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Trendsport Sachsen-Anhalt im Darts-Fieber

Nach der Darts-Weltmeisterschaft in London ist in Sachsen-Anhalt ein Darts-Hype ausgebrochen. Ein Besuch in der Magdeburger Stadtliga.

Von Bernd Kaufholz 12.01.2018, 00:01

Magdeburg l Martin, den alle nur „Bärchen“ nennen, konzentriert sich. Den rechten Fuß auf der Abwurflinie 2,44 Meter vor dem elektronischen Dartsboard visiert er die Scheibe an. Den Pfeil in Höhe des rechten Ohres, das 12,7 Millimeter große „Bullenauge“ genau in der Mitte der Scheibe im Fokus. Sein Unterarm schnellt nach vorne – das Wurfgerät landet im „Bullseye“: 50 Punkte.

Allerdings komme es beim Darts nicht darauf an, wer die höchste Punktzahl erreicht, sondern darauf, wer sich von den – in diesem Fall – vorgegebenen 301 Punkten mit den wenigsten Würfen auf null herunterspielt, erklärt der 47-Jährige vom Team „Die Zuckerrüben“.

Er habe als Freizeit-Kneipen-Darter begonnen. Doch vor 15 Jahren habe er ausgesetzt, sagt er. „Ich hatte keine Lust mehr, weil ich immer nur verloren habe.“ Aber der Sport sei wie eine Sucht. Seit sechs Jahren wirft er seine drei Pfeile wieder fast täglich. Nun sogar in der B-Gruppe, der zweithöchsten in der Magdeburger Stadtliga.

Während „Zuckerrübe“ „Bärchen“ hinter den Billardtischen trainiert, ist im vorderen Teil der Sportsbar „Zuckerfabrik“ in Magdeburg-Sudenburg der C-Liga-Wettkampf zwischen der „Bombentruppe“ und dem MDC in vollem Gange.

Jede Mannschaft – Männer und Frauen gemischt – der A-, B- und C-Gruppe mit Team-Namen wie „Tisch 3“, „Salbker Donnerfalken“, „Kampfhähne“, „Hell Express“ und „Die Cracauer Wilden“ ­tritt im Hin- und Rückspiel gegeneinander an, um den Sieger zu ermitteln. Mit jeweils mindestens vier Spielern pro Team spielen sie alle 14 Tage in 17 Magdeburger Gaststätten und in Elbeu (Bördekreis) um die Stadtmeisterschaft in ihrer Leistungsgruppe. Ein Wettkampf dauert zwischen drei und fünf Stunden.

Heike Paulmanns schwarzes T-Shirt weist sie als Darterin der „Bombentruppe“ aus. Sie hat Wurf-Pause und ist unzufrieden mit sich. „Ich pack‘s heute einfach nicht. Ich habe eine Blockade und lasse den Pfeil nicht los.“ Die Engländer nennen das „Dartritis“. „Nur der Kopf entscheidet, wann man den Pfeil loslässt“, weiß die 47-Jährige.

Bei jedem Wettkampf begleitet sie ihr Ehemann. Aber selber spielt er nicht. „Als er es mal versucht hat“, schmunzelt Heike, „hat er fast das Elektronik-Dart zerrammelt.“ Heike Paulmann kennt die Nervosität, wenn man vor der Abwurflinie steht, alle auf die Hand mit dem Pfeil gucken und die Knie zu zittern beginnen. „Laute Musik – ganz egal, was für welche – lenkt mich ab“, nennt sie ihr Rezept.

„Bärchen“ bekämpft das „Darts-Fieber“ etwas anders. „Ein Bier wirkt Wunder. Es gibt Mannschaftskapitäne, die verordnen ihrem Team vor dem Wettkampf sogar ein großes Glas.“ Bier und Darts gehören zusammen, auch wenn bei internationalen Turnieren inzwischen Alkoholverbot herrscht.

Dennis Glade ist Pächter der Spielstätte „Zuckerfabrik“ und so etwas wie eine Magdeburger Darts-Legende. 1995 war er Mitbegründer der Stadtliga. Früher reiste er als Mitglied des DSAB (Deutscher Sportautomatenbund e. V.), zu dem die „Darter“ gehören, durch ganz Deutschland, um an Wettkämpfen teilzunehmen. Für ihn gibt es keine Frage: „Darts ist Sport und nicht irgendeine Bespaßung beim Saufgelage.“

Seit Anfang der 1990er Jahre macht sich Glade für Darts stark und hat dabei einen treuen Partner an der Seite. Der eher als Boxstall-Besitzer bekannte Ulf Steinforth sponsert seit vielen Jahren den Pfeilsport.

„Beim Darts geht es in erster Linie um Spaß am Sport und der Geselligkeit“, sagt Glade. Bedauerlich sei, dass anders als in Thüringen und Sachsen in Sachsen-Anhalt kein Landesverband existiere. Allerdings könnte es in absehbarer Zeit zumindest einen Mitteldeutschen Verband mit Mitteldeutscher Liga geben. Auch der Deutsche Dart Verband hat nach der zuschauerwirksamen WM Träume. So sollten die Spieler auf nationaler Ebene einen höheren finanziellen Anreiz bekommen, damit sich der Sport mehr lohnt.

Innerhalb der Europäischen Professional Darts Corporation (PDC) sind die Preisgelder innerhalb der vergangenen Jahre massiv angestiegen. Während 2006 um insgesamt zwei Millionen Pfund gespielt wurde, war es 2016 schon fünf Mal so viel. 2017 wurde erneut ein Rekord gebrochen. Insgesamt spielte die PDC 11,2 Millionen Pfund aus – rund 13,3 Millionen Euro. Bei der WM 2018 ging allein der Sieger Rob Cross mit 400.000 Pfund (rund 451.000 Euro) nach Hause. Er sei Multimillionär, betont Rekord-Weltmeister Phil Taylor immer wieder. 

Über solche Summen können die Magdeburger Stadtliga-Darter nur müde lächeln. Bekommen doch die Siegerteams am Ende der Saison nicht mal einen Pokal. „Darts wird in Magdeburg nicht anerkannt“, winkt „Alt-Darter“ Glade ab. „Wir Veranstalter müssen für die elektronischen Darts sogar Vergnügungssteuer bezahlen. Bei den Korkscheiben, die allerdings nicht bei Turnieren genutzt werden, jedoch nicht.“ Andere Kommunen seien da weitaus entgegenkommender, so Glade.

In der Sportsbar „Zuckerfabrik“ findet jeden 3. Sonnabend im Monat ein offenes Darts-Turnier statt. Einzige Bedingung ist: Die Teilnehmer müssen mindestens 18 Jahre alt sein.