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Landesverwaltungsamt will Sicherheit prüfen - Seglerverband fordert Warnschilder Todesdrama am Niegripper See: Landkreis wurde schon 2010 von EON Avacon gewarnt

Von Matthias Fricke 14.08.2012, 05:30

Nach dem Unfall am Wochenende, bei dem ein 42-jähriger Segler vor den Augen seines fünfjährigen Sohnes einen tödlichen Stromschlag erlitt, ermittelt die Polizei weiter zur Ursache. Derweil erklärte der Betreiber der Hochspannungsleitung, EON Avacon, dass der Landkreis bereits 2010 gewarnt wurde.

Magdeburg/Niegripp l "Die Passagiere und Zeugen konnten noch nicht vernommen werden", erklärt Dietmar Bloch vom Wasserschutzpolizeirevier Sachsen-Anhalt. Der Schock nach dem tödlichen Drama am Wochenende sitzt einfach noch zu tief.

Die Ermittlungen laufen dennoch auf Hochtouren: Auf dem 120 Quadratmeter großen ehemaligen Kiesloch war am Wochenende das Segelboot des 42-jährigen Bauunternehmers aus der Nähe von Colbitz mit dem neun Meter hohen Mast so dicht an die Hochspannungsleitung gekommen, dass es einen Lichtbogen gab. Da der Mann am Steuer stand, erlitt er einen tödlichen Schlag. Das Steuer besteht aus Metall und leitete daher den Strom in seinen Körper. Sein fünfjähriger Sohn und zwei Freunde des Unternehmers blieben zwar unverletzt, mussten aber alles mit ansehen. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Neben der Ursachenermittlung prüft die Polizei nun auch, ob es eventuell auch Versäumnisse der Behörden oder des Energieunternehmens gegeben hat, erklärt Dietmar Bloch. Einen Hinweis darauf gebe es aber noch nicht. Die Mindesthöhe für Hochspannungsleitungen beträgt auf Gewässern dieser Ordnung acht Meter. Gemessen wurden am Sonnabend 10,50 Meter. Die Grenzen wurden demnach eingehalten.

Der Sprecher des Landesseglerverbands Sachsen-Anhalt, Roland Stauf, kritisierte dennoch, dass es keinerlei Hinweise auf die tief hängende 110-kV-Leitung (110 000 Volt) gibt. "Sicherlich hat jeder Bootsführer eine nautische Sorgfaltspflicht, doch in diesem Fall kann man von einem Segler nicht erwarten, dass er den Energieversorger vorher anruft und fragt, welche Durchfahrtshöhe es an dieser Stelle gibt. Normalerweise ist solch eine Gefahrenstelle auf allen Wasserstraßen ausgeschildert", erklärt der Hobby-Segler. Zwar seien die anliegenden Wassersportvereine des Niegripper Sees bereits vor über einem Jahr vom Energieversorger schriftlich gewarnt worden, dass die Freileitungen nicht "mit gesetztem Mast" passiert werden sollen, dies reiche aber nicht. "Schließlich gibt es sehr viele Gastnutzer und das Gewässer wird auch von vielen Transitnutzern des Elbe-Havel-Kanals befahren", erklärt Stauf. "Da muss es Schilder am Ufer geben", fordert er.

EON Avacon hatte den Landkreis Jerichower Land vor der Gefahr eines Stromschlages der tief hängenden Leitung am Niegripper See gewarnt. "Wir haben 2010 ein entsprechendes Schreiben an das Landratsamt in Burg geschickt", sagte EON-Avacon-Sprecherin Corinna Hinkel. Der Sprecher der Kreisverwaltung in Burg, Henry Liebe, konnte dies auf Nachfrage der Volksstimme gestern nicht bestätigen. Er wollte es aber auch nicht ausschließen.

Die Sprecherin des Landesverwaltungsamtes Denise Vopel sagte eine" unverzügliche Prüfung der Sicherheit" vor Ort zu. "Wir arbeiten sehr eng mit der Unteren und Oberen Wasserbehörde des Landkreises zusammen und werden, wenn es erforderlich ist, vor der Gefahrenstelle auch Schilder aufstellen."

Pikant: Erst vor sechs Wochen hat es auf dem Niegripper See eine Ortsbesichtigung mit allen beteiligten Behörden gegeben - auch die Wasserschutzpolizei war mit vor Ort. Es ging um die erweiterte Freigabe des Gewässers für den Wassersport. "Keinem ist dabei das Hochspannungskabel als Gefahrenquelle aufgefallen", sagt Denise Vopel.

Nach Angaben von EON-Avacon ist geplant, die Hochspannungsleitung in den nächsten Jahren um den See herum zu verlegen. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest.