1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. So leidet Sachsen-Anhalt unter der Dürre

EIL

Trockenheit So leidet Sachsen-Anhalt unter der Dürre

Die Bauern befürchten Milliardenverluste. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerium stellt ihnen Finanzhilfen in Aussicht.

Von Michael Bock 24.07.2018, 15:20

Magdeburg l Die anhaltende Hitze hat massive Folgen für Ernte und Viehbestand. Bundesbauernpräsident Joachim Rukwied erwartet deutschlandweit Schäden in Milliardenhöhe. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) stellt finanzielle Hilfe in Aussicht.

„Die Situation ist überall im Land dramatisch“, sagte Dalbert gestern nach einer  Kabinettssitzung in Magdeburg. „Selbst in unseren guten Böden ist kaum noch Bodenfeuchte feststellbar. Es steht den Pflanzen kein Wasser mehr zur Verfügung. Wir haben es mit einer extremen Dürre zu tun.“

Nach ersten Schätzungen seien fast flächendeckend Ernteeinbußen von einem Drittel und mehr zu erwarten. Dalbert sagte: „Ich habe Maisfelder ohne Mais gesehen.“ Die Ernteverluste allein bei der Wintergerste würden auf 30 bis 60 Prozent geschätzt – bis hin zum Totalausfall in der Altmark. „Ich gehe davon aus, dass die Dürre mit einer Naturkatastrophe gleichgesetzt wird“, sagte Dalbert. Das sei gegeben, wenn mindestens 30 Prozent der durchschnittlichen Jahreserzeugung durch die Dürre zerstört worden seien.

In diesem Fall werde das Land einen Notstandsfonds auflegen, aus dem den Landwirten bis zu 80 Prozent ihrer Verluste erstattet werden könnten. Die Prüfung werde aber noch bis Ende August dauern, sagte Dalbert. Auch danach fließt das Geld nicht sofort – jeder Landwirt muss einen Antrag stellen und nachweisen, dass er betroffen ist. Vorgaben der EU müssten genau beachtet werden, sagte die Agrarministerin.

Die oppositionelle Linke im Landtag kritisierte, dass schnelle und unbürokratische Hilfe für die Landwirte nach wie vor nicht in Sicht sei. Die anhaltende Dürre führe nicht nur zu hohen Ernteausfällen, sondern auch zu Versorgungs-engpässen und Futterknappheit, beispielsweise für Milchkühe sowie Zucht- und Nutztiere, erklärten Fraktionschef Thomas Lippmann und der Landesvorsitzende Andreas Höppner.

Dadurch würden neben den ohnehin entstandenen Ertragseinbußen hohe Kosten für Futterzukäufe entstehen. Darüber hinaus sei für die Sicherung des Betriebes auch im kommenden Jahr gerade jetzt die Investition in Saatgut notwendig, so dass die landwirtschaftlichen Betriebe in Vorleistung gehen müssten. Die von der Landesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen würden daher zu spät greifen.

Der sachsen-anhaltische Bauernverband hat aktuell fast 100 Mitgliedsbetriebe abgefragt und eine erste Bestandsaufnahme vorgelegt. „Die Katastrophe in der Landwirtschaft verstärkt sich weiter“, sagte gestern der Präsident des Bauernverbandes, Olaf Feuerborn.

Besonders betroffen seien die Regionen Altmark, nördliche Börde, Jerichower Land, Salzlandkreis, Anhalt und Wittenberg. „Noch nie hat die Getreide- und Rapsernte so früh, drei Wochen eher als normal, begonnen“, sagte Feuerborn. Auch alteingesessene Landwirte könnten sich nicht erinnern, Mitte Juli mit der Mähdrusch­ernte fertig gewesen zu sein. „Die erreichten Erträge sind ein Desaster.“ Bei einem Vergleich zum mittleren Ertrag der Jahre 2011 bis 2016 sei bei den Getreidearten Gerste, Roggen und Weizen zwischen 25 und 46 Prozent  weniger geerntet worden. Auch auf den guten Standorten in der Magdeburger Börde und im Süden Sachsen-Anhalts werde eine unterdurchschnittliche Ernte eingebracht.

In den Grünlandregionen seien Weiden und Wiesen schon seit Wochen verdorrt, ein zweiter Aufwuchs sei nicht gewachsen, sagte Feuerborn. „Alle Futterreserven werden genutzt, um die Tiere ausreichend zu versorgen. Nachbarschaftshilfe und verstärkter Einsatz von Stroh im Futter werden erforderlich sein, um die Tierbestände über den Winter zu bekommen.“

Joachim Rukwied, Präsident des Bundesbauernverbandes, befürchtet Milliardenverluste. Allein beim Getreide sei mit sieben bis acht Millionen Tonnen weniger Ernte zu rechnen – das wäre ein Schaden von rund 1,4 Milliarden Euro. Dazu kämen Trockenschäden bei den Herbstkulturen wie Mais, Zuckerrüben oder Kartoffeln.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert höhere Preise für Agrarprodukte und einen Agrar-Gipfel mit Ernährungsbranche und Handel. „Eine existenzbedrohliche Krise kann nur gemildert werden durch eine schnelle und faire Anhebung der Erzeugerpreise“, heißt es in einer gestern verbreiteten Mitteilung.

Der Hitzesommer behält Sachsen-Anhalt weiter im Griff. Am heutigen Mittwoch werden Temperaturen teils bis zu 36 Grad erwartet. Die Hitzewelle wird dem Deutschen Wetterdienst (Leipzig) zufolge auch in den nächsten Wochen anhalten.

Die gute Nachricht: Die Trinkwasser-Versorgung aus den Talsperren ist auch nach der langen Dürre gesichert. „Die Anlagen wurden über den Winter und den Frühling gefüllt, so dass auch kein Problem entsteht, wenn jetzt kein Wasser mehr zugeführt wird“, sagte Joachim Schimrosczyk vom Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt.