundesrepublik auszeichnet, ist die Nähe zu Ost- und Südosteuropa. Die Stadt ist wenige Kilometer von der tschechischen und der polnischen Grenze entfernt. Es gibt dort jahrhundertealte Beziehungen zu diesen Regionen und das haben nur wir.

Welche Defizite könnte die Stadt durch den Titel Kulturhauptstadt überwinden?

Matthias Puhle: Für mich sind es im Wesentlichen zwei Defizite, die Magdeburg mit Kulturprojekten verringern kann. Das eine Defizit betrifft die Urbanität, also die Aufenthaltsqualität in der Stadt. Da kann Kultur eine Menge bewirken, aber es kommt auch darauf an, was im Städtebau passiert, wie viel Gastronomie wir in der Stadt haben, wie viele Kultureinrichtungen vorhanden sind, wie die Bürger sich in ihrer Stadt definieren. Das zweite Ziel wäre eine verstärkte Europäisierung und Internationalisierung der Stadt. Das würde den Hochschulen und dem Thema „Wissenschaft und Forschung“, den exportierenden Unternehmen und der Stadtbevölkerung gut tun.

Annekatrin Klepsch: Unser Ziel ist es, deutlich zu machen, wie man mit Kultur, Kunst und Projekten ein neues gesellschaftliches Miteinander erzeugen kann. Das heißt, wir fangen mit den Veranstaltungen nicht in der Innenstadt an, wo alle großen Kulturbetriebe sitzen, sondern wir gehen an den Stadtrand, in Gebiete, die kulturell nicht im Fokus stehen und wo andere Problemlagen zu bewältigen sind.