Naturschutzbehörde entscheidet über Bau eines Baumwipfelpfades im Harz. Von Oliver Schlicht Über allen Wipfeln ist noch Ruh\'
Im Harz könnte bei Thale in den nächsten Monaten mit dem Bau von Sachsen-Anhalts erstem Baumwipfelpfad begonnen werden. Vorausgesetzt, die Behörden spielen mit. Im Dezember fällt die Entscheidung.
Thale l Es wäre ein einmaliger Ausblick in das Harzer Bodetal und in die Naturwelt der Baumkronen. Nahe der Bergstation der Sesselliftbahn von Thale hinauf zur Roßtrappe soll eine behindertengerechte Rampe zu einem bis zu 20 Meter hohen Holzpfad führen, der sich auf Betonstelzen im Wald entlangschlängelt. Am Ende des 2,50 Meter breiten Pfades soll eine halbkreisförmige Schleife den Blick von mehreren Plattformen aus steil hinab in das Bodetal ermöglichen.
"Dort wird es viele interaktive Lehrmittel geben, die den Besuchern das Erlebnis Wald vermitteln werden", erzählt Pamela Groll. Keine blinkenden Bildschirme sollen das sein, sondern "etwas zum Anfassen, zum Bewegen. Etwas, womit man den Wald riechen und schmecken kann", so die Leiterin des Projektes "Zauberstieg" - so soll Sachsen-Anhalts erster Baumwipfelpfad heißen.
Seilbahn, Funparks und eine Downhill-Abfahrt
Pamela Groll ist die Tochter von Josef Wiegand, dessen Unternehmen nicht nur der Seilbahnbetrieb in Thale gehört. Die Wiegand GmbH mit Stammsitz im hessischen Rasdorf betreibt im Harz auch Funparks und richtete eine Downhill-Abfahrt für Mountainbike-Piloten ein.
Nachdem in Thüringen 2005 ein Baumwipfelpfad gebaut wurde (Foto) und großen Anklang fand, reifte auch bei dem Tourismusunternehmen die Idee, in Thale eine ähnliche Attraktion anzubieten. 1,5 Millionen Euro will sich der Investor die Errichtung eines Baumwipfelpfades im Harz kosten lassen. Bereits Ende 2009 wurden die Pläne zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt und eine Fertigstellung für Anfang 2011 angekündigt.
Doch man war wohl etwas blauäugig davon ausgegangen, dass die Genehmigung eines Naturpfades im Sinne einer ökologisch-grünen Wissensvermittlung genehmigungstechnisch ein Selbstläufer sei. Dem war nicht so. Doch Groll denkt positiv: "Diese Erfahrung hat dem Projekt eher gut getan. Zunächst hatten wir eine Freizeiteinrichtung im Auge. Inzwischen zielen die Planungen in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden, Ornitologen und der Forstverwaltung ganz deutlich in Richtung eines pädagogisch vielfältig nutzbaren Naturlehrpfades." Im Sinne des Naturschutzes wurde der Stegverlauf noch einmal verlegt. Und auch die Höhe des Pfades wurde von zunächst geplanten 30 Metern auf 20 Meter herabgesetzt.
Ein Selbstläufer ist die Genehmigung dennoch bis heute nicht. Denn der geplante Pfad liegt im Landschaftsschutzgebiet (LSG). Der Stadtrat von Thale will eigens für das Bauvorhaben im Dezember einen Bebauungsplan verabschieden, der Rechtssicherheit für den Investor schaffen soll. Voraussetzung für diesen Bebauungsplan ist wiederum ein Beschluss der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises in Halberstadt, der das Bauen dort überhaupt erst möglich macht.
Egbert Günther, Leiter dieser Behörde, erklärt: "Im LSG-Gebiet sind Neubauten grundsätzlich nicht möglich. Das sehen die Naturschutzgesetze so vor. Um die Investition dennoch zu ermöglichen, soll das Terrain, wo der Pfad errichtet werden soll, aus dem LSG herausgegliedert werden." Zum entsprechenden Antrag sei die Einspruchsfrist inzwischen abgelaufen.
Eine Entscheidung, ob das Terrain aus dem LSG herausgelöst wird, soll, so Günther, bis Dezember fallen. Der Stadtrat von Thale könnte also noch vor Jahresende den Bebauungsplan verabschieden. Konkret geht es um eine 1,7 Hektar große Fläche. Günther: "Insgesamt sind die LSG im Harz etwa 115000 Hektar groß." Der Behördenleiter sagt, es sei "nicht dumm" gewesen, seitens des Investors Umweltvereine und Forstexperten in die Planung mit einbezogen zu haben. "Nach meiner Kenntnis gab es auch keine grundsätzlich ablehnende Haltung von dieser Seite gegenüber dem Projekt."
So war wohl auch die Untere Naturschutzbehörde in Halberstadt etwas überrascht, als sich der Naturschutzbund (Nabu) vor zwei Wochen öffentlich gegen das Projekt aussprach. Nabu-Geschäftsführerin Annette Leipelt hatte sich deshalb gemeldet, weil sie zu wissen glaubt, dass im Landkreis gerade die Weichen für eine Genehmigung des Projektes gestellt werden.
Touristische Reizüberflutung an der Roßtrappe
Sie kritisiert: "Dieses Bauwerk würde das Landschaftsbild höchst negativ beeinträchtigen. Außerdem gefährdet die leichtfertige Herauslösung der beantragten Fläche das bestehende Landschaftsschutzgebiet in seiner Existenz." Gerade der Bereich Roßtrappe und Hexentanzplatz erfahre inzwischen "eine touristische Reizüberflutung", die dem Gedanken eines Landschaftsschutzgebietes zuwiderlaufe.
Thomas Balcerowski, Bürgermeister von Thale, sieht das anders. "Der Baumwipfelpfad ist ein Beitrag dazu, die Menschen zielgerichtet in die Natur zu führen, um sie dort mit ihr vertraut zu machen." Er sei im Sinne des Naturschutzes, denn er helfe zu verhindern, dass Wanderer unkontrolliert durch das Landschaftsschutzgebiet laufen.