Männer und Frauen, die keine Namen und Geschter haben: Verdeckte Ermittler des LKA bewegen sich auf einem schmalen Grat (Teil 11) "Tony" & Co" mischen kräftig in den Reihen der Unterwelt mit
Magdeburg. Als Erstes erscheint der Vorsitzende Richter der 6. Großen Strafkammer in einem kleinen "Bild-in-Bild-Fenster" auf dem Monitor. Dann teilte ein LKA-Techniker den Beteiligten am Falschgeldprozess mit: "Die Leitung ist nun freigeschaltet".
Es dauert etwa eineinhalb Minuten, dann ist das Bild da. Zuerst bestätigte ein LKA-Beamter, der sogenannte Führer des Verdeckten Ermittlers, dass es sich bei der Person, die vor dem Magdeburger Landgericht aussagen wird, tatsächlich um den geladenen Verdeckten Ermittler "Tony" handelt.
Kurz darauf zeigen die Bildschirme einen Mann hinter einer Art Milchglasscheibe, die sein Äußeres nur erahnen lässt. Die Stimme des Verdeckten LKA-Ermittlers erinnerte an die von "Micky Maus".
Die Befragung beginnt. Sie dauert fast drei Stunden. Dabei geht es speziell um die Rolle, die "Tony" bei den Ermittlungen im bisher größten Falschgeldfall Sachsen-Anhalts gespielt hat. Als jemand, der als potenzieller "Blüten-Käufer" aufgetreten ist.
Jörg Grube (Name geändert) ist Chef des Dezernats 43 und somit auch der Männer und Frauen, die sich unter die Ganoven mischen, um so – verdeckt – handfeste Beweise gegen Straftäter zu sammeln, die letztlich Bestand vor Gericht haben sollten.
"Der Magdeburger Fall im Jahr 2009 war das erste Mal in Sachsen-Anhalt, dass ein Verdeckter Ermittler in einem Prozess persönlich aussagen musste", sagt der Kriminaloberrat. Zumeist gebe es eine sogenannte Sperrerklärung vom obersten Dienstherrn des Spezialermittlers, dem Iinnenminister. Die Regel sei, dass der VE-Führer den schriftlichen Bericht, den er vom "namenlosen Geheimermittler" bekommen hat, vor Gericht vorträgt und auch Fragen beantwortet.
"Hintergrund ist die Sicherheit der Beamten. Aber auch die ihrer Familien. Die Anonymität der Ermittler muss unter allen Umständen gewahrt bleiben", so Grube.
Und er erläutert: "Die Hemmschwelle, einen Polizeibeamten zu verletzen oder gar zu töten, liegt bei Kriminellen recht hoch. Anders ist es, wenn ein Verbrecher meint, einen Mittäter vor sich zu haben, der ihm möglicherweise auf die Füße treten will." In dieser Konstellation liege ein großes Risiko für den VE.
Wann verdeckte Ermittler eingesetzt werden, beschreibt ein Deliktkatalog in den Paragraphen 110a ff. der Strafprozessordnung. "Dazu gehören Falschgeldstraftaten, Waffen- und Drogendelikte ebenso wie Straftaten der Organisierten Kriminalität, des Staatsschutzes und wenn Wiederholungsgefahr besteht, sagt der Dezernats-Leiter.
Ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft laufe gar nichts und wenn Spezialisten des Dezernats 43 gar in Wohnungen agieren sollen, bedarf es sogar eines richterlichen Beschlusses.
Die VE-Führer halten bei den gefährlichen Einsätzen stets engen Kontakt mit den Verdeckten Ermittlern. Entweder befinden sie sich in der Nähe des Einsatzortes oder sie überwachen elektronischen jeden Schritt ihrer "Frontmänner und -frauen".
Besonders drei Eigenschaften seien für die Verdeckten Ermittler unersätzlich: "Sie müssen ein unglaubliches Gefühl für ihr Umfeld und Situationen haben und außergewöhnliche Merkfähigkeit. Denn die Art ihrer Ermittlungen verbietet es, dass sie sich während der Einsätze Notizen machen", sagt Grube.
Schauspielerische Kenntnisse seien das dritte Kriterium, um sich so dem Umfeld anzupassen. Grube: "Ob Spezialisten eigens Schauspielunterricht genommen haben, möchte ich hier nicht öffentlich machen. Nur soviel: Sollte der Wunsch bestehen, würde sich das LKA nicht dagegen aussprechen."
Alle Einsätze seien freiwillig, so Kriminaloberrat. "Ist einem VE eine Sache zu heiß, kann er den Einsatz ablehnen, ohne. dass ihm Konsequenzen erwachsen."
Die Identität der Eingesetzten ist dermaßen geheim, dass sie selbst in der Behörde nicht bekannt sind. Lediglich der LKA-Direktor kennt die "Verdeckten".
Auch die Familien der Spezialisten sind über das Einsatzfeld nicht informiert. Sie wissen zwar, dass der Beamte beim Landeskriminalamt arbeitet, allerdings bauen die Verdeckten Ermittler eine "Sicherheits-Legende" auf.
Grube verkennt nicht die Gratwanderung für die Spezialbeamten: "Verdeckte Ermittler haben in Deutschland nicht dieselben rechtlichen Möglichkeiten wie die ,Undercover-Agents‘ in den USA. Unsere amerikanischen Kollegen dürfen Straftaten begehen und sich an Straftaten anderer beteiligen, wenn sie dadurch einen Fall von Schwerkriminalität lösen können."