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Verfassungsschutz Virtuelle Agenten im Einsatz

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat gestern den Verfassungsschutzbericht 2019 vorgestellt.

Von Michael Bock 15.07.2020, 01:01

Magdeburg l Der Bericht umfasst 220 Seiten. Die Verfassungsschützer kommen zu folgenden Ergebnissen.

l Rechtsextremismus: Der Rechtsextremismus bleibt dem Bericht zufolge „der mit Abstand größte extremistische Phänomenbereich“ in Sachsen-Anhalt – insbesondere im Hinblick auf seine Gefährlichkeit. Trauriger Beleg dafür sei der rechtsterroristische Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019.

Das rechtsextremistische Potenzial im Land wird auf 1230 Menschen beziffert. Der gewaltorientierten Szene werden etwa 650 Personen zugerechnet. Die Verfassungsschützer beobachten, dass sich Rechtsextremisten zunehmend in den privaten Raum und in das Internet zurückziehen.

Der Geheimdienst will daher verstärkt „virtuelle Agenten“ einsetzen. Mitarbeiter sollen typische Plattformen nach auffälligen Personen und Inhalten durchsuchen.

In der Behörde (zurzeit 110 Mitarbeiter) sollen zehn Menschen neu eingestellt werden. Sie befassen sich mit dem Thema Rechtsextremismus.

Die rechtsextremistische NPD hat laut Verfassungsschutz mit Schwund zu kämpfen. Die Zahl der Mitglieder sank von 220 (2018) auf 150 im vorigen Jahr. Öffentlich sei die NPD „kaum noch präsent“. Neonazis bilden den größten Teil des parteiungebundenen Rechtsextremismus. Ihnen werden in Sachsen-Anhalt 270 Menschen zugerechnet.

l Reichsbürger: Zu „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ zählen Gruppierungen und Menschen, die aus unterschiedlichen Motiven die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und deren Rechtssystem ablehnen. In Sachsen-Anhalt werden etwa 500 Personen (2018: 450) der Reichsbürger-Szene zugerechnet. Von diesen ordnet der Verfassungsschutz etwa zehn Prozent dem Rechtsex­tremismus zu.

Die Reichsbürger agieren vorrangig in den Gruppierungen „Königreich Deutschland“, „Freistaat Preußen“, „Amt für Menschenrecht“ oder „Samtgemeinde Alte Marck“.

l Linksextremismus: Im Linksextremismus verortet der Verfassungsschutz 550 Personen. Der Radikalisierungsgrad in der Szene sei „seit Jahren auf einem hohen Niveau“. So hätten Magdeburger Linksextremisten bereits mehrfach an überregionalen Kampfsportveranstaltungen teilgenommen, etwa in Polen. Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten in Sachsen-Anhalt wird auf 290 geschätzt – das sind 20 mehr als im Jahr 2018. Sie sind vor allem aktiv in Magdeburg, Halle und Burg (Jerichower Land).

 

l Islamistische Bestrebungen: Laut Verfassungsschutz sind weiter islamistische Bestrebungen in Sachsen-Anhalt zu beobachten. Im Land gibt es den Angaben zufolge etwa 400 Islamisten – 2018 waren es noch 300. Auch hierzulande konstatiert der Verfassungsschutz salafistische Bestrebungen. Unter Salafismus versteht der Geheimdienst eine besonders radikale Strömung innerhalb des Islamismus. Auch in den Moscheen und Gebetshäusern in Sachsen-Anhalt seien vereinzelt Prediger aufgetreten, „die salafistische Ideologie propagierten“.

Ebenfalls in Sachsen-Anhalt aktiv ist die „Muslimbruderschaft“ (MB). Laut Verfassungsschutz lehnt diese demokratische Staatssysteme ab, agiert aber pragmatisch. Die Ideologie der Muslimbruderschaft stehe im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Religionsausübung und der allgemeinen Gleichberechtigung.

Die in Sachsen-Anhalt aktiven Personen, die der MB-Ideologie folgen, hätten größtenteils führende Funktionen in ihren Gemeinden. Im Verfassungsschutzbericht heißt es: „Ihr Ziel ist letztlich die Abschaffung der Demokratie und die Gründung eines auf religiösen regeln basierenden Gottesstaats.“

In diesem Zusammenhang wird im Bericht erneut explizit die „Islamischen Gemeinde Stendal e.V.“ genannt. Deren Verbundenheit mit der Muslimbruderschaft zeige sich „insbesondere in den Personen des Vorstands und in der Zusammensetzung der ihn legitimierenden und wählenden Mitgliederversammlung“.

l Spionageabwehr: Der Verfassungsschutz hält die Russische Föderation, China und den Iran für Hauptakteure von Spionageaktivitäten, die auch gegen Sachsen-Anhalt gerichtet sind.

Einige hätten den Auftrag, gezielt Hochschulen und Forschungseinrichtungen auszuspionieren. Neben Datenklau seien verstärkt erpresserischen Verschlüsselungen oder die Veröffentlichung von Unternehmens-Interna zu verzeichnen.