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Trend Der Magdeburger Kaffee-Philosoph

Kleine Kaffeeröstereien locken immer mehr Kunden an. Vorallem Genießer, die auf Qualität setzen. Zu den Röstern gehört auch Holger Brandt.

Von Bernd Kaufholz 01.10.2018, 10:45

Magdeburg l Holger Brandt ist ein Kaffee-Philosoph und rund um das Röstbohnengetränk ein wandelndes Lexikon. Das müsse er auch sein, sagt der 49-Jährige hinter dem Tresen seiner Kaffee-Rösterei „Seposita“ in Magdeburg. Denn es werde so viel Unsinn rund um die Bohnen verbreitet, „dass sich einem die Haare sträuben“.
„Da verlangen Kunden zum Beispiel ,Espresso-Bohnen‘. Die muss ich enttäuschen. Espresso-Bohnen gibt es nicht. Auch wenn Marketing und Werbung das vorgaukeln.“ Es gibt nur Arabica- oder Hochlandbohnen, die inzwischen 800 und 2000 Metern angebaut werden, langsam wachsen und so ihr Aroma entfalten können sowie Robusta, der sauer und erdig ist und zweimal so viel Koffein enthält wie Arabica und eine Mischung aus beiden ist.“ Espresso sei lediglich eine Zubereitungsform.
Auch der viel beworbene Café-Crema sei keine Spezial-Bohne. „Dem Kaffee werden lediglich Emulgatoren, also Hilfsstoffe, zugesetzt, damit sich eine cremige Schicht bildet.“ Hinzu komme die Luft, die durch die Kaffeeautomaten zugeführt werde.
Brandt kann diesen „Tricks“ nichts Gutes abgewinnen. Und er wird noch deutlicher: „Die Café-Crema-Masche ist eine Methode, um alten Kaffee noch zu vermarkten.“
Der Kaffee-Experte röstet jeden zweiten Sonnabend zwischen 10 und 12 Uhr mehrmals 15 Kilo Bohnen. 2017 waren es drei Tonnen, in diesem Jahr wird es wohl eine halbe Tonnen mehr werden. Und das Schaurösten kommt sehr gut an.
Das Geheimnis ist die Röstzeit. In den kleinen Betrieben 16 bis 20 Minuten, die Industrie jage die Bohnen in eineinhalb bis zwei Minuten durch die Hitze. Das Ergebnis: die Bohnen der Craft- (Handwerks) Röstereien haben ein besseres Aroma und weniger Säure.
Vor viereinhalb Jahren ist der Lebensmittelfachmann ins Kaffee-Geschäft gewechselt. „Ich konnte es nicht mehr mit ansehen, welche Methoden angewandt werden, um die Lebensmittel-Preise auf niedrigem Niveau zu halten. Zusatzstoffe über Zusatzstoffe.“
Brandt informierte sich bei kleinen Röstereien und belegte einen Röstkurs. In einem ehemaligen Fahrradladen in Magdeburg-Stadtfeld fand er das passende Geschäft, „das mittlerweile zu klein ist“.
„Der Hitze-Sommer war nicht so gut fürs Geschäft. Da war eher Eis-Kaffee gefragt. Aber es gab Lieferengpässe bei Vanille-Eis.“ Jetzt im Herbst und dann im Frühjahr sei die beste Kaffee-Zeit.
In den Regalen liegen die Behälter mit Kaffee unter anderem aus Peru, Mexiko, Indien und Äthiopien. „Mein Favorit ist ganz klar ,Indian Pearl Mountain‘, sagt Brandt. „Die Perlenbohnen sind ,Einzelkinder‘ am Strauch. Davon gibt es nur ein bis drei Prozent. Sie sind sehr würzig und aromatisch.“
Kaffee ist für viele Menschen mehr als „nur“ ein Heißgetränk, er ist ein Lebensgefühl“, meint auch Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. Kaffee-Genuss werde zelebriert, von der Auswahl der Bohne über die Zubereitung bis hin zur Präsentation in der Tasse. „Dabei spielen Aspekte wie Herkunft, Qualität und handwerkliche Herstellung eine zunehmend größere Rolle. Manufakturbetriebe wie der lokale Röster um die Ecke liegen daher im Trend.“
Der Verband schätzt, dass es derzeit in Deutschland rund 650 gewerbsmäßige Kaffeeröstereien gibt. Davon gehören rund 600 Unternehmen zu den kleineren Röstereien.
Brandt, der täglich bis zu acht Tassen trinkt, liebt die alte Art des Kaffeekochens – direkt aufgebrüht oder mit der French-Press. Genüsslich schlürft er seinen „Pearl“, setzt die Tasse ab und sagt: „Ich glaube, wir sind in einer Zeit der Rückbesinnung. Wo immer mehr Menschen bereit sind, für Qualität zu bezahlen.“
Und er freut sich schon auf Weihnachten, wenn er seinen Kunden wieder ganz besonderen Kaffee anbieten kann: „Australien Skybury“, „Indian Blue Mountain“ oder „Hawaii Kona“.